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Alt 17.12.2015, 20:54   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard Die Gnade der Nacht

Allmählich geht das Tageslicht zur Neige,
vermacht sein Abendblut der Nacht, die zage
heranwuchs unter Schattenwurf und vage
verharrt, bis jener Wendepunkt sich zeige,

die Farben und die Wärme zu beerben,
verblassend mit dem Tag, der sie erglühen
und leben ließ mit allem Sichbemühen
um Glanz und Lorbeer, die nun mit ihm sterben.

Bescheiden tritt sie still an seine Seite
und stützt ihn noch den letzten Schritt ins Dunkel,
in dessen Firmament und ferner Weite

er sich verlieren darf mit allen Sorgen,
um in der Sterne tröstlichem Gefunkel
sich auszuruhen bis zum neuen Morgen.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (25.02.2019 um 21:44 Uhr)
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Alt 18.12.2015, 05:48   #2
Lailany
Kiwifrüchtchen
 
Benutzerbild von Lailany
 
Registriert seit: 23.05.2009
Ort: nördlich von Auckland/Neuseeland
Beiträge: 945
Standard

Ach Eky,
was für ein Juwel hast du uns denn da wieder präsentiert!
Ich weiß gar nicht, wovon mir die Augen nass sind. War es das strahlende Gefunkel dieses edlen Stückes, das dem Funkeln der Sterne Konkurrenz macht, oder die zarte Melancholie, die sich ins Gefühlszentrum vortastet und davon Besitz ergreift. Habs jetzt einige Male gelesen, noch ein mal mehr und es setzt mein Wasserwerk in Gang.
Also kommentiere ich lieber und sag dir, wie ergreifend schön das ist.

Hier: und stützt ihn noch den letzten Schritt ins Dunkel
Sollte nach "noch" nicht ein Komma hin?
Oder aber: beim letzten Schritt?

S2 ist einfach zum Hinschmelzen:
die Farben und die Wärme zu beerben

Nach all deinen vielen großen Würfen - mit diesem bist du in eine Liga aufgestiegen, in der nur du spielst.

Ich bedanke mich für den Lesegenuss.

LG von Lai
__________________
.................................................. ...........................................
"Manchmal ist es so demütigend, ein Mensch sein zu müssen..." Erich Kykal

Geändert von Lailany (18.12.2015 um 08:29 Uhr)
Lailany ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.12.2015, 07:58   #3
charis
/ Bil-ly /
 
Registriert seit: 02.10.2015
Beiträge: 435
Standard

Zitat:
Zitat von Erich Kykal Beitrag anzeigen
Wie jeden Abend geht das Licht zur Neige,
vermacht sein Abendblut der Nacht, die zage
heranwuchs unter Schattenwurf und vage
verharrte, bis der Wendepunkt sich zeige,

die Farben und die Wärme zu beerben,
verblassend mit dem Tag, der sie erglühen
und leben ließ mit allem Sichbemühen
um Glanz und Lorbeer, die nun mit ihm sterben.

Bescheiden tritt sie still an seine Seite
und stützt ihn noch den letzten Schritt ins Dunkel,
in dessen Firmament und ferner Weite

er sich verlieren darf mit allen Sorgen,
um in der Sterne tröstlichem Gefunkel
sich auszuruhen bis zum nächsten Morgen.
Ach, lieber Eky, wie ich diese romantische Dichtung liebe, wenn die Natur menschliche Züge erhält und das LI mit soviel Gefühl spiegelt. Wie Lai schon sagte, es geht Mitten ins Gefühlszentrum. Schöne Bilder, großes Kino!

Das "Abendblut" hats mir besonders angetan. Was für eine wunderbare Idee, es trifft für mein Gefühl harrgenau diese Stimmung, die mir diese vorweihnachtliche Abendfarbenpracht vermittelt (ich wollte das immer schon einmal bedichten, du bist mir zuvor gekommen! )

In V1 könnte man vielleicht das doppelte "Abend", das für mein Gefühl dem "Abendblut" ein wenig die Spannung nimmt, was ich schade finde, so lösen:
Allmählich geht das Tageslicht zur Neige

In S2V1 könnten viell Wärme und Farben den Platz tauschen..weil sich das folgende "verblassend..." wohl auf die Farben bezieht. Ich frage mich gerade, ob es nicht besser wäre, die "Wärme" hier überhaupt wegzulassen. Ich denke komischer Weise an einen Wintertag.
Viell:
die Farben um die Klarheit (Wärme) zu beerben
oder so etwas in der Art.

Begeistert gelesen und darüber nachgedacht!

Lieben Gruß
charis
charis ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.12.2015, 10:19   #4
Agneta
Gast
 
Beiträge: n/a
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ja, fürwahr, ein sehr poetisches, schönes und bildhaftes Sonett, lieber Erich.
Der Tag, fast vermenschlicht, als Symbol für den Rhythmus des Lebens.
LG von Agneta
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Alt 18.12.2015, 11:17   #5
juli
Gast
 
Beiträge: n/a
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Lieber eKy
Die Nacht umhüllt uns, und die Sterne lassen alles Untriebige vergessen. Ich kann mich da nur meinen Vorrednerinnen anschließen. Es ist ein Gedicht zum mehrfachenm Lesen, zum Nachdenken und weil es so schön ist. Wie aus einem Guss!

Sehr gerne gelesen und ich werde hierher zurückkehren.

LIebe Grüße sy


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Alt 18.12.2015, 15:05   #6
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard

Hi, Lai!

Vielen Dank für den Lorbeer!

Nein, in diese Zeile gehört kein Komma.


Hi, Charis!

Dein Vorschlag für Z1 ist toll, ich werde ihn gern übernehmen!

Das doppelte Abend war mir anch einer Änderung gar nicht mehr aufgefallen. Da muss was geschehen, klar!

"Wärme und Farben" Von Bezug her geht "verblassend" für beides, aber die Farben liegen natürlich näher. Sprachmelodisch waren mir aber die Farben vorn lieber, um eine Betonung zu stärken.

"Wärme" möchte ich nicht ändern, da der Tag immer wärmer ist als die Nacht, egal ob im Winter oder im Sommer.


Hi, Agneta und Sy!

Auch euch vielen Dank für die guten Worte!


LG euch allen, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
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Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (18.12.2015 um 15:09 Uhr)
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