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Alt 11.03.2017, 21:25   #2
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi Falderwald!

Als Wortkünstler sage ich: Wohl gesponnen!
Als Leser sage ich: Ein wenig Straffung hier und da hätte nicht geschadet. Die Beschreibung der Seelennöte des Angesprochenen ist stellenweise schon recht "ausführlich" und aus viiiieeelen Winkeln ausgeleuchtet.
Als Wortkünstler, dem sowas gefällt, möchte ich nicht "langatmig" sagen .. du weißt schon, wie ich es meine ...

Die Conclusio spricht aus, was ich mir beim Lesen schon dachte: Einem Menschen, der allein auf einer Insel lebt, stellen sich solche Fragen überhaupt nicht. Aber kaum kommt ein zweiter, gibt es ein potentielles Vorbild, oder jemanden, der beeindruckt werden soll, usw...
Wir definieren uns als soziale Wesen immer bis zu einem gewissen Grad - und bei einigen ist er sogar extrem hoch bis gar allumfassend - über die Ansichten und Meinungen anderer zu unserer Person - oder das, was wir dafür halten oder sonstwie extrapolieren, weil wir in Gesichtern lesen. Wo beginnt wirklich UNSER urEIGENES Sein? Was kommt wirklich von UNS, wenn wir doch so vieles über soziale Mechanismen definieren?

Was also IST letztlich "wahres Leben"? - Es bleibt immer eine Definitionsfrage, gefärbt durch Charakter und Sehnsüchte der Einzelperson, kulturelle Prägung, Beeinflussung durch Werbung, persönliches Umfeld, Filme, Vorbilder usw...
Der Begriff bleibt letzten Endes eine leere Hülle, die jeder nach Gutdünken oder Absichten füllen kann, um sie für sich oder andere zu verwenden: Damit machen Politiker oder Diktatoren Karriere, indem sie genug Menschen einreden, welche Wünsche sie nach dem eigenen "Volkswillen" zu haben hätten, um die Gesellschaft dorthin zu steuern, wohin sie sie haben wollen.
Damit werden überhaupt erst Diktatoren erschaffen, indem irgendwelche talentfreien Versager sich rücksichtlos solchen Lebenszielen verschreiben, weil sie keine Chance sehen, ihren unstillbaren, von Minderwertigkeitskomplexen genährten Geltungsdrang anders zu verwirklichen!
Natürlich sind das die krassen Negativbeispiele! Es gibt natürlich auch das Gegenteil, und man wird buddhistischer Mönch oder altruistischer Lebensberater - oder was jeweils momentan für hip gehalten wird, wenn man seine aufgesetzte Philanthropie Gassi führen will, um bei der Tussi von nebenan zu punkten ... - o weh, ich kann nicht mehr unzynisch sein!

Nein - meine Lebenserfahrung sagt mir, dass es ein "wahres Leben" nicht gibt, und schon gar nicht für immer, wie irgendeinen Ort, den man irgendwie erreichen könnte, wenn man nur lang genug meditiert oder so'n Krempel. Dementsprechend nüchtern und allgemein gültig ist deine Conclusio.
Ich fürchte nur, dass sehr viele Menschen nicht die geistige Flexibilität mitbringen, um sich in diesem Konzept wohl zu fühlen. Kulturelle/geistige Anpassung war schon immer eine der langsamsten Funktionen der Evolution! Da entwickeln sich neue Arten schneller als manche Menschen in der Lage sind umzudenken - oder womöglich ganz neu!

Dennoch sehr gern gelesen!

LG, eKy
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