Thema: Alte Sünden
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Alt 17.02.2009, 23:56   #23
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Standard Der Priester und der Dichter

Der Priester und der Dichter


Ein Priester weilte jüngst zu Gaste
und sah die Schrift, die ich verfaßte
er kam dadurch ins Staunen gleich,
sprach: deine Kunst ist segensreich.

Er fragte mich weshalb ich schriebe,
von Frauen, Männern, Hass und Liebe,
von Schicksal und Gerechtigkeit
und manchmal von Durchtriebenheit.

Ich schreib, was ich zu sagen habe,
und nutzen kann ich diese Gabe
als das mir eigne Podium,
die Worte sind mein Medium.

Er suchte in den Schriften weiter,
schien tief betroffen, manchmal heiter,
und bat mich, daß ich ihm erzähl’,
warum ich stets nur Reime wähl’.

Ich dichte um des Dichtens Willen,
mal laut zumeist jedoch im Stillen.
Ach ja, und was ich noch vergaß,
das Wortestellen macht mir Spaß.

Die Politik aufs Korn ich nähme,
Verachtung zeigend und mit Häme,
doch finde er bei all dem Spott,
kein einzig’ Wort vom lieben Gott.

Ich denk an all die armen Wesen,
und auch an die, die auserlesen
sich horten können jeden Schatz,
da ist für Gott nur wenig Platz.

Sein Blick, ich wollt' ihn gerne missen,
schien ein Appell an mein Gewissen,
die Sünde schwer in diesem Wort
begangen, wie ein Göttermord.

Gelobet sei der Herr, allmächtig,
dabei hob er den Kopf bedächtig
zum weiten Himmelszelt empor,
als sänge dort der Englein Chor.

Dort oben siehst du nur die Sterne,
ich hab auch dich als Priester gerne;
mein Sein bewahrt die Eleganz
mit unbeschwerter Toleranz.

Wie ich denn Gut und Böse trenne,
zu was ich mich denn nun bekenne,
denn durch den kirchlichen Boykott
erstarkt der teuflische Komplott.

Die Kirche braucht niemand zum Beten;
die Rufe derer, die hier flehten,
verhallten dort stets ungehört,
das ist, was mich daran so stört.

Den Glauben müsse man bewahren,
den Himmlischen zu offenbaren
in seiner großen Allgewalt
nur dazu wär’ er hier bestallt.

Ich glaube an das Recht zu leben,
und habe es nie aufgegeben,
zu ächten jeden Angriffskrieg;
wer Liebe sät verdient den Sieg.

Kein Gott, kein Teufel ist erschienen
um je ein Unrecht hier zu sühnen;
nie waren Gut und Böse Feind,
im Menschen sie sich stets vereint.

Er meinte, dass er nicht verstehe.
Ich sei ein Freigeist, wie er sehe,
nicht handelnd nach dem Gottgebot
ob ich nicht fürchtete den Tod.

Sollt’ ein Gericht mich dort erwarten
in jenem himmlisch schönen Garten,
so wäre mir davor nicht bang,
bei diesem, meinem Lebensgang.

Ich kenn den Weg zu meinen Füßen,
und meine Fehler muß ich büßen,
doch nie gemordet und geraubt,
erschien’ ich dort mit stolzem Haupt.

Da schien der Priester zu verstehen,
und wandte sich abrupt zum Gehen;
ich gab ihm Liebe mit und Licht
und wußte, er vergißt mich nicht.


Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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