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Alt 17.04.2010, 03:53   #10
Pedro
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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15

Rubén und El Pato warten schon vor dem Restaurant. Wie El Pato in Wirklichkeit heißt, weiß ich nicht, er geht wie eine Ente, darum nennen sie ihn Pato. Mittelgroß, besteht nur aus Muskeln. In der Zeit, als ich die beiden kennen lernte, fragte man nicht viel, nicht nach Namen, nicht nach Adressen. In der Zeit der Diktatur war es besser so wenig wie möglich von einander zu wissen.
Wir gehen ins Restaurant, einfache Holztische, ein paar Bilder aus Bayern an der Wand. Früher existierte eine Organisation, die sich Deutsche Feuerwehr nannte, das war ihr Club-Lokal.
Die Preise sind niedrig, einfaches deutsches Essen. Wir bestellen Schweinebraten, Kartoffelbrei und Sauerkraut und trinken Bier dazu.
„Na, wie geht’s denn so“, frage ich.
Rubén sagt:
„Weißt du, wenn man am Rand eines Scheißhauses geboren wurde, dann muss man sich damit abfinden, ab und zu in Scheiße hineinzutreten!“
El Pato nickt: „Manches ist besser geworden, wir haben Arbeit, wenn sie auch beschissen bezahlt wird. Ab und zu müssen wir etwas tun, um unsere finanzielle Situation zu verbessern. Wir schaffen dann einen gerechten Ausgleich. Da hat sich grundlegend nichts geändert gegen früher. Aber wir leben immerhin noch, müssen nicht ständig Angst haben, festgenommen und gefoltert zu werden.“
Das Essen kommt, wir bestellen noch mehr Bier.
„Sag mal, esst ihr in Deutschland wirklich jeden Tag Sauerkraut?“ fragt Rubén.
„Quatsch, ich habe schon ewig kein Sauerkraut mehr gegessen. Das sind Märchen, die man Touristen erzählt.“
„Schmeckt aber nicht schlecht, das Zeug“, sagt El Pato.
„ Da schlich doch immer ein Typ in eurem Viertel herum, ich glaube Felipe hieß er, wurde vom Geheimdienst bezahlt und übermittelte alles, was er so aufschnappte. Was ist denn aus dem geworden?“
El Pato verzieht sein Gesicht, als wenn er gleich in Tränen ausbrechen würde: „Ja, das war eine tragische Geschichte. Ich glaube, es war 1986. Da ist ihm doch tatsächlich ein Dachziegel auf den Kopf gefallen, er war gleich tot.“
„Ja, so war das“, sagt Rubén, „die Gott liebt, ruft er eben schnell zu sich.“
Als Nachtisch gibt es einen Pudding. Ich bezahle, wir gehen raus und setzen uns in den Park.

„ Ihr wisst, dass ich ein Häuschen in Coliumo habe. Vor einem Jahr habe ich da eine junge Frau kennen gelernt.....“
El Pato fängt an zu grinsen, Rubén nickt beifällig.
„Nein, das war nicht so, wie ihr jetzt denkt, das war eine andere Beziehung oder gar keine Beziehung, vielleicht wäre es eine Beziehung geworden.
Als ich in diesem Jahr zurück kam, war die Frau tot. Vergewaltigt, und wahrscheinlich ist sie ermordet worden.“
Die beiden schauen mich an, merken mir an, dass es für mich nicht nur eine Gelegenheit war, mich an eine junge Frau heranzumachen.
„ Und wer waren die Täter?“ fragt Rubén.
„Man hat sie nicht gefunden, die Polizei nimmt an, dass es mehrere waren.“
„ Und wobei sollen wir dir nun helfen? Irgendetwas kann man immer machen. Erinnerst du dich an die Geschichte mit dem Kiosk?“, sagt Rubén.

1983 arbeitete ich in einem Projekt mit, wir wollten behinderten Menschen helfen zu überleben. Einer sollte einen Kiosk erhalten und dort Zeitungen, Süßigkeiten und Zigaretten verkaufen. Ich fand auch einen Mann, der einen Kiosk billig anfertigen wollte. Der forderte dann immer mehr Geld, der Kiosk wurde nicht fertig. Ich besprach dann meine Schwierigkeiten mit Rubén und El Pato.
„Das war gar nicht so schwer“, sagt Rubén, „wir haben mit dem Mann nur einmal vernünftig geredet!“
„Ja,“ sagt el Pato„ „der Mann hat dann seinen Fehler eingesehen, als wir ihn daraufhin gewiesen haben, dass er als Familienvater besser auf seine Gesundheit achten müsste, ich glaube er hat dir sogar Geld zurück gezahlt, weil er sich verrechnet hatte. Der Kiosk war dann auch nach zwei Tagen fertig.“
„Ihr habt mir damals sehr geholfen.“
„Das war doch wohl klar, dass wir dir helfen mussten bei allem, was du für uns getan hast“, sagt Rubén.
„Dieses Mal ist es etwas schwieriger. Ich glaube, ich kenne einen der Täter, der Claudia Palma vergewaltigt hat, einen Jugendlichen, etwa 20 Jahre alt, Victor Perez, heißt er. Sein Vater, Marcelo Perez, ist einer der reichsten Leute in diesem Viertel, hat mehrere Boote und vermietet sie an Fischer. Ich weiß aber nicht, wie ich die Namen der anderen herausfinden kann.“
„ Da ist schon zu viel Zeit vergangen“, sagt El Pato, „da kann man wahrscheinlich nichts machen!“
„Das scheint mir nicht so schwierig zu sein“, sagt Rubén, wir werden den jungen Mann einfach mal fragen! Du hast doch da irgendeinen Onkel, Pato, der Fischer ist. Dem hast du doch letztes Jahr auch geholfen. Wir schauen mal, was da zu machen ist, rufen dich dann auf deinem Handy an, wenn wir mehr wissen.“
„Im Februar war ich nicht in Coliumo, ich war in Viña, ein Onkel hat da eine Eisenwarenhandlung, Fernando Gomez heißt er.
Was willst du dann mit den Männern machen, wenn du sie gefunden hast?“ fragt El Pato.
„Weiß noch nicht genau, vielleicht der Polizei übergeben oder was ganz anderes.“
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