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#1 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Vorwort
In Mosebachers Tierleben wird erläutert, dass der Dingo ein verwilderter Haushund ist, der im Vergleich zu anderen Hunderassen sehr intelligent ist, und dass derart erhöhte Intelligenz auch bei anderen verwilderten Tierarten auftritt. Was zu der Vermutung führt, das dieses durch den ehemaligen Kontakt mit dem Mensch verursacht ist. Im Umkehrschluss folgert Mosebachers Tierleben daraus, dass Tiere ohne diesen engen Kontakt zum Mensch nur eine "reduzierte Existenz" haben. Die Hundepredigt des Dingos Zur Zeit der Götter, die es nicht mehr gibt, denn heute darf es nur noch Menschen geben, da wurde ich von Göttern sehr geliebt, und durfte auch im Garten Eden leben. Doch mit dem Sündenfall ward ich vertrieben, ich lebe seither hungrig in der Wildnis. Jedoch der Hauch der Götter ist geblieben, und meine Klugheit ist nach ihrem Bildnis. Sie hebt mich aus der Hundeschar hervor, die zahm um Herrchens Fressnapf streicht. Auch wenn ich jenes Paradies verlor, bin ich ein Hund, der hohen Göttern gleicht. Sechstausend Jahre ist das schon Geschichte, mag sein, dass keinen Hund das int'ressiert. Ich sage euch jedoch, in diesem Lichte ist eure Existenz sehr reduziert! Geändert von Thomas (24.04.2012 um 20:42 Uhr) |
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#2 |
Lyrische Emotion
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Moin Thomas,
ich habe jetzt mal versucht, etwas über "Mosebachers Tierleben" heraus zu bekommen, aber es ist mir nicht gelungen, leider Fehlanzeige. Und deshalb glaube ich, daß du ein kleiner Schelm bist, der seine Leser an der Nase herumführen möchte, denn ich könnte mir vorstellen, daß dieser Text eine Parodie auf einen anderen Herrn ist, der jüngst aufgrund seiner persönlichen Weltanschauung auch einen immer größer werdenden Teil seiner Artgenossen, die jene nicht teilen, in ihrer existenziellen Art auf ein niederes Niveau zu reduzieren versuchte. Natürlich wurde auch der Dingo in der biblischen Geschichte aus dem Paradies verwiesen, so wie alle irdischen Lebewesen eben. Von nun an musste jedes von ihnen sehen, wie es zurecht kam. Der Dingo nahm es in Kauf, hungrig aber frei zu bleiben, denn seine Schlauheit war ihm geblieben, so daß er die Freiheit vorzog. Mit jener Freiheit sticht er aus der Schar jener hervor, die sich als Haus- und Hofhunde bei den Menschen verdingten und sich somit in seine Abhängigkeit begaben.. Seine Klugheit nach Vorbild der Götter, seine freie Unabhängigkeit im Gegensatz zu seinen Artgenossen, all das macht ihn den Göttern ähnlich. Er, der Freigeist hat eine lange Zeit überstanden, auch wenn sich niemand mehr daran erinnern kann oder will, und von dieser Warte aus, schaut er auf ein niederes Niveau bei seinen Artgenossen herab. Tja, wenn so ein Dingo wirklich reden könnte, dann könnte er Herrn Mosebachers Umkehrschluss gründlich und schnell widerlegen. Vielleicht liege ich aber auch mit meiner Interpretation ein paar Lichtjahre daneben... ![]() Was sagt denn eigentlich Brehms Thierleben zum Dingo? ![]() Auch dieses Gedicht ist nicht eigentlich witzig. Der hintergründige Humor erschließt sich nicht auf den ersten Blick, aber ein unwillkürliches Schmunzeln bleibt bei näherer Betrachtung nicht aus und wird dann immer breiter. Aber, ohne Kritik läuft nix, ich habe noch eine Anmerkung zu den letzten beiden Zeilen: Ich sage euch jedoch, in diesem Lichte in eurer Existenz sehr reduziert! Müsste es nicht heißen: Ich sage euch jedoch, in diesem Lichte ist eure Existenz sehr reduziert! Oder aber (unwahrscheinlicher): Ich sehe euch jedoch in diesem Lichte in eurer Existenz sehr reduziert! Gerne gelesen, gegrübelt, geschmunzelt und "gommentiert"... ![]() Liebe Grüße Bis bald Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine) Für alle meine Texte gilt: © Falderwald --> --> --> --> --> Wichtig: Tipps zur Software |
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#3 |
ADäquat
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![]() Hallo Thomas,
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#4 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Hi Falderwald,
dein Kommentar macht mir eine diebische Freude. Was der der Dingo mit dem Umkehrschluss macht, das trifft in der Tat genau aufs Pünktchen. Ich verkneife mir, eine entrüstete Erwiderung vom einem 'ein paar Lichtjahre' entfernten Standpunkt zu geben, weil mir diesen Spaß ohnehin keiner abmehmen würde. Vielen Dank auch für die Korrektur. Hallo Chavali, auch dir Danke für die positive Rückmeldung. Ich habe das kleine Machwerk in diese Rubrik gestellt, weil ich denke, dass der Dingo Mosebachers Tierleben nicht ganz ernst nehmen kann. Liebe Grüße an euch beide Thomas Geändert von Thomas (24.04.2012 um 20:48 Uhr) |
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#5 |
Lyrische Emotion
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*Kicher* mein lieber Thomas,
ich darf hier vielleicht noch einmal den seligen Schopenhauer zitieren, der sein Hauptwerk anfängt mit den Worten: "Die Welt ist meine Vorstellung." Es kommt also immer auf den Standpunkt des Betrachters an. Wenn dir meine Antwort also eine diebische Freude bereitet hat, dann könnte das durchaus die folgende Bewandtnis haben: Ein bischen Dingo steckt wohl in jedem von uns und auch ein wenig vom ungläubigen Thomas. ![]() Ich jedenfalls finde mich in beiden wieder... ![]() Liebe Grüße Bis bald Falderwald
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#6 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Hi Falderwald,
ich antworte mal wieder mit einem Zitat von Schiller aus "Etwas über die erste Menschengesellschaft nach dem Leitfaden der Mosaischen Urkunde". Erschrick nicht, damit ist die Bibel gemeint. "An dem Leitbande des Instinkts, woran sie noch jetzt das vernunftlose Tier leitet, musste die Vorsehung den Menschen in das Leben einführen und, da seine Vernunft noch unentwickelt war, gleich einer wachsamen Amme hinter ihm stehen. Durch Hunger und Durst zeigte sich ihm das Bedürfnis der Nahrung an, was er zu Befriedigung desselben brauchte, hatte sie in reichlichem Vorrat um ihn herum gelegt, und durch Geruch und Geschmack leitete sie ihn im Wählen… Setzen wir also, die Vorsehung wäre auf dieser Stufe mit ihm stillgestanden, so wäre aus dem Menschen das glücklichste und geistreichste Tier geworden… In einer wollüstigen Ruhe hätte er eine ewige Kindheit verlebt - und der Kreis, in welchem er sich bewegt hätte, wäre der kleinstmöglichste gewesen, von der Begierde zum Genuss, vom Genuss zur Ruhe und von der Ruhe wieder zur Begierde. Aber der Mensch war zu ganz etwas Anderem bestimmt,… Er selbst sollte der Schöpfer seiner Glückseligkeit werden, und nur der Anteil, den er daran hätte, sollte den Grad dieser Glückseligkeit bestimmen. Er sollte den Stand der Unschuld, den er jetzt verlor, wieder aufsuchen lernen durch seine Vernunft und als ein freier vernünftiger Geist dahin zurückkommen, wovon er als Pflanze und als eine Kreatur des Instinkts ausgegangen war; aus einem Paradies der Unwissenheit und Knechtschaft sollte er sich, wär es auch nach späten Jahrtausenden, zu einem Paradies der Erkenntnis und der Freiheit hinaufarbeiten, einem solchen nämlich, wo er dem moralischen Gesetz in seiner Brust ebenso unwandelbar gehorchen würde, als er anfangs dem Instinkt gedient hatte, als die Pflanzen und Tiere diesem noch heute dienen... Wenn wir also jene Stimme Gottes in Eden, die ihm den Baum der Erkenntnis verbot, in eine Stimme seines Instinktes verwandeln, der ihn von diesem Baum zurückzog, so ist sein vermeintlicher Ungehorsam gegen jenes göttliche Gebot nichts anders als - ein Abfall von seinem Instinkte - also erste Äußerung seiner Selbsttätigkeit, erstes Wagestück seiner Vernunft, erster Anfang seines moralischen Daseins. Dieser Abfall des Menschen vom Instinkte, der das moralische Übel zwar in die Schöpfung brachte, aber nur um das moralische Gute darin möglich zu machen, ist ohne Widerspruch die glücklichste und größte Begebenheit in der Menschengeschichte, von diesem Augenblick her schreibt sich seine Freiheit,... Jetzt war er für das Paradies schon zu edel, und er kannte sich selbst nicht, wenn er im Drang der Not und unter der Last der Sorgen sich in dasselbe zurückwünschte. Ein innerer ungeduldiger Trieb, der erwachte Trieb seiner Selbsttätigkeit, hätte ihn bald in seiner müßigen Glückseligkeit verfolgt und ihm die Freuden verekelt, die er sich nicht selbst geschaffen hatte. Er würde das Paradies in eine Wildnis verwandelt und dann die Wildnis zum Paradies gemacht haben..." Na, was sagt der Dingo dazu? Liebe Grüße Thomas P.S. Übrigens halte ich den gesamten Text von Schiller für sehr lesenswert. |
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#7 |
TENEBRAE
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Hi, Thomas!
Mosebach als Dingo! Köstlich! Kann mich nur dem Lob meiner Vorkommentatoren anschließen: Eine wunderbare Ohrfeige für die ach so aufgeräumte Weltsicht dieses Herrn! Bewundernswert ätzender Sarkasmus! SEHR gerne gelesen - und hoffe zutiefst, Mister Oberdingo höchstselbst wird es irgendwann lesen! Nicht, dass ich glaube, das würde ihm helfen, einfach nur in der Hoffnung, er möge sich furchtbar drüber ärgern, dass man ihm so gekonnt den Spiegel vorhält! LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
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#8 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Hi Erich,
Vielen Dank für das dicke Lob. Dabei hat mich einfach nur die Überheblichkeit gewurmt, auch weil sie das Bemühen um tiefere Fragen von vielen Ernsthafte Geistern in den Dreck zieht. Liebe Grüße Thomas |
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#9 | |||||||
Lyrische Emotion
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Moin Thomas,
tja, was sagt der Dingo dazu? Der Dingo von heute kennt ja im Gegensatz zu Schiller die Schriften von Schopenhauer und Darwin, so daß er durchaus etwas distanzierter an die "Sache" rangehen kann. Zitat:
Der Dingo nimmt die Vorlage aber an und entpersonifiziert die Vorsehung zum (Über)Lebenswillen in der Spezies. Natürlich bedarf es der Instinkte, auch heute noch, denn sie sind angeborene biologisch zweckmäßige Verhaltensmuster, durch die für das Überleben notwendige grundlegende Handlungsabläufe gesteuert werden. Ohne Instinkte wären Mensch und Tier damit überfordert. Der "Frühmensch" war noch nicht sonderlich vernunftbegabt, aber er musste einen überaus scharfen Verstand besessen haben, der es ihm ermöglichte, erste Abstraktionen zu entwickeln und hob sich somit von der restlichen Tierwelt ab. Trotzdem war er weiterhin angewiesen auf Energie, die er in Form von Nahrung zu sich nahm. Der Geschmacks- und Geruchssinn half ihm durch Erfahrung, für ihn giftige oder ungenießbare Dinge von den brauchbaren zu unterscheiden. Zitat:
Aber gut... ![]() Zitat:
Zitat:
Die "Unschuld", die der Mensch verlor, ist allerdings eine zwingende Notwendigkeit der Moral. Ohne Moral gibt es nämlich keine Schuld, das ist eine rein menschliche Eigenschaft. Ein Tier, welches lediglich instinktgesteuert handelt, weiß nichts von einer Schuld bei seinen Handllungen. Der Mensch setzt sich also vom Tier ab. Zitat:
Es war für das Überleben zwingend notwendig zusammen zu halten und dafür bedurfte es bestimmter Regeln, sonst hätte dies nicht erfolgreich funktionieren können. Mit diesen Regeln zu leben war gut (zum Überleben), dagegen zu verstoßen war schlecht. Schon war ein Konstrukt in der Welt, was es vorher nicht gab. Die Freiheit bestand darin, sich daran zu halten oder auch nicht, der Mensch konnte es entscheiden (was er je nach Motiv und Charakter auch tat und immer noch tut). Zitat:
Die Natur würde wieder bewusstlos, denn kein Bewusstsein wäre mehr vorhanden, sie zu erkennen. Die Welt wäre nicht mehr vorhanden, wenn niemand mehr da wäre, der sie als solche wahrnehmen könnte. Deswegen bleibt der Dingo lieber in der Wildnis und führt seinen Kampf ums Überleben, ohne auch nur einen Gedanken an das verlorene Paradies zu verschwenden. Die Freiheit seines Geistes ist ihm wichtiger, als die Behaglichkeit einer abstrakten Scheinwelt abseits dieser Welt, die nur im Menschen existiert, um sein metaphysisches Bedürfnis zu befriedigen. Das Schlusswort aber soll Schopenhauer gehören: Zitat:
Liebe Grüße ![]() Bis bald Falderwald
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#10 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Lieber Falderwald,
ich freue mich, dass du dich so eingehend mit dem Zitat beschäftigt hast, und im Wesentlichen finde ich deine Bemerkungen richtig. Mit dem Schopenhauer werde ich wahrscheinlich nicht mehr warm werden. Das liegt daran, dass ich im zarten Alter von 16 Jahren - als ich gerade von Schillers Frauengestalten fasziniert war, und gar nicht fassen konnte, wie sich Goethe so in die Gefühle von Frauen einleben konnte (als Mann) - irgendetwas von Schopenhauer über Frauen gelesen habe, dass mich sehr abgestoßen hat. Das ist ziemlich irreparabel, obwohl er ja zweifelsohne ein großer Denker war, was du wohl an ihm schätzt. Liebe Grüße Thomas |
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