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27.10.2014, 19:06 | #1 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Na und I+II
Na und (I+II)
Jetzt ist es passiert. In meiner Nachbarschaft. Alle sind aufgebracht, würden den Kerl am liebsten lynchen. Seine neunjährige Tochter soll er sexuell missbraucht haben, auf grauenvolle Weise. In der Kneipe erzählen sie die blutigen Details. Offensichtlich langweilt das nur einen – mich, während alle anderen es nicht fassen können. Der angetrunkene und verzweifelte Bruder des Täters droht ihn umzubringen, spricht von Familienschande und dem Riesenkerl strömen Tränen aus den Augen, als er sein Mitleid bekundet, mit seiner kleinen Nichte. Mich lässt es natürlich ebenfalls nicht unberührt, aber ich finde es nicht unbegreiflich, mich langweilt ‘s, spreche von alten Mäuseböcken, von denen ich schon lange weiß, dass es nicht ungewöhnlich ist, die eigenen, noch nicht geschlechtsreifen Töchter, zu besteigen. Nun will mich die aufgebrachte Meute verprügeln. Kann ich verstehen. Ich mache mich auf den Weg nach Hause. Der Bürgersteig spielt mir einen Streich, schwankt stark, kann mich aber nicht überraschen. Plötzlich spüre ich irgendetwas Hartes an meinem Rücken. Jemand will mir mein Geld abknöpfen. Ich drehe mich mit einem leichten Schlenker um, zeige mich von seinem auf mich gerichteten Schießeisen unbeeindruckt, schlage ihm mit meiner starken Rechten die Nase ein. Er stolpert rückwärts, fällt zu Boden, glotzt mich ungläubig an. Ich zücke mein Portemonnaie, schüttele den gesamten Inhalt aus, über dem wie gelähmt auf dem Asphalt liegenden Ganoven. Die fünfzig Euro hat er sich redlich verdient, denn so wie bei dem habe ich mich noch nirgends gelangweilt. * Na und II Dieses Wochenende treibt es mich in die Kneipe, um zu erfahren, ob es Neuigkeiten im Fall des Kinderschänders gibt. Sein Bruder hockt auch wieder an der Theke. Er will immer noch seinen in Untersuchungshaft sitzenden Bruder verprügeln. Mit einer Peitsche aus Stacheldraht solle er doch auf das Gehänge des Missetäters einschlagen, empfiehlt ein Gast. Man erhofft sich so, das kleine Mädchen zu rächen. Zur gleichen Abendstunde liegt die Missbrauchte in ihrem Bett und kann keinen Schlaf finden. Jeden Freitagabend haben der Onkel und ihr Vater in freundschaftlicher Eintracht gemeinsam ihr Bierchen getrunken. Sie weiß, dass der Onkel ihm sehr wehtun wird. Doch bei der Neunjährigen will sich kein Gefühl von Genugtuung einstellen. Sie versteht nur wenig von Moral, Schuld und Sühne. Sie möchte nicht, dass die Brüder sich entzweien. Ihren Vater liebt sie trotz allem, aber er hätte das nicht machen dürfen mit ihr. Es geschah ja auch nicht in jeder Freitagnacht, wenn er betrunken nach Hause kam. Nun macht sie sich sogar Vorwürfe, dass sie ihrer vom Vater getrennt lebenden Mutter etwas gesagt hatte, nur zaghaft und beschämt. Da habe die Mutter alles aus ihr rausbekommen und sie fühlte sich anfangs auch erleichtert. Aber nun. In der Kneipe, der Onkel, er weiß nichts von den Emotionen und Ängsten der Kinder. Und mir kommt sein Geschwätz selbstgerecht vor. Soll ich ihm von den Kindern erzählen, und dass er gefälligst auf seine Nichte Rücksicht nehmen, er ihren Vater nicht mehr als Monster bezeichnen, sondern die Kleine trösten solle. Nehmen wir an, der Onkel hätte mit ihr gesprochen. Wieder sehen wir ein Mädchen vor uns, in ihrem Bett liegend, aber jetzt nicht mehr beunruhigt. Es hat ihr gutgetan, als der Onkel ihr gesagt hatte, er glaube, ihr Vater sei kein bösartiger Mensch; er könne sich wahrscheinlich selber nicht erklären, was ihn von Zeit zu Zeit beherrscht; vielleicht sei er krank, und dass er ihm helfen werde davon loszukommen, wenn es möglich sei. Sie bräuchte sich nun nicht mehr sorgen, dass ihre Offenbarung an die Mutter zum Auseinanderbrechen der Freundschaft von Vater und Onkel führe. So fällt sie in einen ruhigen Schlaf.
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"Wir befinden uns stets mitten im Weltgeschehen, tun aber gerne so, als hätten wir alles im Blick." (Fenek) |
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