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Alt 02.06.2014, 12:42   #1
Hans Beislschmidt
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Standard Ich werde 100?

Ich werde 100?

Hab grad gelesen, ich werd dreiundachtzig, wenn nicht noch mehr,
laut Statistik - na wenn nicht ICH, dann wer?
Das heißt, wenn nichts dazwischen kommt, das sagt Statistik meistens nie,
Vorfahrt weg und Herzinfarkt, Störfaktoren – so heißen die.
Die sollte man vermeiden -
und täglich Frischluft tanken – viel Sauerstoff in jedem Fall,
wie lila Kühe auf der Weide weiden
und nicht im engen Stall.
Dagegen Mäuse in Gefangenschaft viel länger leben,
als die Kollegen draußen,
wenn sie an ihren Gitterstäben kleben,
und in ihrem sichren Käfig hausen.
Die Frage ist doch, lässt sich das übertragen,
vom Tierversuch direkt auf unsere Spezies?
Man könnt’ sich auch bei Meridian, Stochastik fragen,
was hätten solch Ergebnisse erhebendes?
Denn so ein Mensch ist doch ein Mensch und steht
viel höher als ein Tier. Der Mensch, ein Wesen, das vernunftbegabt,
dazu noch aufrecht geht
und nicht durch grüne Wiesen trabt und sich an bloßem Wasser labt.
Und doch - rein vom Organischen gesehen, sind wir Tiere,
sogar genetisch sehr verwandt.
Die Chromosomen sind zum Beispiel bei ’nem Schwein
bis auf eines gleich – das ist bekannt.
Der Laie fragt sich nun - wie kann das sein,
ganz ohne Grunzen, Suhlen, Ringelschwanz und Borsten?
Denk ich an meinen Nachbarn, na da fällt mir ein,
so manches Attribut erinnert schon an Thorsten.

Also - mit Eheknast und frischer Luft bin ich jetzt bei Hundert
dazu kommt noch Bewegung – täglich 80 Stufen -
macht zusammen, wer sich wundert
glatte 107 – quasi festgeschrieben. Da kommt wie gerufen
die Langzeitstudie von Eunuchen,
die, man höre und staune, deutlich länger leben,
obwohl - das werd ich eher nicht versuchen,
bleib lieber bei Kollegen,
die noch alles an sich tragen,
denn dies Vergnügen will ich weiter pflegen,
selbst mit dem Risiko Versagen,
bleibt unterm Strich - in jeder Lage,
ein Wohlbefinden – keine Frage.

Doch da wären noch die Wermutstropfen,
die uns die Lebensdauer kürzen,
auch diese gilt es abzuklopfen,
weil sie den Mensch ins Elend stürzen.
Als das da wäre: Stress, Alkohol und Zigaretten,
macht jeweils dreizehn Jahre,
womit wir nur noch vierundsiebzig hätten.
Was? So wenig nur? Das ist wohl nicht das Wahre.

Gib mal den Rechner her – das kann nicht sein,
verdammt, da bleiben nur noch fünfzehn Jahre,
doch Halt!
Rotwein,
da wird man alt
hab ich irgendwo gelesen,
soll sehr gesund sein und Merlot ist grad im Angebot!
Wenn auch die Rotwein-Hypothesen
medizinisch nicht bewiesen – doch grad beim Tod
greift die Statistik nicht,
weil es ums eigene Dasein geht,
weil da jede Norm zerbricht
vor dem, was für mein eignes Leben steht.

So soll’s denn sein … phhhü - ich mach mir nichts aus Zahlen.
Wer raucht und säuft und dabei glücklich lebt,
hat mehr als der Asket, der ständig rechnet, stets mit Qualen
gefehlt zu haben – nur nach gesundem Leben strebt
und sich tagtäglich stranguliert.
Der hat den Film halt nicht kapiert.


Slam Kaiserslautern 2014
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chorch chorch
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Alt 04.06.2014, 22:05   #2
Falderwald
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Moin Hans,

also wenn du dich so aufregst und verausgabst, wirst du bestimmt keine 100.

Ja, was soll man sagen, das klingt wie ein Rap-Text.
Läuft das heute so ab bei den Slams?

Gibt es da gar keine Sonette oder Stanzen?

Also ich finde die Idee sehr gut und einfallsreich durchdacht. Man kann dem roten Faden folgen und es ist ziemlich provokativ wider des spießbürgerlichen Denkens.

Erzähl doch mal was über den Slam, welche Dichter/innen dort teilnehmen, welche Altersgruppen und vor allem welches Zielpublikum damit angesprochen wird.

Das würde mich schon interessieren.


Gerne gelesen und kommentiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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Alt 08.06.2014, 13:14   #3
Hans Beislschmidt
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Moin Falderwald,

vielen Dank für Kommentar und Gedanken.

Wie ich von meiner Arbeit weiß, ist Altwerden kein Zuckerschlecken.
Die Medien stellen das völlig falsch dar. Die agilen, sportlich ambitionierten, geistig quicken gibt es nur in der Kukidentwerbung. Deshalb auch der sarkastische Hintergrund.

Nun, beim Slam läuft es formal so ab: Jeder Slammer hat sieben Minuten. Danach stimmt das Publikum ab und wählt drei Slammer für die Endrunde. Der Applaus entscheidet, wer der Sieger ist. Der Test kann/darf alles sein – Lyrik, Prosa und muss vom Slammer selbst verfasst sein. Nicht erlaubt sind Hilfsmittel wie Singen, Musikinstrumente. Meistens gewinnen die Prosatexte mit witzigem Plot. Sie sind in der Regel im Präsens und in der Ichform geschrieben. Lyrik hat da wenig Chancen für den Sieg, die Leute und die Veranstalter freuen sich aber trotzdem, weil Lyrik eben anders ist und für Abwechslung sorgt. Nun hat sich eine gewisse Slam Lyrik herausgebildet, die ähnlich wie ein Rap funktioniert. Die Wortverdrehungen basieren oft auf Alliterationen und ein erkennbares Metrum gibt es nicht. Die Reime können dicht hintereinander kommen oder wie Enjambements versetzt. Wichtig ist der Sprach Beat, die Prosodie ergibt bei der Performance einen Rhythmus.

Da gibt es natürlich absolute Könner. Bas Boettcher, den ich schon engagiert habe, ist einer davon. Um zu zeigen, was der Junge alles drauf hat, hab ich einen You Tube Link von einer Performance angehängt.
http://www.youtube.com/watch?v=IfCagl4JAOQ
Der Text 2,25 mn lang und mit das Beste, was ich je gehört habe - absolut sensationell!!!


Slam ist kurzlebig, wild und will nur unterhalten. Deshalb gibt es auch wenig Druckwerk. Slammer sehen sich nicht als Überbringer einer Botschaft für die Nachwelt, sondern performen für den Augenblick. Der Spaßfaktor hat oberste Priorität. Es gibt mittlerweile in jeder Stadt regelmäßige Poetry Slams. Sicher auch in Ratzeburg. Slammer habe auch ein eigenes Netzwerk (myslam.de oder facebook Slam Poeten) – das geht alles über User und Follower.

Ich mache dort mit, weil mir die Veranstaltung selbst gefällt und ich manchmal richtige Perlen entdecke. Dass ich dort der mit Abstand älteste Teilnehmer bin, sorgt aber manchmal schon für Verwunderung …. Ach da kommt wieder der Oldie mit seinen Gedichten … hehe

Im Augenblick arbeite ich an einer Poetry Slam Anthologie mit gereimten Slams. Das ist schwierig, denn die meisten Slammer machen Prosa.

Mal sehen, wie es sich entwickelt.

Gruß vom Hans
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chorch chorch

Geändert von Hans Beislschmidt (08.06.2014 um 13:24 Uhr)
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Alt 09.06.2014, 20:14   #4
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Moin Hans,

vielen Dank für die guten Erklärungen, das ist ja wirklich sehr interessant.
Ich habe mir auch das Video angeschaut und ich muss sagen, Respekt, der Mann hats drauf und sein Auftritt hat mir gut gefallen. Er war witzig, einfallsreich und unterhaltsam.

In Ratzeburg haben wir bisher leider kein solches Event gehabt, zumindest ist mir keines bekannt. Aber Hamburg soll ja eine Hochburg sein.

Auf jeden Fall hat es mein Interesse geweckt, auch wenn meine Lyrik da sicherlich nicht angebracht wäre.
Wenn ich Zeit habe, werde ich mich in Hamburg mal umschauen, wann und wo es den nächsten Poetry-Slam gibt.
Das wird bestimmt lustig...


Liebe Grüße

Bis bald

FAlderwald
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