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Alt 17.07.2011, 09:51   #4
Stimme der Zeit
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Guten Morgen, liebe larin,

eigentlich wollte ich heute morgen schon den fertigen Kommentar posten, aber durch die "veränderte Sachlage" schrieb ich ihn erst mal um. Macht nichts, bin flexibel, Butter bei die Fische, ich kommentiere auch gerne zwei Versionen.

Zitat:
Die Libellen tänzeln sirrend um den Teich,
Wege, die verschlungen ihren Weg sich bahnen,
in der Stille lässt sich manches ahnen,
und die Vielfalt lockt dich, formenreich.
Ich habe hier einen Naturgarten vor dem inneren Auge. (Ich finde solche Gärten sehr schön, nur kurz meine Anmerkung zu meinem "persönlichen Geschmack", denn englische Rasen finde ich eher fade.) Weißt du, was mir an deinem Gedicht besonders gut gefällt? Keine Vielzahl an Adjektiven, sondern eine Stimmung, die überwiegend mit Verben "eingefangen" und hier zum Ausdruck gebracht wird. Schön! Wirklich, deine Formulierungen sind wunderbar, es wird Zeit, dir einmal zu sagen, dass du dafür eine ganz besondere Begabung besitzt. Deine Beschreibungen erzeugen ein beinahe "greifbares" Bild bei mir.

Zitat:
Zwischen Gräsern, unter Büschen, lebt verborgen
Raunen, Säuseln, und es schläft der Wind.
Träumt vom Gestern und erzählt vom Morgen:
Du wirst alles wiederfinden, Kind.
Das "innere" Kind? War das LI vielleicht schon als Kind in diesem Garten und kam heute wieder? Mir gefällt der Gedanke, dass der Garten einen Menschen durch sein Leben "begleitet" - in der Erinnerung, beim heutigen Besuch und auch in der Hoffnung auf das Morgen, in dem der Garten seine traumhafte Wirkung auf das LI noch immer besitzen wird. Ich denke, dort findet das Kind sich selbst wieder, im und durch den Garten. (Da das Gedicht gewidmet ist, wird klar, dass es sich um ein Kind handelt, aber ich wollte gewissermaßen noch eine dritte "Ebene" aufzeigen.)

Zitat:
Aber vorher wirst du ziellos wandern,
jeden Winkel kennen, bis zum Horizont.
Jeder Schritt eröffnet einen andern:
Ahnst du’s, fühlst du’s, was dahinter wohnt?
Hier erlebte ich einen "Perspektivenwechsel". Der Garten "erweitert" sich - bis zum Horizont. Für mich wird er zur Metapher für das Leben (ein "innerer Garten" - die Seele?) und für die Natur, von der ein Mensch, wenn er es akzeptiert, ein Teil ist. "Jeder Schritt eröffnet einen andern", jede Antwort erweckt neue Fragen. Das Erkennen wartet, dahinter ...
Zitat:
Träume, meine Seele, träume,
bring zum Ausdruck innere Gestalt!
Blumen, Büsche, Teiche, Stege, Bäume:
Dass ich allem liebevoll den Platz einräume -
wilder Gartens ,Seelenlandschaft, Urgewalt!
Träume der Seele, die es ermöglichen, sich selbst zu finden. Die Vielfalt des Gartens, in der man allem seinen Platz geben, es annehmen und lieben sollte. Wenn es nur immer möglich wäre, das wäre wundervoll.

Was nun den letzten Vers betrifft, stimme ich bei "Urgewalt" mit wolo überein. Dieses Wort kommt, gerade, weil es das letzte im Gedicht ist, zu "gewaltig" bei mir an. Irgendwie "kippt" das eher Positive im Gedicht plötzlich fast in etwas "Bedrohliches" um ...

Da ich das Gedicht wohl ähnlich, aber doch ein wenig anders interpretiere, finde ich, dass die "Seelenlandschaft" bleiben sollte, ich halte sie hier für sehr wichtig, im Sinne des inneren Zusammenhangs als Bestandteil der Conclusio.

Zur Anregung - vielleicht bringen sie dich auf einen Gedanken - möchte ich gerne ein paar Vorschläge machen:

"wildem Garten, Seelenlandschaft, Sinngehalt."

oder so:

"bring zum Ausdruck (innersten) (inneren) Gehalt!
.
.
"wildem Garten, Seelenlandschaft, Urgestalt!"

oder auch:

"wildem Garten, Seelenlandschaft, Lichtgestalt!"

oder, wenn dich die Wiederholung nicht stört (im Sinne einer "Verstärkung" fände ich das zulässig):

"wildem Garten, Seelenlandschaft, Traumgehalt/Traumgewalt!" (Traumgewalt klingt für mich eher nach "mächtig", aber nicht so "übermächtig" wie "Ur ...".)

(?)

wolo hat mit dem Dativ übrigens recht, "wildem Garten" (dem wilden Garten), bezugnehmend auf "Dass ich allem liebevoll den Platz einräume".

Die zweite Version gefällt mir, ehrlich gesagt, nicht so gut wie die erste.

Zitat:
Träume, meine Seele, träume,
bring zum Ausdruck Kraft und Innehalt!
Blumen, Büsche, Teiche, Stege, Bäume -
dass ich allem liebevoll den Platz einräume
in des wilden Gartens Lebensvielgestalt!
Ich finde diese Strophe durchaus stimmig - wenn ich sie für sich allein stehend betrachte. Nur fehlt mir hier im Bezug auf das "Ganze" irgendwie die, wie soll ich sagen, zuvor "gefühlsintensivere Wirkung" der Conclusio. Das ist aber reine Geschmackssache, ich kann nur von mir sprechen.

Tja, da bleibt mir zum Schluss nur das Problem, wie sage ich etwas, wenn mir jemand bereits zuvor gekommen ist, ohne nur zu wiederholen? Was soll's, ich wiederhole einfach: Mir gefällt es ebenfalls sehr gut, wie du "im Garten bleibst, und trotzdem die "andere Ebene" deutlich wird bzw. die "anderen Ebenen" deutlich werden.

Noch ein Lob zur "Technik". Dein Gedicht ist ein Paradebeispiel für die Tatsache, dass ein Metrum keine gleiche Silbenzahl erfordert, um einen gelungenen Rhythmus zu besitzen. Hier variiert die Zahl zwischen 8 und 12, aber der Rhythmus stimmt einwandfrei.

Dein Reimschema:

abba
cdcd
efef
ghggh

In S1 ein umarmender Reim, ein Übergang zum Kreuzreim in S2 und S3, und in S4 die "Kombination". Passend dazu die Kadenzen.

Gerade der zusätzliche fünfte Vers sorgt für die "Wirkung" der Conclusio. Fein gemacht! Dickes Lob für das ganze Gedicht. Ich hoffe, ich kann mir mit der Zeit von deinem Können "eine Scheibe abschneiden" - bewundernd und völlig neidfrei. Es wurde Zeit, dass ich das einfach mal sage. (Und ich meine immer, was ich sage.)

Sehr gerne gelesen und kommentiert!

Liebe Grüße

Stimme
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