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Alt 14.06.2015, 22:04   #3
Stachel
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Hallo Walther,

du hast eine innige Liebeserklärung gedichtet, die insgesamt sehr schön zu lesen ist.

Form:
Dein Gedicht teilt sich in drei Strophen, davon zwei mit vier Versen und eine mit zwei Versen.
Alle Verse starten betont (aka Trochäus) und enden unbetont. Du ermöglichst damit einen durchgehenden Lesefluss. Jeder Vers enthält eine runde Zahl von vier Hebungen, was einen hohen Grad an Ebenmäßigkeit erzeugt. Du verwendest durchgehend den Paarreim.

Inhalt:
Das lyrische Ich (LI) beschreibt offenbar seine Liebe zu einer anderen Person (aP, verfügt über Hände, Haare und Augen, V1/3/5).
S1 ist in der Vergangenheit angesiedelt und erscheint damit eher als eine kurze Episode, bei der sich beide die Hände reichen und das LI in den Haaren der aP "versinkt". Möglicherweise war das der Liebe "Startschuss".
S2 steht in der Gegenwart und enthällt neben einer kurzen Beschreibung der aP ("Augen wie Meere", V5), eine generelle Aussage zum Gefühl der Geborgenheit, die das LI gegenüber der aP empfindet (V7: "in der Wärme baden", V8: "Angst [...] (ab-)laden").
S3 bleibt nach einem kurzen "Quasi"-Ausflug in die Zukunft (V9:"will [...]schenken") schließlich in der Gegenwart.

Die generelle Gegensätzlichkeit in V2 finde ich gelungen.
Das Bild des Wassers zieht sich durch die ersten beiden Strophen (V3: "versank", V5: "Meere", V7: "baden"). Es korrespondiert sehr schön mit dem formal erzeugten Fluss (siehe oben), enthält aber einen
ungelösten Gegensatz durch die Verbindung von "Wärme" und "baden" in V7, der nicht zum Meer passen will. Dadurch wirkt der Inhalt von V5 verwaist.
Ebenfalls in meinen Augen unpassend ist die Verbindung von "Leere" in V6 mit der "Angst" in V8. Beide Gefühle schließen sich für meine Begriffe gegenseitig aus.

Die unterschiedlichen Zeitformen (S1/2) empfinde ich nicht als inhaltlich gelungen. Die Stophen verlieren dadurch etwas die Verbindung untereinander (Episode vs. generelle Aussage). Ohne Vergangenheit würden die Reime in S1 natürlich nicht funktionieren.

Die verkürzte Form von S3 deutet auf eine Conclusio hin. Das LI fasst zusammen, dass es die erfahrene Güte/Geborgenheit zurück geben möchte.
Der etwas holprigere, härtere und zu den ersten Strophen somit leicht differente Stil, den ich allerdings nicht genau festmachen kann, hat mich leicht irritiert und mich an Ironie denken lassen.
Ich nehme allerdings an, dass keine bewusste Ironie eingebaut wurde.

Zu S3 sind mir ein paar Alternativen eingefallen, die aber jeweils ohne "Ich" auskommen müssen (und vielleicht auch gegen Ende etwas kitschig sind ):

Will dir alles wiederschenken,
- kann an anderes nicht denken.
- nicht an anderes mehr denken.

Möchte dich zurück beglücken,
daran denk ich mit Entzücken.

Es hat Spaß gemacht, sich mit dem schönen Gedicht zu beschäftigen.

Freundliche Grüße vom
Stachel
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