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Alt 15.09.2025, 09:12   #1
Taxi5013
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Standard Der alte Geigenbauer aus Tirol

Der alte Geigenbauer aus Tirol

Menschen, die mit ihrer Heimat verwurzelt sind, haben auch ein besonderes Heimatgefühl entwickelt.
Der alte Justus Elbinger hatte bereits sechsundsiebzig Jahre auf dem Buckel, trotzdem schafft er es noch, einmal in der Woche bis zur Baumgrenze empor zu Steigen.
Hier findet er noch so manches gute, alte Wurzelholz für seine Instrumente.
Seine Geigen waren berühmt und es kamen immer wieder, zahlungskräftige Virtuosen aus aller Welt, nur um eine der schönsten Geigen zu bestellen.
Die Fertigstellung konnte schon einmal mehr als acht Monate dauern.

Das Besondere an seinen Geigen, so betont es Justus immer wieder, ist die Liebe zum Holz, sein Holz lebt, es Atmet und es spricht zu ihm.

Pastor Hubertus Ingelmann, trägt den Herrgott auf der Zunge, Justus trägt ihn im Herzen.

Das macht einen gewaltigen Unterschied, so Justus.

Wieder einmal ist er auf den Weg zum Holz, die Sonne meint es gut, obwohl er bereits sehr früh den Weg antrat, merkt er, heute wird es besonders heiß.
Endlich ist er angelangt, hier liegt ein umgestürzter Baum, der Stamm bietet einen guten Rastplatz.
Justus öffnet seinen Rucksack und nimmt ein Stück harte Wurst und ein Stück Speck, dazu nimmt er noch ein Stück Brot, sowie eine Flasche mit???
Ja, das lass ich mir gefallen, sein Blick schweift weit ins Land der Berge.
Er hat plötzlich Tränen in den Augen, seine Bergwelt, seine Heimat, sein ganzer Stolz.
Hier, wo er so manches gute Wurzelholz gefunden hat, schlägt sein Herz plötzlich schneller, tief atmet er diese würzige Bergluft ein.

Nachdem er es sich hat gut gehen lassen, beginnt er, einen schmalen Pfad zu begehen, dabei achtet er auf alles was alt und knorrig ist.

Die alte Eibe hatte er schon lange im Blick, den letzten Sturm aber hatte sie nicht mehr standhalten können, sie liegt jetzt, etwas schräg unter ihm.
Aber das Besondere war, der Wurzelstock.
Starke Wurzeln, die sicherlich ein gutes Klangholz hergaben.
Da eine Geige nicht aus einem Holzstück gearbeitet wird, sondern aus mehreren Teilen besteht, gab diese Wurzel schon einiges her.
Die mitgebrachte kleine Axt, sowie der Spaten, erleichterten seine Arbeit.
Nach einer guten Stunde war die Arbeit getan.
Justus verstaute alles in den Rucksack, nahm noch einen kräftigen Schluck und begann mit dem Abstieg.

Ja doch, er merkt schon, dass er nicht mehr der Jüngste war, aber solange es noch geht…

Endlich wieder daheim.
Das mitgebrachte Holz musste noch ein paar Wochen trocknen.
Nachdem er es ausgebreitet und mit Steinen beschwert hat, begann er, sich einen guten Kaffee zu kochen, na, den hatte er sich wohlverdient.

Da er noch Holz hatte, welches er noch bearbeiten musste, kam bei ihm keine Langeweile auf.

In seiner Werkstatt lagerten bereits ein paar seiner kostbarsten Stücke.
Ab und zu, nahm er eines von ihnen in die Hand, strich mit den Händen über das Holz und lauschte dem vermeintlichem Klang nach.
Durch aufwändige Schnitzarbeiten, wurden manche Instrumente bedeutend teurer.

Wenn ein Kunde sein Geschäft betrat, empfing ihm ein Duft von Holz, Terpentin und Lacken, die dem Holz seine Eigenart hervorheben ließ.
Es war ein angenehmer Duft.

Justus liebte seine Kinder, wie er die Geigen nannte.

In den Wintermonaten war er ständig in seiner Werkstatt, in dieser Jahreszeit arbeitete er besonders gern.
Wenn dann das Holzfeuer im Kamin knisterte, ein Duft von Bratapfel durchs Haus zog und gebacken wurde, ward es ihm ganz heimisch.
Er dachte manchmal an seine Kindheit, an die Jugendzeit, ja, er hatte auch einmal eine Familie gehabt, aber alles ist vorbei, einfach vorbei.

Die Kunst aber, aus einem Stück Holz eine Kostbarkeit zu Erschaffen, war ihm einfach so “in den Schoss geflogen”.
Holz und ein Schnitzmesser, dazu seine außerordentliche Begabung,
waren seine kostbarsten Dinge, aber mehr brauchte er auch nicht.
Der alte Justus lebt nun nicht mehr, aber seine Instrumente spielen sich in aller Welt, in die Herzen der Menschen.
Die schönsten Melodien verkümmern zu einem -Nichts-, wenn es dazu nicht die meisterlichen Instrumente gab, die den Melodien eine Brücke, in die Herzen der Menschen bauen konnten.



















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