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Alt 08.01.2017, 08:43   #1
Angelika
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Standard Wohin mit dem Weltschmerz?

Die Welt ist ja so groß und unerklärlich.
Man sitzt in den vier Wänden vor sich hin
als Mensch und Mann und kleine Bürgerin.
Nicht unbequem, da sind wir doch mal ehrlich.

Die Menschheit stellt sich gegenwärtig taub.
Sie hat zu tun mit sich. Und keine Zeit.
Durchforscht jetzt ihre kranke Seele breit,
bewältigt ihren Alltag – mit Verlaub!

Fürs Überleben steigt der Aktienpreis.
Und keiner ahnt, was ihn das scheren muss.
Ansonsten nichts als heißer Brei und Stuss.
Nur manchmal ziept es uns im Herzen leis.

Es wird geredet. Aber nichts getan.
Die Sorgen kommen wieder, falls sie gehn.
Dass überhaupt und so, das ist obszön!
So rollt hinweg des Menschen Lebensbahn.

Die Welt ist ja so groß und höchst gefährlich.
Und keiner, der uns mal erklären kann,
warum es liegt und notfalls auch, woran.
Und wir stehn da, uns selber unerklärlich.

Geändert von Angelika (08.01.2017 um 18:27 Uhr)
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Alt 08.01.2017, 15:49   #2
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Standard

Hi Angelika!

Ein Schnellschuss? Jedenfalls wieder ein typisches Beispiel für deine bisweilen seltsam durchmischte Sprachhabung, die an manchen Stellen linguistische Flapsigkeit oder Tapsigkeit mit "modernem Stil" verwechselt. (Was natürlich kein allgemeines Werturteil darstellt, sondern bloß meinen ganz ureigenen Eindruck wiedergibt, der natürlich aufgrund persönlicher Wahrnehmungsfilter nur gänzlich subjektiv sein kann.)

Die Welt ist ja so groß und unerklärlich.
Man sitzt in den vier Wänden vor sich hin
als Mensch und Mann und Bürgerin. Zeile hat nur vier Heber.
Nicht unbequem, da sind wir doch mal ehrlich.

Die Menschheit stellt sich gegenwärtig taub.
Sie hat zu tun mit sich. Und keine Zeit.
Durchforscht jetzt ihre kranke Seele breit, Das "breit" ist dem Reim geschuldet und passt so gar nicht in diese Formulierung.
bewältigt ihren Alltag – mit Verlaub!

Fürs Überleben steigt der Aktienpreis. Hier wäre ein Komma am Zeilenende besser.
Und keiner ahnt, was ihn das scheren muss.
Ansonsten nichts als heißer Brei und Stuss.
Nur manchmal ziept es uns im Herzen leis. Durch das einsam nachgestellte Adjektiv "leis" (wieder dem Reim geschuldet) wirkt die Formulierung sprachlich ein klein wenig unelegant.

Es wird geredet. Aber nichts getan. In der Zeilenmitte wäre hier ein Komma probater - man kann es mit den kurzen Sätzen auch übertreiben.
Die Sorgen kommen wieder, falls sie gehn.
Dass überhaupt und so, das ist obszön. Das "das" nach dem Komma würde ich zur Vermeidung der phonetischen Wortwiederholung mit "Dass" am Zeilenanfang durch ein "es" ersetzen oder nach dem Komma so formlieren: "..., ist schon obszön.".
So rollt hinweg des Menschen Lebensbahn. AUF einer Lebensbahn kann etwas "rollen", aber die Lebensbahn SELBST rollt nicht, ist bestenfalls kurvig oder verschlungen - die Bilder widersprechen sich.

Die Welt ist ja so groß und höchst gefährlich. Besser Komma - Sätze mit "Und .." zu beginnen, kommt selten gut.
Und keiner, der uns mal erklären kann,
warum es liegt und notfalls auch, woran. "warum es liegt"? - Warum WAS liegt? Oder stand hier ursprünglich das "woran" vorneweg und die Zeile wurde nach der Umstellung nicht mehr korrekturgelesen?
Und wir stehn da, uns selber unerklärlich.


Inhaltlich haben wir hier das Lamento einer offenbar von der Welt überforderten und enttäuschten Seele - eigentlich ganz meine Linie, wiewohl ich selbst in eigenen Werken eher den enttäuschten Part präferiere!

Gern gelesen.

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
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Alt 08.01.2017, 18:22   #3
Angelika
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Erich, wir beide kommen nicht klar. Du wirst mir das übelnehmen, wenn ich dir sage, dass du das Gedicht eigentlich nicht verstanden hast, weil es nicht in deine eigenen Vorstellungen passt. So ist der Mensch gebaut.

Ein gutes Beispiel für diese meine Behauptung ist deine Anmerkung zur Lebensbahn. Du hast recht, es ist ein abstraktes Wort, aber ich mache daraus eine wirkliche Bahn, und deshalb rollt sie. Das ist ein Sprachwitz. Schade, kommt nicht bei dir an.

Danke für den Hinweis, dass ich wieder mal die Heber nicht gezählt habe. Wird sofort korrigiert.

Was du zur Sprache sagst, weist doch darauf hin, Erich, nimm's mir nicht übel, dass du ziemlich enge Vorstellungen davon hast, wie man ein Gedicht "zu schreiben hat". Man hat ein Gedicht überhaupt nicht "zu schreiben". Zerrede doch nicht alles. Man kann es so oder so schreiben. Und man kann ein Gedicht auf vielen Sprachebenen schreiben, nicht nur auf einer. Vielleicht kann ich dir das mal verdeutlichen, was ich meine: Zum Beispiel unterscheidet sich die Sprache der Diplomatie enorm von der Sprache des Durchschnittsbürgers. Das ist mit Sprachebene gemeint, die Verschiedenheit des sprachlichen Ausdrucks. Es muss nicht immer alles "eene Soße" sein, sozusagen beim Damennachmittagstee zelebriert.

Natürlich, "breit" und "leis" ist natürlich dem Reim geschuldet! Was ist dagegen einzuwenden? Ist doch ein Reimgedicht. Passt außerdem ganz gut ins Burschikose des Berliners.

Erich, jeder Punkt hat bei mir seine Berechtigung. Wenn ich eine Aufzählung schreiben will, mache ich natürlich ein Komma. Aber es ist keine Aufzählung. Da kommen zwei Dinge zusammen, die aber jedes für sich so starke Bedeutung haben, dass ich sie betonen muss. Deshalb der Punkt. Dasselbe trifft auf die Zeile "Es wird geredet. Aber nichts getan" zu.

Die Zeile "Dass überhaupt und so, das ist obszön." Da hörst du nur den Klang und übersiehst den Inhalt, wenn du meinst, es wäre eine phonetische Wortwiederholung. Ist es nicht. Im Grunde ist es die Äußerung des Bürgers, der spricht eben nicht lehrbuchgerecht. Ich werde mal am Ende ein Ausrufezeichen setzen.

Die Zeile "warum es liegt und auch, woran" ist wiederum ein Sprachwitz. Die Zeile erklärt sich, aber erst nach dem "woran".

Was du aber nicht bemerkt hast, ist: Ich habe die 1. und die letzte Strophe mit anderen Kadenzen geschrieben, so andeutend, dass sich hier zwei Leute äußern. Vielleicht wird dir das Gedicht nach dieser Information dann verständlich - einer beklagt sich, der andere fabuliert und rätselt, dass und warum was ist und was nicht.

Erich, nun halt mich doch nicht für eine Anfängerin, natürlich lese ich Korrektur. Was soll das? Ich bin ja auch immer bereit, etwas zu korrigieren, wenn ich den Sinn dessen einsehe, was du monierst. Ganz nebenbei, du bist ganz schön von dir überzeugt, mein lieber Erich. So, das darfst du mir übelnehmen.

Angelika

Geändert von Angelika (08.01.2017 um 18:35 Uhr)
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Alt 08.01.2017, 19:15   #4
Erich Kykal
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Hi Angelika!

Wie leichthin du abschmettern kannst, was die Logik gebietet: Ich hatte es erklärt: Nicht die Bahn "rollt", sondern etwas darauf!

Und deine nachgeschobene Erklärung, du meintest eigentlich einen Zug, also das Vehikel, das auf der Bahn der Geleise "rollt", so wäre das als Bild doppelt gemoppelt: eine "Lebensbahn" (Zug), die selbst auf einer (weiteren) Bahn, nämlich jener der Schienen rollt!
Zudem weist sonst nichts im Text darauf hin, dass du Lok und Waggons meinst und nicht die "Bahn" der Schienen, die man eigentlich und im Grunde mit einem Synonym wie "Lebensbahn" verbindet. Das ist in höchstem Maße missverstandlich und führt zwangsweise zur Fehlinterpretation.

Liebe Angelika, nicht ich komme mit dir nicht zurecht - du bist es, die mit den Ausdrucks- und Deutungspotentialen sowie -möglichkeiten der Sprache nicht zurechkommt.

"Das" und "Dass" sind phonetisch sehr nah, man kann hier durchaus von einer - eben phonetischen, also klanglichen - Wortwiederholung sprechen.

Nur aus einem Wechsel der Kadenzen auf ZWEI verschiedene LyrIchs schließen zu sollen, die ein lockeres Gespräch führen, halte ich für eine unmögliche Übung. Auch inhaltlich divergieren die besagten Gedichtteile nicht so, dass daraus eine Beteiligung zweier Protagonisten ersichtlich wäre! Derlei als erkennbar vorauszusetzen - bzw. das Nichterkennen dann einem Kommentator quasi als Mangel an analytischer Fähigkeit unterzujubeln, ist - frech.


Dass ich von mir überzeugt bin, stimmt nur teilweise. Selbstbewusst bin ich nur bezüglich meines Gespürs für lyrische Ausdrucksmöglichkeiten und Sprachhabung.
Andererseits dränge ich meine Tipps und Vorschläge niemandem auf und verlange auch keine Rechtfertigungen, wenn man ihnen nicht folgt. Ich bedaure dann bestenfalls das nach meinen geschmacklichen Maßgaben verkrüppelt bleibende Gedicht, aber ich weiß natürlich, dass dies mein subjektiver Eindruck ist und werde auch nicht müde, das immer wieder - wie übrigens auch in meinem vorhergehenden Kommi - mal anzuführen (was du in deinen Kommis eher nicht tust, wenn du ein Werk kritisierst - da klingt es dann bisweilen wie die wenig empathisch formulierte unverrückbare Verkündung einer literarischen Tatsache )!

Nett, dass du mir gestattest, dir etwas übel zu nehmen. - Aber nein danke, kein Bedarf. Nebenbei gesagt kommentiere ich auch viele deiner Gedichte durchaus positiv bis offen lobend. Kommen wir dort etwa auch nicht zusammen?

LG, eKy
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Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
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