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15.12.2012, 22:45 | #1 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Welträtsel
Welträtsel
Hans war im Innersten durchdrungen vom Streben nach Verbesserungen. Es war so sehr sein Ziel im Leben, die ganze Menschheit zu erheben, dass jedes Einzelexemplar dem Ziele recht im Wege war. So zog er einsam seine Bahnen, erfüllt von hehrem Zukunftsahnen: "Wie vieles müsst sich bessern lassen, kriegt ich die Menschheit erst zu fassen!" Da plötzlich trat auf einem Bein mit großem Ernst der Weltgeist ein, er schritt ganz langsam, gravitätisch, einbeinig nur, doch antithetisch; so wie beim Hegeln jede Masche dem einen Faden dient zur Lasche, durch welchen er hindurchgezogen, zur nächsten Masche umgebogen und dialektisch aufgehoben zur Lappenganzheit wird verwoben. Hans gab dem Weltgeist brav die Hand und machte sich mit ihm bekannt, erklärte ihm ganz frank und frei, was alles zu verbessern sei, was zu erneuern, zu verschönen, zu trennen sei, und zu versöhnen was er gern hätte und auch wolle, und was der Weltgeist tuen solle, damit auf dieser schlimmen Erde schlußendlich alles besser werde. Der Weltgeist schritt auf seinem Bein, und nickte: "Ja, es solle sein". Er schritt von dannen gravitätisch, einbeinig zwar, doch antithetisch, und ließ dann zum Auf-Wiedersehen sich einen Weltenhauch entwehen, so kolossal und allumfassend, wie nur der Weltgeist ihn ist lassend. Hans roch und sann seit jenem Tag, was solch ein Furz bedeuten mag. Geändert von Thomas (28.12.2012 um 11:14 Uhr) |
19.12.2012, 22:10 | #2 |
Lyrische Emotion
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Hi Thomas,
wenn dieser Weltgeist nur ein Bein hat, dann frage ich mich, aus welcher Spalte dieser Wind wohl wehen mag... Was soll ich sagen? Zuerst dachte ich, ganz schön langer Text das. Beim Lesen aber merkte ich, es fließt mit Wortwitz dahin und erweckt die Neugier von Strophe zu Strophe, wo das wohl hinführen mag, bei diesem Titel. Tja, und dann kommt das dicke Ende, ziemlich überraschend und nüchtern, jedoch philosophisch äußerst humorvoll, denn letztendlich ist das ganze Streben nach dem Sinn des Lebens nicht mehr wert, als ein Furz im Winde. Wer sich diese Frage bis zum Lebensende nicht beantworten kann, muss halt dumm sterben. Sehr lachen musste ich an der Stelle, als ich mir vorstellte, wie der Weltgeist auf einem Bein ganz langsam und würdevoll einherschritt. Ein äußerst kurzweiliger langer Text ist dir hier gelungen, voller Witz, Esprit und philosiphischer Einsichten. Als ob sich ein Weltgeist etwas aus den Sorgen und Verbesserungsvorschlägen von Hans Wurst machen würde, nicht wahr? Gerne gelesen, daran gerochen und kommentiert... Liebe Grüße Bis bald Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine) Für alle meine Texte gilt: © Falderwald --> --> --> --> --> Wichtig: Tipps zur Software |
20.12.2012, 12:56 | #3 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Ja Falderwald,
ich dachte mir schon, dass dir das Ding gefallen wird, es bekommt ja u.A. dein Freund Hegel ganz nebenbei auch etwas ab. Danke für den "anrüchigen" Kommentar Liebe Grüße Thomas Geändert von Thomas (20.12.2012 um 13:00 Uhr) |
20.12.2012, 15:36 | #4 |
asphaltwaldwesen
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Hach. Einfach nur herrlich, Thomas!
Faldi hat ja bereits alles (und noch mehr) gesagt dazu. Bleibt mir nur noch zu sagen, wie sehr ich das Lesen genossen habe! Danke. Herzlichst, fee
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"Gedichte sind Geschenke an die Aufmerksamen" Paul Celan |
21.12.2012, 17:30 | #5 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Das freut mich sehr, ich möchte dich dafür am liebsten (frei nach Reinhard Mey) liebe gute fee nennen.
Liebe Grüße Thomas |
21.12.2012, 19:40 | #6 |
Slawische Seele
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Hallo Thomas,
für mich der beste Humor in einer berechtigten Denkerklause. Die "schweren" Gedanken, die man sich beim aufmerksamen Lesen der Strophen 1 bis 3 macht, nicht ohne stolz "Meister Hegel" erkennt (ich weiß, ist nicht sonderlich schwer, aber trotzdem ) und dann das "Verpuffen" in der 4. Strophe. Wobei diese Strophe in ihrer Verpuffung nicht ohne ist. Einfach nur klasse, sprachlich und inhaltlich. Philosophie, so denke ich, wird niemals ihr oder ein Ziel erreichen, wo man nur HURRA rufen wird. Es werden immer wieder "Theorien und Beweise" aufkommen, die irritieren, überzeugen und verpuffen. Das ist das Spannende an ihr. Wenn man als Kind seiner Zeit (und andere Zeiten hatten wir noch nicht) lange genug in eine bestimmte und gewollte Richtung geschoben worden ist, hat man durchaus damit zu tun, Dogmen über Bord zu werfen. Ich merke es an mir selbst. Ich bin "quasi" überzeugt, dass es nur sein kann, wie Kant und Schopenhauer es meinten (auch viele Neuzeitliche) und erwische mich immer wieder dabei, dass immer noch ein Funke da ist, der es zum "Feuer" umkehren möchte, verstehst du, was ich meine? Mir wäre eine "Art Ewigkeit und Verbundenheit" lieber und sinnvoller. Und so lebe ich in meiner Zeit und hoffe auf immer neue überzeugende Erkenntnisse, wie immer sie auch sein mögen. Entweder sie löschen den störenden Funken oder sie entfachen eine neue Sicht der Dinge. (Schau dir meine Signatur an, dann weißt du, was ich meine.) Hast du das Buch "Folge dem weißen Kaninchen" gelesen? Bin gern dabei gewesen und mit ganzer Begeisterung, liebe Grüße Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben. (Frederike Frei) |
27.12.2012, 09:51 | #7 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Hallo Dana,
deine Signatur habe ich schon oft mit Freude gelesen. Sie ist sehr schön und wahr, genau wie das, was du in deinem Kommentar sagst. Der wesentliche Fehler (und das ist das Problem von Hans) ist doch, wenn man meint, als Weltverbesserer auftreten zu müssen, sozusagen als Prophet des Weltgeistes, als jemand, der vor lauter großen Zielen die Mitmenschen aus den Augen verliert. Durch große Worte und Gesetze kann man (fast) nichts erreichen, durch Menschen aber schon etwas. Deswegen ist Kunst eine (vermutlich oft unterschätzte) Möglichkeit. Liebe Grüße Thomas |
27.12.2012, 10:12 | #8 |
Gesperrt
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Welträtsel
Hallo Thomas,
ich frage mich, warum der Hans die Menschheit fassen sollte? Was er muss, wenn er die Welt zum Besseren ändern will, ist, die Menschen davon zu überzeugen, dass sie nicht mehr ihren Schlächtern glauben und jetzt selbst mit dem Denken beginnen müssen, eben nicht das wiederzukauen, was ihnen die Obrigkeit vorsetzt. Die "Erkenntnis", man kann ja doch nichts tun, entspricht zwar deinen eigenen persönlichen Denken, aber wenn wir dabei stehengeblieben wären, würden wir heute noch Jäger und Sammler sein. Insofern gibt mir dein Gedicht philosophisch und entwicklungsgeschichtlich doch recht wenig. Auch poetisch überzeugt mich dein Gedicht nicht sehr. Hehr schreibt man übrigens so und nicht heer. Gruß, Antigone |
27.12.2012, 18:22 | #9 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Hallo Antigone,
vielen Dank für die Korrektur des Schreibfehlers. Wie kommst du zu der Aussage über mich: "Die 'Erkenntnis', man kann ja doch nichts tun, entspricht zwar deinen eigenen persönlichen Denken"? Weder mit dem Gedicht, noch mit irgendeinem Kommentar, den ich in diesem Forum geschrieben habe, lässt sich das belegen. Wenn du schreibst "ich frage mich, warum der Hans die Menschheit fassen sollte?", zeigt das, dass du das Gedicht leider ein wenig nicht verstanden hast. Deine Aussage "poetisch überzeugt mich dein Gedicht nicht sehr" hilft mir wenig, da müsstest du mir schon erklären, was ich besser machen soll. Nehmen wir einmal an, dass es wirklich so ist, wie du behauptest, dass man nur "die Menschen davon überzeugen" muss, "dass sie nicht mehr ihren Schlächtern glauben und jetzt selbst mit dem Denken beginnen müssen, eben nicht das wiederzukäuen, was ihnen die Obrigkeit vorsetzt." Wer bitte sind "ihre Schlächter" genau? Was ist "die Obrigkeit"? Wie genau bringt man "die Menschen selbst zum Denken"? Der fatale Fehler den Hans machte war, dass er so abstrakt an die Besserung der Menschheit heran ging, "dass jedes Einzelexemplar dem Ziele recht im Wege war." Vielleicht bringe ich durch diesen Hinweis wenigsten dich ein wenig zum Nachdenken. Viele Grüße Thomas |
27.12.2012, 21:03 | #10 | |
TENEBRAE
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Hi, Thomas!
Kleinigkeiten: Zitat:
Sehr gern mitgelacht! Armes Hänschen! LG, eKy PS: Der richtig zu verwendende Apostroph ist jener auf Shift/Rautetaste (meist gleich links von "Enter"), da er - anders als die französischen Accents bei fälschlicher Anwendung - keine im Deutschen unnötige Leerstelle produziert. (Ist mir bei deinem Text nur so aufgefallen...)
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. Geändert von Erich Kykal (28.12.2012 um 13:27 Uhr) |
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