Thema: Hybris
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Alt 20.08.2014, 13:46   #18
AAAAAZ
Wortgespielin
 
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Hallo Erich,

Welch Inseldenken der Glückseligen.
So wie du hinter korrekter Sprache stehst und dem sauberen Umgang mit Form und Metrik fröhnst, so sind auch deine Gedichte, wenigstens die, die ich bisher gelesen hatte: perfekt und tadellos in Form und Inhalt. eins, setzen.
Zum Glück fanden die einst so sorgsamen ziselierten Striche im begabten Albrecht Dürer ihren Meister. Zum Glück gab es eine Weiterentwicklung mit den Tüpfeltechniken eines Vincent v.Goghs, in der Formensprache der Expressionisten bishin zu den modernen Meistern.
Aus Sicht eines Perfektionisten des Mittelalters mag eine solche Entwicklung eine Zumutung bedeuten und einem Frevel an der hohen Kunst gleichkommen. Die götzenhafte Anbetung des Chaos. Ein solcher Perfektionist hätte sicher auch darüber nachgedacht, in welchem Umfeld sich (s)eine Meisterlichkeit noch erhalten ließe. In solch einem Forum bliebe er zumindest immer unangefochten Meister, Form- und Tonangebend, und Maßstab aller Dinge.
Wenn ich auf lyrische Veranstaltungen gehe, ist für mich übrigens nichts langweiliger, als in einem gleichförmigen Rythmus und Wortgeschwurbel in die Müdigkeit geritten zu werden. Wie erfrischend und befreiend ist da der Wechsel in die auflockernde Verdichtung eines vers libre, die nicht metrisch organisiert wurde. Wohl bemerkt, ich liebe beide Formen, auch das Spiel mit den Formen, oder ein Cross-over von Klassik und Moderne. Die Pyramiden müssen nicht mehr gebaut werden.
Wie wohltuend ist das kurzweilige Kurzgedicht z.B. ein Haiku, welches sich nicht mit seiner aufgeplusterten Wortwahl wohlfeil den absolut perfekt glattgezogenen Scheitel bestaunen und beklatschen lässt, welches bescheiden und unaufgeregt einfach nur Bilder in mir anstößt.
Muss ich erschlagen vor einem aufdringlichen Meisterwerk stehen und ,,boah" ausrufen ,,das ist ja Wahnsinn", ,, wie hat der das hingekriegt", oder soll es mich schlichtweg berühren, oder mir vielleicht noch unbekannte Sichtweisen eröffnen. Soll es radikal sein, und mit Konventionen brechen, soll es eingefahrenes Denken infrage stellen dürfen. Die Vorstellungen und die Bedürfnisse des Betrachters gehen da sicher weit auseinander.
Die unkonventionellen Dada- Gedichte oder die emotionalen Metaebenen von gutgemachten Rap- Gedichten mit ihren komplizierten Beats haben ebenfalls ihre unnachahmlichen Meister gefunden, und schaffen es, etwas in mir anzustoßen.
Ein wenig Horizont- Erweiterung würde deinen perfekten Gedichten m.Ea sicher nicht schaden. Aber das ist nur eine Außensicht.
Von daher kannst du jeden Stümper genauso als Chance betrachten, der seine Welt noch nicht so ganz verdaut hat und seine Formen und Antworten erst noch finden muss. Aber auch, wenn du bei dem bleibst, was du machst, ist es gut. Es ist dann eben ein perfekter Kykal, und die Überraschung hält sich in Grenzen.
AZ
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