![]() |
![]() |
#1 |
TENEBRAE
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
|
![]()
Wenn sich der Tag wie Seide glättet,
in Abend ausläuft wie ins Meer, das weich sich um sein Sinken bettet, dann bin ich ohne Gegenwehr, darein zu schmelzen mit den Farben, die sich ein Tag, der müde ward, für jene, die ihn sanft umwarben, und sein Vergehen aufgespart. Wie gibt er sich aus vollen Armen nun an den Sehenden heraus, beruft ihn leis in sein Erbarmen und lädt ihn ein zum Augenschmaus. Da steigt mir meiner Seele Tauen ans Herz, das mit den Sternen schlägt, die in der Himmel Nachterblauen unendlich spiegeln, was mich trägt. Wenn sich der Tag wie Seide glättet, versickernd in den Gang der Nacht, hat er mein Seligsein gerettet und bis zum Morgen groß gemacht.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
![]() |
![]() |
![]() |
#2 |
Eiland-Dichter
Registriert seit: 15.02.2010
Beiträge: 39
|
![]()
Von der sprachlichen Umsetzung her ein gelungenes Gedicht, fast schon zu gelungen. Die Worte und Empfindungen fließen ineinander, verweben sich wie die Farben in einem Aquarell vergangener Jahrhunderte. Einzig fehlt mir die Relation zum Meer, denn so wie die Aussage sich derzeit präsentiert ... "in Abend ausläuft wie ins Meer" ... ergibt es für mich keinen Sinn, da eben der Bezug: "wie? Meer!", einfach fehlt (aber vielleicht stehe ich ja auch grad nur im Wald). Erbarmen und Augenschmaus, mmmhhh, ich weiß nicht, vielleicht die "Arme" und das "heraus" noch einmal überdenken, dann kann man die nun wirklich naturfremden Assoziationen "Erbarmen" und "Augenschmaus" vermeiden, ersetzen. Das "Tauen" der Seele (wie hier, wo die Seele etwas hat, als eben etwas zu sein was man hat), find ich schon mutig, läßt sich für mich persönlich aber irgendwie nicht greifen. 3 mal Tag, 2 mal Nacht, da geht aber bestimmt noch was; da lieber etwas Farbe aus dem DrumHerum entnommen und bei diesen Wörtern dann dafür mehr gemalt.
Ansonsten, ein sehr trauriges Gedicht, denn die Frage die mich beschäftigt, ist, geht das Seligsein unter, wenn sich der Tag wie eine knorrige Jeans in das bevorstehende Nirvana bügelt? Was heißt sehend? Für mich liest sich dieses "Sehend" so heraus, daß man die goldene Oberfläche des Moments erkennt, nein, vielmehr "nur erblickt". Demzufolge verstecken sich dann auch letztendlich die Gefühle hinter den glitzernden Fassaden ästhetischer Schreibkunst (bzgl. dieses einen Gedichtes). Ein oder der Tag (was nun gemeint ist, man weiß es nicht) war müde, warum war er müde, fehlte ihm der funkelnde Schein vergangener Träume? Aber dies ist jetzt auch alles egal, denn ob man lieber mit Seide malt oder in rumgetränkter Baumwolle das Rauschen in den Haaren schwarzhimmelsblauer Sinfonien erblickt, ein Moment wie ihn der Dichter hier beschreibt, ist und bleibt immer ein Ereignis, welches den kleinsten unter den Kleinen, und sei es auch nur für den Flügelschlag eines Wimpernvogels, ganz groß werden läßt. In diesem Sinne, ein schönes Bild (und mit Rahmen wär´s sogar ein "Klassiker") ! Es grüßt Neil Olssen ... |
![]() |
![]() |
![]() |
#3 |
TENEBRAE
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
|
![]()
Hi, Neil Olssen!
Vielen Dank für deine Gedanken. Natürlich kann man es nicht jedem recht machen, bzw. jede Strophe gleich gut. Vieles ist eben abhängig von Lesart und Geschmack und des jeweiligen Erfahrungshintergrundes des Lesers. Was für den einen wunderbar formuliert ist, erscheint dem anderen grauenvoll altbacken oder einem anderen gar allzu avantgardistisch. Es heißt "der Sehende", ist also hauptwörtlich gebraucht in der Zeile 2 von S 3. Der Abend gibt sich an den Sehenden heraus, soll heißen: Wer mit offenen Augen durch den Tag geht, dem offenbart er seine Wunder, seine schönsten Bilder, quasi "mit vollen Armen". Das mit dem Meer: Wer an einem solchen wohnt, kann diese beiden Zeilen (S1 Z 2,3) als echtes Wasser interpretieren. Möglich wäre auch ein Wolkenmeer, ein Nebelmeer, ein Schattenmeer, das Meer der sich ausbreitenden Dunkelheit,... Du siehst, da sind viele Interpretationen möglich, ohne dass ich es näher beschreiben müsste. Ich gebe dir allerdings recht in dem Punkt, dass dieses Bild gleichsam ein wenig "in der Luft hängt", also keinen direkten Bezug zum ursprünglich entworfenen Bild findet - zumindest nicht beim ersten Lesen, auf den ersten Blick. Das liegt wohl daran, wie ich schreibe: einem starken Eindruck oder Gefühl folgend lasse ich die Worte gleichsam "auskristallisieren", wie sie mir aus dem Un- oder Unterbewußten tropfen. Gleichzeitig werden sie dabei in eine verwertbware Syntax gefügt, in einen nachvollziehbaren Sinnzusammenhang. Manchmal allerdings ist ein Eindruck der Seele stärker als der Wunsch nach unmittelbarer Verständlichkeit, und dann passiert's eben, dass sich irgendwas eben NICHT so perfekt einfügt. Dennoch widerstrebt es mir mitunter, solche Stellen zu vernichten. Dann bleiben sie und werden - wie beispielsweise hier von dir - beanstandet, und das durchaus zurecht. Trotzdem...es soll so bleiben. Irgendwas in mir fühlt sich wohler damit. Das mit dem "zu" Perfekten hör ich öfter mal. Ich bin - von Rilke beeinflußt - ein Perfektionist in Sachen Sprache. Obwohl mir das handwerkliche Rüstzeug - all das Wissen über Gesetze und Regeln der Lyrik - fehlt, schreibe ich eben so, wie es MIR gefällt und sinnfällig erscheint. Nicht aus Arroganz jenen gegenüber, die sich die Zeit genommen haben, all das zu erlernen, sondern, weil es bei mir eben so funktioniert und weil ich so meine Freude dran habe. Die Schönheit und Eleganz des Deutschen stehen also bei meiner Lyrik IMMER im Vordergrund. Ist eben so. Also, nochmal vielen Dank für deine lobenden Worte! Bis demnächst mal... LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
![]() |
![]() |
![]() |
#4 | |
ADäquat
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Mitteldeutschland
Beiträge: 13.009
|
![]() Hallo Erich,
__________________
. © auf alle meine Texte
|
|
![]() |
![]() |
![]() |
#5 |
TENEBRAE
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
|
![]()
Danke für deine Rückmeldung, Chavali!
Das Wort Augenschmaus...ist ein älterer Ausdruck, deute kaum mehr gebräuchlich. Schmaus ist hingegen sogar ein ursprünglich poetischer Begriff für ein oppulentes Mahl! Sprachliche Präferenzen wandeln sich mit den Zeiten, schon wahr. Dennoch bleibt das Gefallen oder Nichtgefallen eines Begriffes letztendlich Geschmacksache, da jeder es gemäß seines individuellen Erfahrungshintergrundes und persönlichen Empfindens bewertet. Und dass nicht ALLE meine Lyrik toll finden, ist mir schon klar, keine Sorge. Was immer ich dage - arrogant ist es nicht gemeint. LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
![]() |
![]() |
![]() |
#6 | ||
ADäquat
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Mitteldeutschland
Beiträge: 13.009
|
![]() Hallo Erich,
__________________
. © auf alle meine Texte
Geändert von Chavali (26.02.2010 um 09:29 Uhr) |
||
![]() |
![]() |
![]() |
#7 |
TENEBRAE
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
|
![]()
Oh, Chavali!
Ich gestehe dir jederzeit zu, dass manche meiner Formulierungen nicht so gelungen sein mögen. Ich kann auch eure dazu angeführten Gedanken nachvollziehen, mich darin einfühlen und sie verstehn. Nur mit dem ÄNDERN meiner Texte tu ich mich schwer! Wenn mich ein Argument dermaßen überzeugt, dass ich sagen muss: Ja, das ist BESSER als meine Version, oder, Ja, das ist WIRKLICH ein Fehler gewesen, sann bessere ich das sofort um, ohne Debatte. Das Problem ist, dass ich so schwer davon zu überzeugen bin, dass eine andere Version besser sein soll als die, die MIR am besten gefällt. Ich arbeite daran. Es ist eine alte Lehrerkrankheit, immer absolut von sich überzeugt sein zu müssen - oder zumindest so zu tun - , sonst könnten wir diesen Job nicht lange durchhalten. Irgendwann wird einem das zur zweiten Natur, und man hinterfragt sich erst gar nicht mehr im vielleicht für soziales Verhalten nötigen Umfang. LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
![]() |
![]() |
![]() |
Lesezeichen |
Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1) | |
|
|