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#1 |
Gelegenheitsdichter
Registriert seit: 09.11.2009
Ort: Im Wilden Süden
Beiträge: 3.210
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Schleiertanz
Du spanntest Deinen roten Samtvorhang Mir gerne über meine müden Augen. Sie aus den tiefen Höhlen auszusaugen: Du lachtest lauthals, als es Dir gelang. Erzähle nicht, Du wolltest nicht betrügen: Verbrämung gibt der Wahrheit selten Schwung, Sie dient als Milchglas der Erinnerung Und hilft beim elenden Sich-selbst-Belügen. Längst war vergangen das, was für uns sprach: Die Wünsche hängen oftmals Träumen nach Und können den Verfall doch nicht bezwingen. Du tanzt vor mir den gleichen Schleiertanz: Ihm fehlen Jugendschmelz und alter Glanz. Verlorenes kannst Du so nicht erringen.
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Dichtung zu vielen Gelegenheiten -
mit einem leichtem Anflug von melancholischer Ironie gewürzt Alle Beiträge (c) Walther Abdruck von Werken ist erwünscht, bedarf jedoch der vorherigen Zustimmung und der Nennung von Autor und Urheberrechtsvorbehalt Geändert von Walther (05.09.2011 um 12:34 Uhr) |
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#2 | |
Erfahrener Eiland-Dichter
Registriert seit: 15.03.2011
Ort: Stuttgart
Beiträge: 1.836
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Hallo, Walther,
ich verstehe unter diesem "roten Samtvorhang" das samtig-weiche Umschmeicheln, um (in diesem Fall) Liebe vorzutäuschen. Das LD "saugte" die Augen des LI "aus". Ich denke, dem LI wurden "Tränen" heraus"gesaugt", also muss ihn das LD oft zum Weinen gebracht haben. Die Müdigkeit wird sicher durch das Wissen des LI ausgelöst, zu viel erlebt, zu viel gesehen, vielleicht ist auch der "Tränenvorrat" erschöpft ... Zitat:
Strophe 2 spricht von Rechtfertigung. Allerdings scheint das LD dem LI nicht mehr zu glauben, sicher wurden die vorgebrachten Ausreden schon viel zu oft gebraucht. Sie "wirken" nicht mehr. Die Verse vermitteln mir aber auch den Eindruck, dass das LD wohl vor allem sich selbst belügt. Ergänzung und Antithese, miteinander im Einklang, das ist sehr gut gelungen. Übrigens: Das elende "Sich-selbst-Belügen" - ein Adjektiv, ja, ja ... *Zwinker". Das erste Terzett spricht von Resignation. Welche Träume es auch gab, welche Wünsche auch daraus erwuchsen, es bleibt nur der Verfall. Alles, was LI und LD gemeinsam hatten, ist Vergangenheit, in der Gegenwart ist nichts mehr davon übrig. Im zweiten Terzett erkenne ich das "Sich-selbst-Belügen" des LD wieder. Aber der Versuch, mit den alten, bislang bewährten Mitteln (Verführungskünsten) das LI zurück zu gewinnen, scheitert. Dem "Schleiertanz" fehlt der Glanz. Hier geht es nicht um tatsächliche Jugend, sondern um die Ermüdung des LI, das vom "Tanz" emotional nicht mehr berührt wird. Es funktioniert nicht länger. Formal gefällt mir die Variante mit dem Wechsel der stumpfen / klingenden Kadenzen und der Schweifreim in den Terzetten. Das ist immer eine schöne Möglichkeit, diese auch reimtechnisch und optisch miteinander zu verbinden. Die inhaltliche Klimax führt von der Vergangenheit in die Gegenwart, von der "Tatsache" über die "Ausrede" über die Resignation zur letztendlichen (finalen) Erkenntnis: Was auch war, es ist verloren. Fein geschrieben! Ich finde, hier zeigst du wieder deutlich, was du im Bereich "Sonette" kannst. Es war mir ein Genuß! ![]() (Ich meine, was ich sage. Ich könnte an "Längst" betonungstechnisch haarspalterisch kritteln - mache ich aber nicht. Da das Metrum stringent ist, habe ich kein Problem damit.) Liebe Grüße ![]() Stimme ![]()
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#3 |
Slawische Seele
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 5.637
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Lieber Sonett-Walther,
![]() mir gefällt dein Werk in seiner Tiefe. Ich sehe ein oberflächliches, leichtfertiges lyr. Du, dass mit seinen "einstudierten Plänkeleien" nicht mehr überzeugt. Es wurde entlarvt und kann nun niemandem, ganz besonders dem lyr. Ich, nichts mehr vormachen. Heute würde man sagen: "Liebste/Liebster das zieht nicht mehr!" ![]() Die Verletzungen sitzen zu tief und das lyr. Du macht sich nur noch lächerlich (vielleicht spielt hier das Alter mit 'rein?) Die Dinge (das Zusammensein) bleiben bestehen - es ist schlicht egal, weil es vorher auch nicht anders gewesen ist. Die Macht der Gewöhnung oder Bequemlichkeit hat ihren Platz errungen. Traurig, aber noch viel zu oft wahr. Ein Feines! Liebe Grüße Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben. (Frederike Frei) |
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#4 |
Gelegenheitsdichter
Registriert seit: 09.11.2009
Ort: Im Wilden Süden
Beiträge: 3.210
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Lb. Stimme der Zeit,
gerade habe ich wieder fürchterlich "Land unter", sozusagen "Hochwasser". Daher bin ich gerade mit dem Beantworten meiner Kommentare und der Einstellung eigener etwas im Verzug. Das wird im Laufe der Woche - eher gegen Ende - besser. ![]() Zu Deinen Ausführungen: Auch hier schildert der Autor wieder keinen Ausschnitt aus seinem Leben, sondern er greift ein Thema auf, das sich um die Verführung eines anderen dreht, um damit die Kontrolle dieser Person zu erreichen. Das hast Du sehr schön aufgegriffen. In der Tat kann es in Beziehungen zu solchen Wettkämpfen darüber kommen, "wer denn das Sagen hat". Auch kann es zum Abhängigkeiten kommen, die eine Trennung nicht mehr möglich machen. Hier überwiegt die gegenseitige (Ent-)Täuschung eines Paares. Danke für Deine lobenden Worte. LG W. LB. Dana, auch Dir ein herzliches Dankeschön für Eintrag und Besprechung, aber auch für Deine Geduld. ![]() LG W.
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Dichtung zu vielen Gelegenheiten -
mit einem leichtem Anflug von melancholischer Ironie gewürzt Alle Beiträge (c) Walther Abdruck von Werken ist erwünscht, bedarf jedoch der vorherigen Zustimmung und der Nennung von Autor und Urheberrechtsvorbehalt |
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