Thema: Petry Heil!
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Alt 25.12.2015, 21:43   #10
Bodo Neumann
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Guten Abend miteinander,

danke, dass ihr den Impuls, darüber zu diskutieren, ob die Sonettform allgemein für alle möglichen Themen (und speziell das hier vorliegende Werk für das gewählte Thema) geeignet ist, aufgenommen habt.
Da ich diesen Anstoß gegeben habe, will ich versuchen, die Sache mal (wenigstens für mich) zusammenzufassen, so wie ich euch verstanden habe:

Wolo meint, das Sonett ist aufgrund seiner Struktur per se geeignet, alle möglichen Themen zu bearbeiten, vorausgesetzt, der Dichter packt es richtig an. Darüber hinaus schreibe man im Forum ohnehin eher nur für sich oder allenfalls für einen berechenbaren, begrenzten Leserkreis, was eine inhaltliche Absicht überflüssig mache.
Zitat:
Zitat von Wolo
Aber nach Strophe zweio fällt das Ding einfach zusammen für meinen Geschmack. (Wird sogar auf eine Weise theatralisch, welche schmunzeln macht und eine Frage wie die Bodos provoziert: Wer liest das? Hilft das?)
Kann schon sein, dass ich diese Theatralik oft mit dem Wesen des Sonetts verwechsle, weil sie mir häufig in Sonetten begegnet. Ist es möglich, dass Autoren von Sonetten leichter Gefahr laufen, zu (aufgesetzt) pathetisch werden, weil ihr Anspruch an Qualität ein höherer ist? Wenn das so ist, könnte ich mich Wolos Theorie in diesem Punkt anschließen.
Charis sieht die Sonettform an sich eher skeptisch für das gewählte Thema:
Zitat:
Zitat von Charis
...was schief gehen kann, wenn man derartiges in eine bestimmte prätentiöse Form bringen will, ohne entsprechend deutlich zu werden. Diese "glatten jambischen Verse" - und das sind für mein Gefühl die fünfhebigen Jamben nun einmal, mit dem "Gewicht" auf dem (strengem) Reimschema - noch dazu wie hier mit weiblichen Kadenzen - bis aus das letzte Terzett, das aber auch keinen Unterschied mehr macht - lenken für mein Gefühl zu sehr von dem ab, was dieses Gedicht tranportieren will; der Inhalt muss sich dem sozusagen "beugen" oder auch "sich verbiegen" und "stirbt dadurch in Schönheit",
Allerdings lässt Charis die Möglichkeit offen, dass man bei entsprechender handwerklicher Nacharbeit vielleicht doch diese Form nutzen könnte.
Zitat:
Zumindest müsste die Conclusio hier schon richtig "reinhauen", ...
Ob das funktioniert, müsste man an einem entsprechend gelungenen Beispiel sehen, was man im Rahmen dieser Diskussion natürlich von niemandem erwarten kann. Das ist mir schon klar.
Erich erklärt, dass er ausschließlich für sich schreibe, was mit Wolos Annahme absolut konform geht.
Ich hatte vor, diese Möglichkeit in meinem ersten Post als vierte Variante zur Diskussion zu stellen. Aber sie erschien mir irgendwie zu narzisstisch, als dass ich sie Erich oder anderen unterstellen wollte.
Mir ist schon klar, dass uns allen ein bisschen Beweihräucherung gut tut - das Forum hat ja schon einen großen sozialen Aspekt. Aber das Tun ausschließlich darauf zu begrenzen, würde ich nicht. Dieser Gedanke erscheint mir dann doch zu eitel und vor allem irgendwie unnütz. Nicht falsch verstehen: ich glaube nicht, dass meine Gedichte irgendwie die Welt verändern könnten, aber ich habe schon den Anspruch, es zu versuchen. Ich glaube, dass ich deshalb auch eher im Humorbereich unterwegs bin, weil mir für die Umsetzung schwererer Themen die passenden Mittel fehlen.
Zitat:
Zitat von Erich
Ob dies nun also für jemand anderen die richtige Form für den Inhalt sein mag oder nicht, geht so ziemlich an mir vorbei!
Und dass es mir gleich ist, wie meine Verse auf andere wirken, sowas konnte ich mir bisher nicht vorstellen. Natürlich kann man nie alle erreichen. Mit manchen Stilmitteln nur noch wenige. Aber die sind es doch wert, oder?
Syranie ist der Meinung, wenn ich sie richtig verstehe, dass die Form absolut unterrangig sei, wenn nur der Inhalt "der Richtige" ist. Jedenfalls "stört das Sonett nicht".
Hieße das aber (zu Ende gedacht) nicht, dass es ausreiche, seine Gedanken zu einem Thema einfach nur "runterzuschreiben", ohne Verdichtung, ohne Stilmittel? Warum dann Lyrik? Nein, das erscheint mir zu einfach. Diesen Weg kann man häufig bei Anfängern beobachten. Sie beschäftigt ein Thema und dann pressen sie es in ein paar halbherzig zusammenflickte Verse, um dann mit Gleichgesinnten in einen Austausch darüber zu geraten, den sie in irgendeinem Plauderfaden, z. B. im Eiland-Treff, viel einfacher hätten haben können.
Dana meint, das Gedicht sei schon allein deshalb Kunst, weil es ein Sonett ist, und damit "ohne Gebrauch von Schimpf und Schande und unkontrollierter Wut" mahne und zum Nachdenken anrege.
Das finde ich sehr interessant, denn es führt mich zu meiner Eingangsfrage zurück: Wen möchte der Autor denn mahnen bzw. zum Nachdenken anregen? (Ja, ich weiß, Erich schreibt für sich. Angenommen Dana wäre die Autorin) Und erreicht er/sie diejenigen auf diesem Weg wirklich? Musstest z. B. du, Dana, mit Hilfe dieser Verse daran erinnert werden, den braunen Rattenfängern nicht gedankenlos hinterherzulaufen? Wer dann?


Unabhängig von dieser Diskussion stelle ich mir noch die Frage, warum du, Erich, die Zeitformen so verwendet hast, wie du es getan hast. Mir ist nicht ganz klar, wieso du bis hinein ins letzte Terzett im Präteritum reitest, als wäre die Situation vorbei und erledigt. Ist sie doch gar nicht. Und dann springst du plötzlich doch noch ins Präsens, weil du offensichtlich schlecht aus der Vergangenheitsform in die Zukunftsprophezeihung wechseln konntest. Und ja, das Entstehen dieser Prophezeihung ist aus dem Gedicht heraus nicht erkennbar. Ich glaube, dass daher die Kritik an der "schwachen Konklusio" herrührt.
Insgesamt danke ich euch allen für eure Beiträge zu meinen Fragen.

lg Bodo
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