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Alt 10.05.2011, 21:00   #2
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Registriert seit: 07.02.2009
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Hi Stimme,

mich täuschst du nicht.

Es ist nicht ganz klassisch, aber trotzdem fast ein lupenreines Sonett.
Ncht ganz klassisch nur deshalb, weil in den Quartetten unterschiedliche Reime verwendet werden.
Das stört mich aber gar nicht, ich wollte es nur anmerken.
Was mich ein wenig stört, ist die Art und Weise der Zeilenumbrüche, auch wenn damit zuerst das Sonett versteckt wird.
Es ist dann schon eine kleine Überraschung, es zu entdecken, jedoch sieht es in dieser Form furchtbar aus. Nun ja, Geschmackssache.

Sehe ich hier die platonische Idee durch die Zeilen durchblitzen?

Strophe 1

Der Mensch sucht seine Wahrheit dadurch, daß er seine Welt (Uiversum) zu erklären versucht.
Er erfährt immer mehr Wissen durch Einblicke in den Mikro- und Makrokosmos, wobei sich aber immer auch neue Fragen eröffnen.
Bestimmte Strukturen sind klar zu erkennen, andere (noch) nicht.

Strophe 2

Der Mensch projiziert sein abstraktes Denken auf diese Welt und schafft sich damit seine eigene Vorstellung.
In seiner Fantasie findet er wahre Freiheit, er denkt sich nämlich sämtliche Möglichkeiten aus. Damit ist er einzigartig in der Natur.
Dadurch stellt sich letztendllich dir Frage nach der Unsterblichkeit der Seele.

Strophe 3

Es gibt eine Urmaterie oder ein Urteilchen, was den Stoff und somit die Grundlage für alles Seiende bilden muss. Vielleicht ist es auch "nur" eine unfassbare Formel. Auf jedem Fall steht der Mensch noch vor einem gewaltigen Rätsel.
Und was man nicht erklären kann wird mystifiziert.

Strophe 4

Allerdings entmystifizieren die Wissenschaften immer mehr Glaubensdogmen.
Sie können viel erklären, aber eben nicht alles.
Die Antwort liegt in der Natur, der alles Seiende, ob biotisch oder abiotisch, angehört und wo alles einst wieder enden wird.
So wird der Mensch auch verkraften müssen, daß sein Intellekt eines Tages aufhören wird zu existieren, um wieder zu seinem Ursprung zurück zu kehren.
Aus der Undendlichkeit des Nichts in die Unendlichkeit des Nichts und doch mit allem auf ewig verbunden.


Als Fazit möchte ich noch einmal auf meine Aussage zu Strophe 2 zurück kommen.
Wir Menschen sind die einzigen Lebewesen dieser Welt, wobei ich mal die Delphine ausnehmen möchte, die eine abstrakte Gedankenwelt besitzen und damit das Wissen um den Tod.
Der Tod bleibt ein Mysterium und damit etwas Unsicheres, also furchteinflössend, denn immerhin besteht die Möglichkeit der völligen und endgültigen Zerstörung des Intellekts und damit des Individuums.
Mit diesem Gedanken lässt sich schwer leben, deshalb projiziert er seine Gedankenbilder auf diese Welt und schafft sich somit eine eigene Vorstellung dieser.
Da wir nur selbst einen Sinn und Zweck in diese Welt denken, werden wir, trotz aller wissenschaftlichen Erkenntnisse und Weiterentwicklungen, der Natur wohl niemals den letzten Schlüssel zur "Wahrheit" entreißen können, so daß letztendlich all dieses Denken metaphysisch bleibt.
Kant nennt dies die transzendentale Logik (Theorie des Denkens), die der transzendentalen Ästhetik (Theorie der Wahrnehmungen) nachfolgt. Daraus resultieren letztendlich alle Erkenntnisse.
Schon folgt die transzendentale Analytik, die jenes Denken untersucht, in dem reine Erkenntnis des Verstandes und ihre Gesetzmäßigkeiten ohne empirische Voraussetzung geschaffen werden. Dabei behandelt sie die Bedingung der Möglichkeit von Begriffen und Urteilen a priori.
Schließlich folgt die transzendentale Dialektik, die sich mit der Kritik des "übernatürlichen Gebrauchs“ des Verstandes und der Vernunft auseinandersetzt. Dort werden die Fragen nach Gott, Freiheit und der Unsterblichkeit der Seele behandelt und sie ist somit eine Kritik der klassischen Metaphysik (u.a. die Theosophie, aus der auch der Ausdruck Sophisten, vereinfacht "Schwätzer", hervorgegangen ist).

Und da Kant ganz klar auf Platon aufbaut, ihn sogar noch klarer darlegt, ist auch mein Eingangssatz mit Nennung der platonischen Idee zu verstehen.

In diesem Sinne (transzendentale Dialektik) habe ich dein Gedicht verstanden.
Und ich finde, es ist dir gut gelungen.


Gerne gelesen, darüber nachgedacht und kommentiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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