Gedichte-Eiland  

Zurück   Gedichte-Eiland > Gedichte > Denkerklause

Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

Antwort
 
Themen-Optionen Ansicht
Alt 26.05.2015, 19:25   #1
Walther
Gelegenheitsdichter
 
Registriert seit: 09.11.2009
Ort: Im Wilden Süden
Beiträge: 3.210
Standard Selbst den Rilke

Selbst den Rilke


Da gibt es Leser, die es besser wissen.
Sie wissen, wie man schreibt und wie man dichtet,
Wie man die Form, den Reim, den Vers gewichtet,
Und alles, das nicht passt, liest sich beschissen.

Aus diesem Wissen wird sehr schnell gerichtet:
Das Neue wird zum viel zu großen Bissen.
Den Goethe und den Schiller zu vermissen,
Des fühlen sie sich Tag und Nacht verpflichtet!

Die Sprache ist ein Werkstoff, der sich ändert,
Und Dichtung ist nichts Festes, das erstarrt.
Sie ist ein Werkzeug, das die Bilder rendert:

Was weich ist, wirkt schon morgen richtig hart.
Nur Heine scheint den Armen goldgerändert:
Sie haben selbst den Rilke ausgespart.
__________________
Dichtung zu vielen Gelegenheiten -
mit einem leichtem Anflug von melancholischer Ironie gewürzt
Alle Beiträge (c) Walther
Abdruck von Werken ist erwünscht, bedarf jedoch der vorherigen Zustimmung und der Nennung von Autor und Urheberrechtsvorbehalt

Geändert von Walther (27.05.2015 um 20:24 Uhr)
Walther ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.05.2015, 21:54   #2
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard

Hi, Walter!

Bissig!

Dem "goldgerändert" fehlt eine Kleinigkeit!

Es ist übrigens nicht die Dichtung an sich, die sich ändert, sondern der Zeitgeschmack, das "Ohr" der Leute. Dem passen sich die Dichter an, bzw. sie sind selbst Teil einer bestimmten Sprachinterpretation.
Unschönes Beispiel: Raptexte! Plötzlich fangen selbst einheimische "Gansta", die nie Türkisch gesprochen haben, an mit diesem himmelschreienden Ghettodeutsch, weil sie sich damit angenommener oder integrierter vorkommen (oder auf eine bestimmte Zielgruppe abzielen)!

Zwei Begriffe stören meinen Geschmack: Der unlyrisch wirkende Fachbegriff "rendern" und das beschissene "beschissen"! - Aber ich bin eben altmodisch: Für mich soll ein Sonett immer noch fließend und sprachharmonisch, lyrisch und melodisch klingen. Was hab ich mir nur dabei gedacht!?

Die Genitivkonstruktion in S2Z3,4 ist gewagt und klingt reichlich bemüht.

Gern gelesen!

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.05.2015, 09:40   #3
Thomas
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Benutzerbild von Thomas
 
Registriert seit: 24.04.2011
Beiträge: 3.375
Standard

Lieber Walter,

dein Sonett ist nicht gut. Du attackierst eine Sichtweise, die ich auch nicht richtig finde, offenbarst aber gleichzeitig, dass du das Problem selbst nicht mit ausreichender Tief angehst. Das macht auf mich einen überheblichen Eindruck.

Wenn man von den Negativ-Aussagen über gewisse Leute absieht, enthält dein Gedicht nur vier inhaltlich relevante Zeilen:
"Die Sprache ist ein Werkstoff, der sich ändert,
Und Dichtung ist nichts Festes, das erstarrt.
Sie ist ein Werkzeug, das die Bilder rendert:
Was weich ist, wirkt schon morgen richtig hart."

Die Zeilen "Und Dichtung ist nichts Festes, das erstarrt." und "Was weich ist, wirkt schon morgen richtig hart." sind recht allgemein und inhaltslos. Aber sie stimmen wenigsten fast - wenn man der zweiten die falsche Allgemeinheit nimmt, indem man das "richtig" durch "manchmal" ersetzt.

Die beiden anderen Zeilen sind mehr als dürftig. "Die Sprache ist ein Werkstoff" Das ist ungenau. Der Dichter schafft und bildet sie Sprache, das ist mehr als nur "Werkstoff" sein.

"Sie ist ein Werkzeug, das die Bilder rendert" Das ist falsch. Du scheinst eine recht materialistisches Bild von Sprach zu lieben, erst "Werkstoff", jetzt "Werkzeug". Auf alle Fällt ist das zu mechanisch, denn "rendern" von bestehenden Bildern (ich gehe davon aus, dass du das Wort nicht nur des Reimes wegen, sondern wegen nutzt, sondern tatsächlich bewusst das ausdrückst, was man in der IT darunter verstehet) ist gerade nicht poetisch, sondern Bilder und sprachlicher Ausdruck sind untrennbar verbunden und entstehen gemeinsam, das wird auch sofort klar, wenn man für "Bilder" das eigentlich richtige Wort "Metapher" setzt.

Es gibt in der Tat etwas, was große Werke der Vergangenheit modern macht, modern, weil sie zeitlos sind. Dieses zeitlos Gute ist das Wesentliche für jeden, der ernsthaft Neues gestalten will. Wenn man sich bemüht, dieses Gute zu finden und zu erkennen, dann wird man etwas demütiger, als es in deinem Gedicht zum Ausdruck kommt - denke ich.

Liebe Grüße
Thomas
__________________
© Ralf Schauerhammer

Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller
Thomas ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 29.05.2015, 21:48   #4
Walther
Gelegenheitsdichter
 
Registriert seit: 09.11.2009
Ort: Im Wilden Süden
Beiträge: 3.210
Standard

hallo eKy, hallo Thomas,

danke für die geduld. ich werde mir die freiheit nehmen, diesen etwas ausführlicheren kommentar, den ich nach einer ziemlich harten woche heute endlich erstellen kann, an anderer stelle ebenfalls etwas angepaßt zu verwenden, und bitte dafür um nachsicht.

zum einen: im text sind tatsächlich zwei rechtschreibfehler enthalten gewesen, die ich trotz rechtschreib- und grammatikhilfe im textprogramm schlicht und einfach übersehen habe. leider kann man sich auf die grammatik- und rechtschreibhilfen der textverarbeitungen nicht zu 100% verlassen; daher hat die „betriebsblindheit“, die bei der eigenlektorierung unvermeidlich zuschlägt, leider etwas verwirrende spuren hinterlassen. darum bitte ich um entschuldigung.

zum zweiten: es sind formulierungen aus mehreren sprachgebrauchszeitaltern verwendet worden. das ist als kunstgriff erlaubt und bei den bildern, in denen die kunstgriffe eingesetzt wurden, auch nachvollzieh- und begründbar. ich erlaube mir, die begründungen nicht nachzuliefern, da sie sich aus dem zusammenhang regelrecht aufdrängen. allerdings darf ich die zeitalter benennen: es handelt sich Barock, ende des 19. und erste hälfte des 20. jahrhunderts sowie die istzeit.

zum dritten: in einem fall habe ich den anglizismus „rendern“ eingesetzt, der im nachfolgenden vers bildlich klar erkennbar erläutert ist. das verb „to render“ stammt aus der IT-gestützten bildbearbeitung und ist so weit verbreitet, daß eine verwendung in der lyrik erlaubt ist – zumal sie ja nicht grundlos und metaphorisch nachvollziehbar geschieht. natürlich scheint darin das französiche „rendre“ auf; allerdings hat sich im englischen der inhalt weiterentwickelt. es ist bekannt, das das französische eine der drei wurzeln der englischen sprache darstellt – neben der angel-sächsischen und der dänisch-skandinavischen.

zum vierten: es ist in der dichtung gestattet, hochverdichtet die assoziationsräume der namen großer lyriker wie Goethe, Schiller, Heine und Rilke einzusetzen und sie als bekannt vorauszusetzen. die frage, was für den autor diese dichterfürsten bedeuten, ist unerheblich. es bleibt beim leser, daraus seine schlüsse zu ziehen. da alles dasteht, was zum verständnis nötig ist, wäre es eigentlich unnötig, die frage überhaupt zu stellen. ein dichter erläutert das, was er tut, aus gutem grund dann nicht, wenn er den text nicht für gescheitert hält. das feedback ist zwiespältig - genau wie es geplant war. denn schließlich sollte eine diskussion über ein bestimmtes verhalten angestroßen werden. und genau das findet an den stellen, an denen der beitrag gepostet wurde statt, und zwar mit bzw. in den erwartbaren "kampflinien".

wie immer bei meinen texten findet die geschichte hinter dem gedicht und den worten in mehreren ebenen statt, auf die man sich einlassen muß. meine texte schaffen, wenn man sich auf sie einläßt, mehrdimensionale bezugsräume. das gilt auch und gerade für dieses sonett. allerdings muß man sich in diese wagen und dem autor zutrauen, daß er genau weiß, was er tut und was er (erreichen) will.

leider ist es mir nicht möglich, auf einzelne beiträge im detail einzugehen. allerdings pflege ich interpretationen meiner gedichte nicht selbst wieder zu interpretieren, da ich ausdrücklich interpretationsräume schaffen will, wenn ich schreibe. daher ist die interpretation immer eine kreative eigenleistung des jeweiligen lesers und eine mögliche lesart des texts. ich nehme dabei mißverständnisse und fehler in der sichtweise billigend in kauf, da diese beurteilung wiederum meine sicht der dinge ist. mein eingreifen ist nur dann erforderlich, wenn die regeln des guten umgangs verletzt sind. das ist bisher nicht der fall.

lg w.
__________________
Dichtung zu vielen Gelegenheiten -
mit einem leichtem Anflug von melancholischer Ironie gewürzt
Alle Beiträge (c) Walther
Abdruck von Werken ist erwünscht, bedarf jedoch der vorherigen Zustimmung und der Nennung von Autor und Urheberrechtsvorbehalt
Walther ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 30.05.2015, 02:22   #5
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard

Hi, Walther!

Egal, wie ausgefeilt du mit Rechtfertigungslametta raschelst - eine für den Rezensenten schwach klingende Textstelle wird dadurch für ihn eben nicht besser.

Natürlich beruht jeder kritische Einwand auf dem subjektiven Empfinden des ihn Schreibenden, aber man tut es ja nicht, um den Autor zu diminuieren, sondern um ihm eine andere Perspektive zu vermitteln und ihm so Gelegenheit zu geben, seinen Text gegebenenfalls (aus Sicht des Beratenden) zu verbessern, wenn es ihm denn gelingt oder möglich ist, diese Perspektive ebenfalls einzunehmen und - so er sich offen zeigt, was die Fähigkeit zur objektiven Selbsthinterfragung voraussetzt - davon zu profitieren.

Das ist der Sinn von Textarbeit in den Foren. Deine Antwort oben vermittelt eher das Gefühl, dass du denkst, dass deine Texte derlei nicht nötig haben, weil sie "per se perfekt" sind, weil sie eben von DIR stammen, und das ebendeshalb, weil du dir "dabei etwas gedacht hast".

Der schon etwas pikiert und wie eine halbe Drohung klingende letzte Absatz befremdet mich. Wie sagtest DU mir dereinst (sinngemäß), als du aufhörtest, MEINE Texte zu kommentieren? -
"Ich habe den Eindruck, ich mache mir all die Arbeit umsonst, da du dich nachhaltig unfähig oder unwillig zeigst, den Wert meiner Ratschläge zu erkennen und umzusetzen. Daher werde ich aufhören, deine Arbeiten zu kommentieren."

So weit will ich nicht gehen, aber deine obige Antwort erscheint mir ebenso uneinfühlsam und abblockend, so als fühltest du dich durch Kritik gleich welcher Art nachgerade belästigt und gekränkt (wie du dich damals möglicherweise dadurch beleidigt fühltest, dass ich deine Tipps für meine Gedichte nicht umsetzte, aus welchen Gründen auch immer - und ich habe jene stets gut erwogen).
Wie du selbst sagtest: Welchen Sinn hat es, sich zu echauffieren, wenn der Autor fest glaubt, bei ihm sei ohnehin alles so, wie es sein soll?

Ich werde mir also in Zukunft nachhaltig überlegen, ob, wann und vor allem: WIE ich deine Werke noch kommentiere. Vor allem, wenn solche betont abschmetternden "Antworten" lauern, die nur dazu zu dienen scheinen (zumindest kommt der Eindruck so bei mir an), auf betont kühle Art die intellektuelle wie lyrische Unantastbarkeit des Autors zu unterstreichen - oder die bedauernswerte Fehl- oder Uneinsichtigkeit der Kommentatoren.

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (30.05.2015 um 15:19 Uhr)
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen


Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)
 

Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu

Ähnliche Themen
Thema Autor Forum Antworten Letzter Beitrag
Rainer Maria Rilke Erich Kykal Denkerklause 10 06.03.2013 12:15
Selbst ist der Mann Herbstblatt Der Tag beginnt mit Spaß 5 27.08.2010 19:36
Von selbst a.c.larin Ein neuer Morgen 5 09.04.2010 08:50


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 19:58 Uhr.


Powered by vBulletin® (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, Jelsoft Enterprises Ltd.

http://www.gedichte-eiland.de

Dana und Falderwald

Impressum: Ralf Dewald, Möllner Str. 14, 23909 Ratzeburg