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Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

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Alt 08.05.2009, 10:38   #1
fee
asphaltwaldwesen
 
Registriert seit: 31.03.2009
Ort: österreich
Beiträge: 961
Standard narkose, die erste

ich fühl mich heut so ausgehebelt.
man hat mir meinen kopf vernebelt.
was soll ich hier? wo steh ich jetzt?
ist mein platz frei oder besetzt?

wo will ich hin? zu welchem zweck?
ich war doch bloß zwei stunden weg.
und doch ist in mir was zerrissen,
ein stück des fadens durchgebissen,

dem ich beharrlich folgen wollte.
war's das, was ich auf erden sollte?
zwei stunden nur stellen in frage
wofür ich mich woran schwer trage...

vielleicht ist's gut so. könnt doch sein.
längst nötig schon mich zu befrein
von all dem „das gehört sich so“
und „arbeit macht das leben froh“.

das leben? fühlt selbst keinen schmerz.
nicht glück, nicht freude. welch ein scherz!
doch ICH , ich arbeit vor mich hin,
such im gut-funktioniern den sinn.

das hat man mir so eingetrichtert.
hatt' meinen faden dran gesichert.
doch der ging, als ich schlief, entzwei.
jetzt ist er ab. ich starte neu.



.fee ´ 09
__________________
"Gedichte sind Geschenke an die Aufmerksamen" Paul Celan
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Alt 09.05.2009, 09:31   #2
a.c.larin
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 14.03.2009
Ort: wien
Beiträge: 4.893
Standard

liebe fee,
gar nicht so schlecht, mal ganz neu zu starten - ohne alte glaubenssätze!
möglicherweise ein schritt zu mehr freiheit?
wenn sich der narkotische nebel erst gelichtet hat , könnt die erlebte verwunderung doch anlass geben zu - jetzt mehr bewusster - entrümpelung.
( und mancher alte glaubenssatz darf dann auch wieder sein ehrenplatzerl bekommen....)
solange die fäden , an denen wir hängen , uns nicht die kehle abschnüren,
sind sie ja auch material für allerhand buntes strickwerk....

immer schön locker abketten
meint
larin
__________________
Cogito dichto sum - ich dichte, also bin ich!
a.c.larin ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 09.05.2009, 09:54   #3
Leier
gesperrte Senorissima
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Pfalz
Beiträge: 4.134
Standard

Liebe fee,


das "man" in der ersten Zeile irritiert mich. Es klingt für mich so ominös.
Ansonsten schließe ich mich larin an:
Es gilt, so manche Nabelschnur zu durchtrennen.
Das Gedicht ist sehr vieldeutig. Es kann sowohl von einem Verlassenwerden die Rede sein als auch von einer jähen Erkenntnis ohne äußeren Anlaß.
Aber warum "narkose" als titel?
Hat LyrIch bis zum Neustart gewissermaßen in Narkose verharrt?
Auf jeden Fall ist das Gedicht gut gelungen und mir gefällt es. Weil ich mich zum Teil darin wiedererkennen kann.

Lieben Gruß
von
cyparis
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Alt 09.05.2009, 10:37   #4
fee
asphaltwaldwesen
 
Registriert seit: 31.03.2009
Ort: österreich
Beiträge: 961
Standard

liebe larin,


ja, du sprichst mir aus der seele. alte glaubenssätze brauchen oft ein einschneidendes erlebnis, einen moment, der einen zum innehalten und perspektivenwechsel zwingt, um sie als "ausgedient" der "nicht-meine" zu erkennen und abzustoßen.

entrümpelung, die freier nicht machen könnte.
jede krise ist gewissermaßen anlass für einen mehr oder weniger großen befreiungsschlag in richtung "eigenes ICH".

Zitat:
Zitat von cyparis Beitrag anzeigen
Liebe fee,


das "man" in der ersten Zeile irritiert mich. Es klingt für mich so ominös.
...

Aber warum "narkose" als titel?
Hat LyrIch bis zum Neustart gewissermaßen in Narkose verharrt?

liebe cyparis,


natürlich funktioniert das gedicht auch in dem von dir metaphorisch gelesenen sinne.

es war aber hier tatsächlich mein empfinden am tag nach der narkose (meiner ersten überhaupt - daher der titel), als das letzte dröge machende schwummergefühl verflogen und meine gefühle und gedanken wieder zur ordnung überzugehen bereit waren.

da war etwas, das "bearbeitet" und "angesehen" werden wollte - ein gradezu drängendes gefühl, wenn auch diffus. ich habe versucht es in worte zu fassen (s.o.). es waren "doch nur zwei stunden schlaf" und dennoch (vielleicht angesichts des unbewusst doch stark wahrgenommenen risikos, das eben bei narkosen immer besteht..sei es auch noch so gering) waren es zwei stunden, in denen sich die welt ohne mich weitergedreht hat - im angesicht meiner eigenen vergänglichkeit.

anders wahrgenommen als die zeit, die vergeht, wenn wir tatsächlich schlafen. keine ahnung, warum das so ist.

das ominöse "man"... vielleicht der versuch des lyrIch (in diesem falle also mir selbst) von sich zu schieben, dass das eigene leben vertrauensvoll in fremde hände gelegt wurde (werden musste). kontrollabgabe pur.

das "man" als ein distanz-erzeugen im entpersonalisieren... nur eine vermutung. manchmal schreibe ich und wenn ich es danach lese, verrät es mir mehr über mich und meine empfindungen, als mir beim schreiben bewusst war.

da ich ansatzweise in logotherapie ausgebildet bin, hat das wort, das wir sprechen und schreiben für mich stets noch ein erweitertes spektrum an aussagekraft. und manchmal kann ich eben sogar zwischen meinen eigenen zeilen etwas über mich lesen, das ich sonst nicht in mir gehört hätte...


ich hoffe, mein erklärungsversuch hat mehr geklärt als verkompliziert.


lieber gruß euch beiden,


fee
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"Gedichte sind Geschenke an die Aufmerksamen" Paul Celan
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