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Kurzgeschichten Geschichten, Erzählungen, Märchen, Fabeln |
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29.12.2016, 02:21 | #1 |
Neuer Eiland-Dichter
Registriert seit: 09.09.2015
Ort: Rosaheim
Beiträge: 24
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(Verkehrs)erziehung
Nailloux konnte man über zwei verschiedene Autobahnausfahrten erreichen.
Von beiden Seiten aus hatte man dann noch ein paar Kilometer Landstraße zu fahren um in die Kleinstadt zu gelangen. Von der A66 kommend musste man dazu auf einer, auf 70 km/h beschränkten Teilstrecke eine elektronische Geschwindigkeitsanzeigetafel passieren. Diese zeigte lediglich die aktuell gefahrene Geschwindigkeit an, solange man unter den vorgeschriebenen 70 Km/h blieb. Sobald man jedoch die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritt, wurde man darüber hinaus von einem blinkenden Frowney über diese kleine Verkehrssünde in Kenntnis gesetzt. Kam man von der A61, hatte man zunächst das Dorf Gardouch zu passieren um den Zielort zu erreichen. Auch in Gardouch befand sich ein LED Geschwindigkeitsdisplay, welches die Kraftfahrzeugführer dazu anhalten sollte die innerhalb der Ortschaft zulässigen 50 Km/h einzuhalten. Auf der Tafel blinkte ein „trop vite“ (zu schnell) wenn man schneller als 50 fuhr. Hielt man sich aber an die Geschwindigkeitsbegrenzung, so erschien ein großes „MERCI“ (Danke) auf dem LED Display. In der letzten Zeit begab ich mich mehrere Male, von beiden Seiten, in den genannten Ort. Mir fiel dabei auf, dass ich, von der A61 aus kommend, auch wenn ich oft erst zu schnell in die Ortschaft einfuhr, keine große Mühe hatte mein Fahrzeug stets soweit abzubremsen bis das magische Wort MERCI auf der Anzeigetafel erschien. Kam ich von der A66 aus, versuchte ich anfangs die vorgegebene Geschwindigkeit einzuhalten, ertappte mich am Ende aber oft dabei dennoch zu schnell zu fahren. In Abwesenheit irgendeiner Form von Anerkennung, welcher es ja eigentlich nicht bedurfte, denn mit dem Einhalten der vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeit erfüllte ich ja nur eine Vorschrift, sprich eine Erwartung, versuchte ich trotzdem der elektronischen Maschine eine Bestätigung meines augenblicklichen Daseins abzuringen, indem ich ihr eine menschliche Geste abnötigte. Bewußt oder unbewußt, bevorzugte ich das Existenzminimum, das mir selbst der ablehnende Ausdruck eines symbolischen Gesichtes noch sicherte, einer unbeachteten Folgsamkeit. Geändert von Frank Reich (29.12.2016 um 08:43 Uhr) |
29.12.2016, 09:33 | #2 |
TENEBRAE
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
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Hi Frank!
Sehr gut! Zutiefst menschlich und zugleich die Isolation und das Gefühlsdefizit der modernen Gesellschaft sublim anprangernd! Erdacht oder tatsächlich so passiert? In jedem Falle ein toller Text, aber im Falle eines kompletten Selbsterdenkens wäre es eine noch formidablere literarische Leistung! Sehr gern gelesen! LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
30.12.2016, 17:43 | #3 |
Neuer Eiland-Dichter
Registriert seit: 09.09.2015
Ort: Rosaheim
Beiträge: 24
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Hallo Erich,
vielen Dank fürs Lesen und für Deine Zeilen. Der Text war schon in enger Realitätsanlehnung geschrieben, weshalb die literarische Formidabilität denn auch relativisiert sein will. Vordergründig ging es mir nicht darum, Isolation und Gefühlsdefizit - unsere treuen Begleiter und Beifahrer in einer immer mehr zur touchscreen society verkommenden Gesellschaft - anzusprechen. Ich wollte vielmehr die erzieherische Wirkung von menschlichem und selbst unmenschlichem "Lob, Anerkennung, Bestätigung" als positives oder negatives Motivations- bzw. Lebenselixier literarisch hinterleuchten. War erstaunt wie das mich selbst, zumindest unterbewußt in dieser Situation beeinflussen konnte. Kann die "Kiddies" und pubertierenden "Ado's" jetzt, in diesem Sinne, auch besser verstehen. Dir und den Insulanern einen guten Rutsch wünschend LG Frank Reich |
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