Gedichte-Eiland  

Zurück   Gedichte-Eiland > Gedichte > Der Tag beginnt mit Spaß

Der Tag beginnt mit Spaß Humor und Übermut

Antwort
 
Themen-Optionen Ansicht
Alt 10.10.2012, 22:25   #1
Falderwald
Lyrische Emotion
 
Benutzerbild von Falderwald
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 9.910
Standard Der Angeber




Der Angeber


Er wollte täglich sich im Insgeheimen
mit jeweils zwei Quartetten und Terzetten
in vierzehn Zeilen Klammerreimmanschetten
ein biederes Sonett zusammen reimen.

Doch lassen sich in klassischen Sonetten
nicht Worte nur formal wie Holz verleimen,
erst müssen sie in den Gedanken keimen,
um sie zu edlen Versen zu verketten.

Hart konfrontiert mit solcherlei Problemen
streckt mancher Zeilenschinder schnell die Waffen
in Anbetracht der anspruchsvollen Themen.

Doch heute ist die Muse ihm verblieben,
hat er doch, um sich Luft zu schaffen,
gleich drei auf einen Handstreich hingeschrieben.


Falderwald
. .. .



__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



Falderwald ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.10.2012, 08:40   #2
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard

Hi, Faldi!

Ich hoffe doch sehr, da ist nicht von MIR die Rede!

Schönes Sonett, abzüglich der Kleinigkeit, dass die Terzette 3 Reime beinhalten. Zwei wären perfekt gewesen... Da ich diesbezüglich aber im eigenen Glashaus sitze, steht es mir nicht zu, mit Kieseln zu schmeißen.

Sprachlich formidabel und inhaltlich kurzweilig, entlarvst und hinterfragst du durch Verwendung derselben Form, deren Verwendung du einen Autor inhaltlich kritisch zeihst, gleichermaßen!

Sehr gern gelesen und herzlich geschmunzelt über dieses schöne Lehrstück in ironischer Doppeldeutigkeit!

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.10.2012, 10:46   #3
Thomas
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Benutzerbild von Thomas
 
Registriert seit: 24.04.2011
Beiträge: 3.375
Standard

Hallo Falderwald,

ich möchte mich Erichs Lob anschließen.

Du sprichst meiner Meinung nach eine grundlegende Frage an, die über das Sonettschreiben hinausgeht und die Lyrik insgesamt betrifft. Gerade bei moderner Lyrik, habe ich oft den Eindruck, dass das "in den Gedanken keinem" lassen nicht stattgefunden hat. Ich sage das auch aus eigener Erfahrung. Wenn ich vorsichtige Versuche mit angeblich freieren Formen mache, dann bildet sich nach einigem "Gedanken-keimen-lassen" meistens doch eine metrische Form und oft sogar ein Reimschema aus. Dabei habe ich dann nicht das Gefühl etwas an Freiheit verloren zu haben. Ist da nicht seltsam?

Liebe Grüße
Thomas
Thomas ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 15.10.2012, 21:58   #4
Falderwald
Lyrische Emotion
 
Benutzerbild von Falderwald
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 9.910
Standard

Servus Erich,

jeder zieht sich den Schuh an, der ihm passt...

Den ironischen und durchaus selbstkritischen Unterton zwischen den Zeilen hast du ja gebührend herausgestellt.

Tief zerknirscht musste ich zur Kenntnis nehmen, daß ich es hätte perfekter machen können.
Aber ich habe es mir zu Herzen genommen und, wie du schon weißt, in meinem neuesten Text "Lupus" besser gemacht.

Momentan liegt mir diese Form einfach und es macht mir einen Höllenspaß, damit zu experimentieren.
Ich finde, sie eignet sich u.a. perfekt für ein kurzes Gedicht mit einer knappen und präzisen Aussage, dann kann es richtig "fluffig" kommen.
Das sind dann nicht immer Sonette im eigentlichen Sinne, aber was heißt das schon?

Danke fürs schmunzeln und das gern gelesen...


Moin Thomas,

du hast des Pudels Kern erkannt, denn das Sonett steht lediglich stellvertretend für die gesamte Lyrik.

Dieses Gefühl, nichts an Freiheit einzubüßen, wenn ich mich in metrischen Gefilden aufhalte, kenne ich nur zu gut.

Die handwerkliche Kunst des Dichters besteht darin, die Sprache nach seinem Willen zu formen.
Wenn er sich nun eine Form vorgibt, wie z. B. das Sonett, dann muss er seine Sprache dementsprechend strukturieren, d.h. handwerklich bearbeiten, so wie der Bildhauer den Stein und der Maler die Leinwand.
Dabei führt jeder seine eigene und ganz persönliche Handschrift, doch sollte das Subjektive des Kunstwerks kein Übergewicht bekommen, weil es sonst zu abstrakt wird.

Es sei denn, die Handschrift ist so unverwechselbar, daß sie als außerordentlich oder einzigartig gilt.
In diesem Falle wäre diese dann selbst das Kunstwerk, was aber äußerst selten vorkommt.

Die schönsten Kunstwerke entstehen, wenn es dem Künstler gelingt, die eigene Muse mit einem hohen Maß an Objektivität zu kombinieren, damit seine Werke von anderen zumindest nachvollzogen werden können.

Das aber lassen viele Künstler oft vermissen, weshalb sie sich auch verkannt fühlen, denn für sie ist ihre Kunst absolut nachvollziehbar.

Aber das ist nur meine ganz persönliche Sicht der Dinge.

Es gibt ja auch Musik, die mir gefällt und solche, die ich nicht hören mag.

So geht es mir mit Bildern, Büchern und Gedichten...

Ich danke dir für deine lobenden und zustimmenden Worte...


Vielen Dank für eure Kommentare, ein Angeber hat sich sehr darüber gefreut...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



Falderwald ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 16.10.2012, 10:00   #5
Thomas
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Benutzerbild von Thomas
 
Registriert seit: 24.04.2011
Beiträge: 3.375
Standard

Hallo Falderwald,

das ist ganz bestimmt nicht nur deine "persönliche Sicht der Dinge". Ein gewisser Goethe war der gleichen Meinung.

Natur und Kunst, sie scheinen sich zu fliehen
Und haben sich, eh man es denkt, gefunden;
Der Widerwille ist auch mir verschwunden,
Und beide scheinen gleich mich anzuziehen.

Es gilt wohl nur ein redliches Bemühen!
Und wenn wir erst in abgemessnen Stunden
Mit Geist und Fleiß uns an die Kunst gebunden,
Mag frei Natur im Herzen wieder glühen.

So ist s mit aller Bildung auch beschaffen:
Vergebens werden ungebundne Geister
Nach der Vollendung reiner Höhe streben.

Wer Großes will, muss sich zusammenraffen;
In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister,
Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben.

"Widerwille" bezieht sich darauf, dass dieser Herr Goethe in seinen jungen Jahren Gedichte in freien Rhythmen (wirklich gute) geschrieben hatte und Sonette ursprünglich gar nicht mochte.

Liebe Grüße
Thomas
Thomas ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 16.10.2012, 17:00   #6
Chavali
ADäquat
 
Benutzerbild von Chavali
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Mitteldeutschland
Beiträge: 13.001
Standard

Zitat:
streckt mancher Zeilenschinder schnell die Waffen
Huch, Faldi,

von wem ist da so die Rede?
Kritisch und vor allem selbstkritisch zu sein, gelingt nur einem wahren Dichter, der weiß,
was er kann und was er eben nicht kann

Ich kann den Worten von Erich und Thomas nur zustimmen und hänge mich auch an deinen
Re-Kommentar dran - ganz meine Meinung


Sonettige Grüße,
Chavali
__________________
.
© auf alle meine Texte
Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

*
Chavali ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 17.10.2012, 20:01   #7
Dana
Slawische Seele
 
Benutzerbild von Dana
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 5.637
Standard

Lieber Faldi,

solche Angeber dürfen auf die Tonne hauen, was das Zeug hält.

Wer kann, der darf.

Ein wunderbares Schmunzel-Sonett, eine herrliche Aussage und ein sehr schöner Kommentarfaden.

Liebe Grüße, zugleich einen Extragruß an alle "Angeber" ,
Dana
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
Dana ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.10.2012, 20:40   #8
Falderwald
Lyrische Emotion
 
Benutzerbild von Falderwald
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 9.910
Standard

Moin Thomas,

ich wusste um des jungen Goethes Abneigung gegen Sonette.

Umso erstaunlicher ist es, welch schöne Klanggedichte dieser Art er dann doch geschrieben hat.
Und du stellst hier eines der besten, wenn nicht gar sein bestes, vor: Natur und Kunst.

Danke, ich habe es gerne wieder gelesen...


Hi Chavi,

mit Kritik ist das eine Sache, mit Selbstkritik eine ganz andere.
Man muss auch wissen, welche Ansprüche man an sich selbst stellt, bzw. stellen kann.

Mir ist selbstverständlich klar, daß nicht jeder Text, der dem äußeren Anschein genügt, auch ein Sonett ist.
Ich persönlich finde nur diese Form momentan besonders interessant und es ist eine Herausforderung, sich immer wieder aufs Neue darauf einzulassen.
Man kann ernste, aber auch humorvolle Themen hineinpacken und vor allem (kleine) wunderbare Begebenheiten wiedergeben.

Mir macht das momentan einfach sehr viel Spaß.

Sonettigen Dank für die sonettigen Grüße...


Liebe Dana,

wenn du das sagst, dann will ich das mal tun.

Ich freue mich, daß du darüber schmunzeln konntest und deine Grüße sind auch angekommen. .. .


Vielen Dank für eure Rückmeldungen an diesen Angeber...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



Falderwald ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen


Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)
 

Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 04:18 Uhr.


Powered by vBulletin® (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, Jelsoft Enterprises Ltd.

http://www.gedichte-eiland.de

Dana und Falderwald

Impressum: Ralf Dewald, Möllner Str. 14, 23909 Ratzeburg