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Alt 10.01.2010, 15:06   #3
Feingeist
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Liebe Medusa,

sicher besser als Dein "Januar"!
Die Doppelung von Gesicht ist fürchterlich, aber der Reihe nach.
Zitat:
Die lärmende Großstadt wird still unterm Schnee,
das Grau wirkt verzaubert im Flöckchengestöber.
Viel zarter erscheint uns, was gestern noch gröber,
ganz langsam, gelassen, fließt heuer die Spree.
Ich frage mich, nach wie vor, was Du mit dem uns bezweckst. Du erreichst, bei mir als Leser, nur, dass ich mich angesprochen fühle, mich aber dennoch nicht in Deinem Gedicht wiederfinde. Dies ist ein sehr unbefriedigendes Gefühl für den Leser. Du schilderst doch Deine subjektiven Eindrücke:
Du erkennst verzaubertes Grau im Gestöber,
Dir erscheint plötzlich alles zart und feiner
Du hast das Gefühl, die Spree fließe langsam und gelassen
Wieso lässt Du sie nicht Deine Eindrücke bleiben, sondern versucht, sie zu pauschalisieren? Einerseits finde ich es frech(mir Deine Empfindungen in die Schuhe zu schieben), andererseits schade, da das Sonett durch ein ICH ungemein an Authentizität gewinnen würde!
Zitat:
Berliner vermummen sich, halten sich warm,
die Kinder erobern die weißkalten Hügel,
verleihen der Pracht sogar duftige Flügel.
All jenen die heute nicht frierend, nicht arm,
Hier geht es mit den Pauschalisierungen weiter: Berliner, die Kinder, All jenen (=alle, die Geld und Wärme haben)..
Die duftigen Flügel verstehe ich überhaupt nicht. Ich hätte an Schneemänner o.ä. gedacht, aber duftige Flügel?
Zitat:
zeigt Janus sein lächelndes, schönstes Gesicht.
Taucht unsere Stadt in weißgoldenes Licht,
erfreut uns gar prunkvoll, lässt dampfend uns lachen,
Spätestens hier hätte ich eine Antithese erwartet, aber, es geht weiter mit dem schönen Januar, der den Wohlhabenden seine schönste Seite zeigt.
In diesem Terzett beginnt die Aneinanderreihung der Nebensätze... Es geht um das, was der Janus(ein wenig pathetisch hier den Namensgeber des Januars, den römischen Gott Ianus einzubringen...) vollbringt. Allerdings ist das Konstrukt syntaktisch unzulässig, da Du vor Taucht einen Punkt gesetzt hast und somit das Subjekt in der Aufzählung fehlt, aber geschenkt, es liegt auf der Hand, dass es sich um den Januar handelt.
Den Fehler in der Metrik hat Jenny bereits angesprochen.
Das dampfende Lachen empfinde ich als unglücklich: Klar meinst Du den Atem, der sichtbar wird; ich denke allerdings unfreiwillig an etwas anderes
Als ganz fürchterlich empfinde ich auch die Wendung: erfreut uns gar prunkvoll - aber das ist subjektive Wahrnehmung, wie ein Großteil meiner Kritik.
Zitat:
manch tolldreiste Sprünge und Rutscher entfachen ,
malt hochrote Nasen in jedes Gesicht
und kraucht durch die Kleidung, denn keine ist dicht.
Nun haben sie doch hochrote Nasen? Dann frieren sie ja doch und sehen trotzdem Janus' schönstes Gesicht? V2 in dieser Terzine widerspricht in meinem Augen Q2V4, aber geschenkt; das sind Kleinigkeiten.
Bei Vers 3 in dieser Terzine hört's für mich allerdings auf. Die Conclusio ähnelt jener des anderen Sonetts.
Und kraucht durch die Kleidung, denn keine ist dicht.
Also, erstens stimmt es nicht. Es gibt sehr wohl adäquate Kleidung, um dem Janus' zu begegnen und zweitens will ich mir nicht vorstellen, wie irgendwas durch meine Kleidung kraucht - darunter fällt dann auch der Januar
Zusätzlich noch die o.g. Doppelung (s. Anfang der Kritik).

Haut mich nicht vom Hocker, ist aber fast durchgängig im schönen Amphybrachus gehalten, wenn ich das richtig sehe?!

Liebe Grüße

Feingeist

Geändert von Feingeist (10.01.2010 um 15:08 Uhr)