Thema: Abgenagt
Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 04.10.2019, 12:24   #6
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard

Hi Hans!

Ob du dich zuzeiten nicht ein wenig zu sehr in dieses Konzept von Ankerwörtern verrennst? Wer deine Gedankengänge dazu nicht direkt nachvollziehen kann (also eigentlich jeder andere), tut sich mitunter schwer damit, diese Begriffe in Relation zur gewollten Aussage zu setzen.
So kann ich zB als Leser beim besten Willen nicht erkennen, was eine Planke so unabänderlich mit der Thematik dieses Werkes verbindet, dass man sie unbedingt unterbringen muss. Dazu müsste ich wie der Autor Jaspers gelesen haben - und sein Buch mit genau diesem Gedicht in Verbindung setzen, und das nur mittels des einen Wortes aus einem Gleichnis, das sicher nicht für das ganze Buch steht. Zwei Gedankensprünge, die ohne das Insiderwissen des Autors selbst eigentlich völlig unmöglich sind.

Schadet die Ankerwörtertheorie der Aussagekraft von Werken also eher als dass sie nützt und unterstützt?
Wenn man Gedichte schreiben will, die für den Leser optimal verständlich und nachvollziehbar sein sollen, weil man ja einen Standpunkt oder eine Idee weitertragen möchte, sollte man sich gut überlegen, wie man so schreibt, dass es für den - eben nicht telepathiefähigen - Leser möglich ist, dem roten Faden zu folgen und die richtigen Schlüsse zu ziehen.
Sonst bleibt man zwar stilistisch recht geheimnisumwittert und kryptisch als Dichter, aber keiner kapiert so recht, worauf man hinaus wollte.
Das obige Werk ist dafür ein gutes Beispiel. Nur mit deiner Erklärung im letzten Kommi ist es mir überhaupt möglich, deine Intention nachzuvollziehen. Und ich muss sagen, jede Strophe ist so überfrachtet mit Aussagen, die so drastisch herunterverdichtet sind zu wenigen Worten und Phrasen, dass man als Normaloleser beim besten Willen nicht kapiert, was das alles beinhalten soll.

Also - weniger ist mehr, möglichst klar umrissen in Aussage und Vermittlung, und Ankerwörter habe ich jedenfalls noch nie gebraucht. Dies zur Überlegung, allerdings ohne missionarischen Eifer meinerseits. Ich will nur Denkanstöße geben.

Wenn du natürlich nur für dich schreibst und dir egal ist, ob die Leser dich verstehen, dann betrachte diesen Kommi als obsolet.

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten