Thema: Riese
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Alt 07.02.2017, 18:49   #5
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi Laie!

Dann ergeht es dir genau wie mir: auch ich bin kein Fachmann, weiß nicht mal die Fachtermini zuzuordnen! Ich kann - wie du - nur Silbenzählen, auf Sprachmelodie und Reimschema achten ... und ansonsten eben "nur" schreiben.

Aber gerade auf das "wie" dieses Schreibens kommt es an! WIE man seine Geschichten in Worte kleidet, um sie zu vermitteln! WIE man Sprache zu großen Gesten und Szenen fügt, und zwar so, dass sie den Leser erreichen und im Innersten berühren!

DAS ist, was all die "Fachleute" sich nie fachlich aneignen können, zumindest nicht jenseits eines gewissen Punktes, den ich gerne als Intuitionsgrenze bezeichne. Sie können noch so viel studieren und konstruieren - ihren Werken fehlt oft das "gewisse Etwas", dieser zwingende Zauber der Wortmagie, den man auch als Laie (welch Wortspiel in diesem Falle! ) haben kann, ohne wer weiß wieviel und wie lange Lyrik studiert zu haben.

Ich habe mich immer als "Bauchdichter" bezeichnet, ich schreibe intuitiv und wundere mich immer wieder über die sprachliche Klarheit und inhaltliche Reife der Ergbenisse, die nie zuvor geplant sind, sondern sich während des Dichtens selbst entwickeln und sozusagen selbst lenken, geführt von tieferen Schichten meiner selbst, zu denen ich gar keinen bewussten Zugang habe.
Auf dieser Ebene sind meine Werke grundehrlich und urauthentisch - und das scheinen viele Leser auch zu spüren. Diese sprachliche, wortweberische Qualität, die sich mitunter perfekt mit dem zu transportierenden Inhalt verbündet, finde ich auch in deinen Gedichten - zuweilen sogar inniger verwirklicht, als ich es fertigbrächte.

Das einzige, was ich aus meiner Sicht bemängeln könnte ist, dass sie meist viel zu kurz sind - man würde den Genuss vollendeter Sprachhabung gern länger genießen!
Aber das ist natürlich nicht ernst gemeint, verleiht doch gerade die Bündigkeit deiner Werke zusammen mit der linguitischen und philosophischen Qualität ihnen ihren ureigenen Zauber, den man ebenfalls nicht mehr missen möchte.

Also mach so weiter, stell dein Licht nicht unnötig unter den Scheffel! Und zu deinem anderen Argument, Meisterschaft bedinge eine gewisse Quantität: Das ist völlig falsch! Von den meisten "großen" Dichtern kennt man zumeist nur ein oder ein paar wenige Werke, für die man sich ihre Namen merkt und sie weiterträgt. Nur ein einziges Gedicht, das ihre Namen vor dem Vergessen schützt! Mehr ist nicht nötig.

Quantität bedeutet gar nichts, schon gar nicht, wenn sie unbeseelt oder ungeschliffen daherkommt - und wie gesagt: Auch von jenen Dichtern, die sehr viel Gutes schrieben, bleibt nur wenig - das aber dann umso länger. Der Rest ist Glückssache - nämlich, ob du es schaffst, dass genug Menschen deine Werke lesen, damit sie zum kulturellen Selbstläufer werden. Ich kenne viele wirklich gute Dichter auf hohem Niveau, von denen heute keiner mehr weiß - und oft ist es die Hure des zufalls, die entschied oder entscheidet, wer ein "großer Dichter" wird und wer nicht.

Aber das sollte ohnehin nur ein Argument für junge Geister sein, die ihr Ego noch mit so etwas wie Ruhm stützen wollen - ich schreibe schon lange nur noch zum eigenen Vergnügen! Natürlich nehme ich jedes Lob gerne mit, aber von der Vorstellung lyrischer Größe als erfülltes Begehren habe ich mich schon lang verabschiedet. Zu sehr habe ich einerseits gelernt, wie oberflächlich und wankelmütig die Menschen bewerten, und zu gereift und abgeklärt ist andererseits mein Bewusstsein, um solcher Vorstellungen und Illusionen noch zu bedürfen. - Zum Glück, möchte ich sagen! Arm, wer lebenslänglich ein Getriebener seiner Komplexe bleibt!

So, da habe ich jetzt etwas weit ausgeholt, nur um mich mit dir solidarisch zu erklären - ich hoffe, dich nicht damit gelangweilt zu haben!

LG, eKy
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