Thema: Ein Wintertod
Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 17.03.2016, 08:29   #10
charis
/ Bil-ly /
 
Registriert seit: 02.10.2015
Beiträge: 435
Standard

Zitat:
Zitat Eky
Bei einem Gedicht kommt es darauf an, für den Leser SOFORT verständlich und nachvollziehbar zu sein.
Haha, Eky, der war gut: Spricht der Meister der kompliziertesten Schachtelsätze, wo ich es (bitte ich spreche nur für mich leicht legasthenische Leserin) kaum einmal beim ersten Anlauf schaffe, alle Bezüge richtig herzustellen - was mir aber trotzdem, manchmal sogar gerade deshalb - gefällt.

Aber ich muss hier auch nochmals einsteigen, weil ich auch gerne verstanden werden möchte:

Zitat:
Der Winter knirscht hart unterm Schritt.
Der Alte geht. Der Tod kommt mit.
laut Duden Synonyme für mitkommen:
als Begleitung kommen, sich anschließen, begleiten, Gesellschaft leisten, mitfahren, mitgehen, sich zugesellen; (gehoben) sich beigesellen, geleiten.


Es ist also das Gleiche. Ich habe sowohl den "Tritt" als auch das "geht" aus bestimmten Gründen in diese Verse reklamiert:

Der erste Vers ist wunderbar verdichtet, aber mit dem "Tritt" käme man hier zu einer anderen Assoziation: Man assoziiert ein wütendes Aufstampfen mit, sozusagen ein letztes Aufbäumen.

Dann geht er los. Der Tod begleitet ihn. Das doppelte "geht", gefällt mir erstens klanglich und zweitens gefiele es mit besser, weil es für meine Gefühl ausdrücken würde, dass da nicht der Kumpel "Tod" auf ein Bier mitkommen würde, sondern, dass dieser Tod bereits vom Alten Besitz ergriffen hat, also ein Teil vom Alten ist.

Aber das sind natürlich nur Nuancen eigener Vorlieben, es geht natürlich auch auf deine Weise. Aber "hart unterm Schritt", da lenkt mich dann meine Fanatasie zu sehr ab

Das Bild mit dem unbewohnten Haus gefällt mir persönlich aus mehreren Gründen sehr gut:

Ich sehe den Alten zu einem Ort zurückkehren, den er vor langer Zeit verlassen hat. Vielleicht hat er dort einmal mit seiner Familie gewohnt; aber das unbewohnte Haus ist auch eine Metapher für seine innere Leere.

Man stellt sich hier automatisch ein heruntergekommenes Haus vor - also auch ein Bild, das die äußerlichen Umstände seines Lebens spiegelt.

Mir gefällt das Ganze einfach so gut, weil man aus diesem Stoff, hier auch eine sentimentale Tränendrüsendrückgeschichte machen hätte können, hier aber erstarrt man einfach: Es ist alles auf eine lapidare, unverschnörkelte Weise hart und kalt und leer und sogar die Kirchturmuhr ist zornig, und das wars. Deshalb hätte ich persönlich auch gerne noch das "trauert" weg gehabt und lieber das Sterben "dauern" lassen.

Lieben Gruß
charis

Geändert von charis (18.03.2016 um 07:32 Uhr)
charis ist offline   Mit Zitat antworten