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Alt 07.04.2009, 00:14   #2
Lord Skarak
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Standard Grüß Dich, Erich!

Hier ein etwas spät geschriebener Kommentar, ähm, sag hast Du meine private Mail bekommen? Mein Postausgang zeigt nichts verschicktes an, ist das normal?
Nun wie dem auch sei, mein Profil war wohl lange unbeaufsichtigt im Netz am rumstehen.
Aber jetzt doch mal zu diesem Text:
Es ist ein Verbrechen, dass derselbe ohne Kommentar hier unterzugehen gefahr lief. Ich kann mir das aber gut durch seinen hohen intellektuellen Anspruch erklären, es ist nicht jeder bereit, diese Bilder so lange zu imaginieren bis sie Sinn und Muster geben. Ich stelle mich in letzter Zeit mit ausgesprochener Lust einer solchen Aufgabe, auch im Nachbarsforum "dielyriker" kam mir letzthin ein sehr verschachteltes und zugleich äußerst hochwertiges Werk unter die Augen.
Metrische Unregelmäßigkeit ist hier nur durch den letzten Reim der 1. Strophe "Altar - war" gegeben, und durch S3, V5 und V6, das lässt die Verse hier betont enden. Ansonsten alles betont. Aber das sind, wie ich finde, Erdnüsse, oder andere schmackhafte Schalenfrüchte, denn es tut dem Lesefluß keinen Abbruch. Interessant ist das Reimschema, Du reimst bewusst über 4 Verse hinweg. Alles technisch einwandfrei platziert.
Die gewähnte Semantik:
Der Sturm zog gerade über ein von Menschen besiedeltes Gebiet hinweg (es wird eine evolutionäre Angst vor Sturm als Indiz von Götterzorn angeschnitten), aber woher kommt dieses Schuldgefühl der Menschen?
Des weiteren hängt der nun noch immer nicht vergangene Sturm über Wäldern, sein Donner, seine Tätigkeit, sein Wallen, was auch immer, scheint hier gewissermaßen mit dem Puls klaffender Wunden verglichen zu werden, der Wunden des Himmels. Dann wird's sehr klassisch: Auf den Sturm folgt Sonnenschein, der vergangene Sturm hat die Saat neuen Lebens beflügelt, und wie heißt es nicht irgendwo: Der Krieg ist der Vater aller Dinge. Nun ja, der Widerspruch scheint mir der Vater aller vom Menschen erkannten Phänomene zu sein, auch im Sturm ist Widerstreit. Und von der Ästhetik gefällt mir das letzte, eher schwierig interpretierbare Bild, das zwar schon oben in der mitte der zweiten Strophe beginnt (heissa! ach Du meine Güte, hat das Umfang!), aber doch in diesem mündet:

was an neu geschenktem Leben
dankend in die Blätter steigt,
wo es wirkt und wachsend schweigt,
um nur manchesmal gelassen
wie in zärtlich sanften Wellen
einen neuen Wind zu fassen.

Hier ist ein wunderbares Bild beschrieben, mit wunderbarem Interpretationspotenzial im Bezug auf allgemeine Gesetzmäßigkeiten::
Als Teil eines Ganzen hat das in den Blättern mit Wohlwollen empfangene Leben bloß den geringen aber dafür mit großer Sicherheit erfüllbaren Anspruch hier und da eine Böe zu spüren, dieser geringe Anspruch führt zu Gelassenheit. Was würde wohl passieren, wenn sich jeder innerhalb unserer Gesellschaft zur Gesellschaft wie ein Blatt zu einem Baum verhielte? Interessante Gedanken, die auch immer wieder einen Verweis auf die Zweckmäßigkeit in den Einrichtungen der Natur geben. Des weiteren sorgt wohl oft der Sturm, der Einbruch, für ein Herabsetzen der Ansprüche. Christian Morgenstern sagte etwas im Sinne von:

Für manche Menschen gibt es wohl nur eine Rettung: die Katastrophe.

Ich bin sowohl mit der Moral Deines Textes wie mit Morgenstern d'accord. Es ließe sich noch viel hierüber schreiben, aber ich will weder dem Rest der Welt alle Möglichkeiten rauben (wozu ich mich noch nicht mal fähig glaube), noch mir selbst meinen Schlaf, das heißt ich wünsche Gute Nacht, (falls Du's, wie ich glaube, erst heut Nachmittag liest, so gilt dies eben für die auf den nämlichen Nachmittag folgende Nacht )

Viele liebe Grüße,
Skarak.
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