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Alt 22.05.2013, 13:26   #2
a.c.larin
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Nacht vor dem 4. Mai

Man sollte meinen, wenn man hundemüde ist, kann man sofort einschlafen.
Dem war aber nicht so. Nicht in dieser Nacht, in unserer ersten Nacht „über Wasser“.
Zum einen war es natürlich zu verlockend aus dem Fenster zu spähen - der Aufpreis für das Fenster in Kabinenbreite machte sich von Anfang an bezahlt. Auch wenn die Dunkelheit sich wirklich zappenduster über den Himmel spannte (ein Großstadtkind kennt so etwas fast gar nicht mehr), hin und wieder gab es ja doch Lichter zu sehen: kleine Häuser, Hafenanlagen, Laternen oder Fahrzeuge, die mit ihren Scheinwerfen den Nachthimmel vorübergehend aufhellten…
Manchmal begegnete uns auch ein anderes Schiff auf dem Strom, ein Schleppkahn, ein Lastschiff, ein Ausflugsboot - das Stampfen seines Motors kündigte es schon frühzeitig an und die Wellen, die gegen unser Boot schlugen und es ein wenig schwanken ließen, waren wie ein Gruß im Dunkeln. So schaukelten wir also durch die Nacht, dem ersten unbekannten Ufer entgegen….

Erfreulicherweise waren die Matratzen in der Kabine sehr bequem (da hatten wir schon weit
Schlimmeres erlebt in manchen Hotels oder Herbergen), trotzdem meinte der Meine, dass ihn wohl das Motorengeräusch unseres Motors vom Schlafen abhalten würde. Und das Plätschern der Wellen. Und vielleicht die Aufregung oder die Luftveränderung, oder aber….
Wir guckten also weiter - mal zum Fenster raus, mal zum Monitor rein. (das erste und das letzte Mal auf dieser Reise, das wir überhaupt daran dachten, fernzusehen).

Schließlich, nachdem wir insgesamt schon etwa 100km gefahren waren, erreichten wird die Schleuse Gabcikovo. Unser schlaues Buch -ein kleines, buntes Broschürchen, das wir bei der Einschiffung erhalten hatten (Die Donau bis zum Schwarzen Meer) - gab uns bereitwillig Auskunft:

„Für eine Strecke von 38 km verlassen Donauschiffer kurz hinter Bratislava den Hauptstrom, um sich ab Stromkilometer 1853 auf den 500m breiten und beiderseits von hohen Deichen geschützten Gacikovo - Kanal zu begeben, der ausschließlich durch slowakisches Gebiet führt.“

Wir studierten die beiliegende Karte, zählten die Länder, die wir auf unserer Schifffahrt durchqueren oder zumindest berühren würden ( es waren 9 : Österreich, Slowakei, Ungarn, Kroatien, Serbien , Rumänien , Bulgarien, Moldawien, Ukraine), versuchten anhand der Stromkilometer zu errechnen, wie schnell unser Schiff fuhr ( etwa 22 kmh) und waren so um 23 Uhr 35, als wir die Schleuse Gabcikovo erreichten, immer noch wach.

Aber was für ein Ausblick bot sich uns da! Über die Schleusenmauer hinweg konnten wir erkennen, wie weit sich das Land unterhalb unserer Fahrhöhe befand! Es war, als führen wir in der sechsten Etage durch das Land!

Wieder wusste der Reiseführer Konkretes:
„Nach 28 Kilometern staut sich das Kanalwasser am Wasserkraftwerk Gabcikovo. Hier produziert die Slowakei ein Zehntel ihres Strombedarfes. Mit einer Fallhöhe von über 20 m wurde an dieser Stelle 1992 die höchste Schleuse an der gesamten Donau errichtet.“

Wow! Und während wir noch dieses Wunderwerk menschlicher Baukunst bestaunten, begann schon unser Sinkflug, Wir sanken tiefer und tiefer und tiefer, minutenlang, eine Viertelstunde, eine halbe Stunde….
Vor dem Fenster nur noch Mauer und in meinem Kopf schließlich nur noch ein Wunsch: Schlafen!



Wird fortgesetzt!
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Cogito dichto sum - ich dichte, also bin ich!

Geändert von a.c.larin (23.05.2013 um 09:58 Uhr)
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