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Alt 13.04.2010, 02:38   #6
Pedro
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Claudia kommt zu meinem Haus hoch. Sie hat einen kleinen Korb mit Obst mitgebracht, fragt mich dann , ob ich gerne Obst äße. Ich werde nicht recht schlau aus ihr. Beim letzten Mal hat sie kein Wort gesprochen, heute tut sie, als wenn wir schon längere Zeit befreundet wären. Ich verstehe nicht, dass sie sich jetzt so zwanglos gibt, ihr müsste doch klar sein, welche Wirkung eine so attraktive junge Frau auf einen Mann ausübt, zumal wenn er schon älter ist.
Sie gibt mir die Hand: „Ich heiße Claudia, Claudia Palma und wohne da unten mit meiner Mutter zusammen.“ Eine angenehme Stimme hat sie.
„Ich heiße Peter, hier sagen sie zu mir Pedro.“
Wir sitzen auf der Terrasse, sie hat sich ein Buch über Evolution herausgeholt.
„Sag mal, glaubst du an Gott?“ fragt sie mich ernst. Sie bewegt dabei die Lippen, als wenn sie die Worte schmecken würde.
„Nein!“
„Du Ärmster!“
„Warum Ärmster?“
„Na ja, da hast du ja niemanden, der dir helfen könnte.“
„Ich kenne schon ein paar Menschen, die mir helfen, wenn ich Hilfe brauche.“
„Menschen, das ist was ganz anderes, die können nicht immer helfen, aber Gott kann es!“, sagt sie und streicht ihre Haare aus dem Gesicht..
„Hat er dir schon mal geholfen?“
„Ja, natürlich.“
„Hat er dir immer geholfen, wenn du Hilfe brauchtest?“
Sie schaut mich nachdenklich an, zieht die Schultern hoch und sagt:
„Immer nicht!“
„Hat er dir schon mal nicht geholfen, als du seine Hilfe unbedingt gebraucht hast?“
„Ja, zweimal nicht“, sagt sie schnell.
Ich hätte gerne gewusst, wann ihr Gott ihr nicht geholfen hat, einschneidende Ereignisse müssen es gewesen sein, dass sie sich so schnell und genau erinnert.
„Bist du verheiratet“, frage ich sie.
„Nein!“
„Hast du einen Freund?“
„Nein!“
Das verstehe ich nicht, dass so eine attraktive Frau keinen Freund hat.
„Warum hast du keinen Freund?“
Sie zögert mit der Antwort, sucht nach Worten, sagt dann:
„Ich möchte keinen haben!“
„Hast du eine Freundin, mit der du zusammen lebst?“
Sie lächelt mich an, „nein, so bin ich nicht veranlagt!“
Sie fragt mich dann, ob ich verheiratet sei.
„Ja, ich habe einen Sohn und zwei Töchter, meine Frau ist jünger als ich, arbeitet noch. Ich war Lehrer und bin jetzt pensioniert.“
„Und deine Frau lässt dich so ganz alleine verreisen? Hat sie keine Angst, dass du ihr untreu sein könntest?“
Ich muss lachen. „Ja, vielleicht würde ich schon gerne manchmal ein bisschen untreu sein, aber in meinem Alter ist das gar nicht mehr so leicht!“
„Wenn ich einen Mann hätte, würde ich ihn nicht allein reisen lassen, ich wollte immer dabei sein.“
„Wenn man längere Zeit verheiratet ist, sieht das ein bisschen anders aus“, sage ich nachdenklich. „Leider!“
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