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20.02.2018, 21:12 | #1 |
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Beinahe ein Dithyrambus
Niemals verstehst du die Frauen und sinnlos
bleibt dein Begehr, weibliche Wünsche auch nur zu erahnen, bald gehst du unter mit wehenden Fahnen, Hoffen und Bangen, das hilft dir nicht sehr. Du wirst mit Gewissheit den Glauben verlieren, der Teufel wird eher im Orkus erfrieren, ehe die Männer die Weiber verstehen - fragen doch auch Götter verzweifelt mit runzelnden Stirnen: Was da so vorgeht in weiblichen Hirnen; schamhaft gestehn sie: Wir stehn auf dem Schlauch. So langsam beginnt der Gedanke zu reifen: Wir werden euch lieben, doch niemals begreifen. Reicht mir die Hände, ihr göttlichen Frauen, schenkt mir Vertraun, lasst mich am schneeweißen Busen vergehen , euch in die sternhellen Blauäuglein sehen, uns in den Himmel der Liebe nur schaun. Ihr seid ja für mich aller Ursprung des Lebens, doch - euch verstehen zu können, ist leider vergebens. Geändert von Felix (24.02.2018 um 12:47 Uhr) |
21.02.2018, 13:17 | #2 |
Gast
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Wahrlich, Du flichtst uns zierliche Zeilen zum artigen Spiel,
Glücklich zu preisen bist Du: Witz und Geist stehn Dir bei! -------------------------------------- Der Dithyrambus ist in der deutschen Lyrik, soweit ich weiß, reichlich unscharf definiert... ein Gesang in einem feierlich-hymnischen Gestus und m. W. ohne besondere formale Vorgaben bzgl. Strophenform oder Reimschema. In jedem Fall ist es aber sprachlich eine ziemlich hochgetönte bis pathetische Angelegenheit. Das vorliegende Beispiel spielt wunderbar mit dieser hymnischen Sprechhaltung, indem die antikisierende, feierliche Sprache mit allerlei dem Umgangssprachlichen abgelauschten Ausdrücken (was da so vorgeht, stehn auf dem Schlauch) durchsetzt wird und in feierlichem Gesang die "Binsenweisheit", dass Männer Frauen einfach nicht verstehen können, verkündet wird. Und auch wenn der Dithyrambus eigentlich keiner besonderen Formvorschrift genüge tun muss, wird hier doch im Zeilenbild und Reimschema ein sehr bekannter Gattungsvertreter von Schiller zitiert, der - für Schillersche Verhältnisse durchaus mit Humor - die Hybris des Dichters, der sich zu den Göttern emporschwingen will, aufgreift. Durchaus passend also als Vorlage für ein Gedicht über die Verwegenheit männlicher Phantasie, sich in weibliche Höhen des Verständnisses erheben zu wollen. Und um eine unübersichtliche Länglichkeit zu vermeiden, hier separat noch ein paar Nichtigkeiten: - Die Doppelklängigkeit von eher - ehe in Z. 7/8 könnte durchaus erwünscht sein, also alles wunderbar, ich ganz persönlich höre etwas dagegen an und würde das "eher" evtl. durch "lang schon" oder "leichter" o.ä. ersetzen oder aber das "ehe" durch "bis je" (wobei das dann keinen sehr klaren Betonungsschwerpunkt setzt). - Die Wdh. "gestehn sie: wir stehn" find ich übrigens wonniglich! - Ist es Absicht, dass "Frauen" sich nicht scharf auf "Vertraun" reimt? Aus Anlehnung an das Schillersche Schema? - Bei "Blauaugen" stoße ich mich ein wenig an dem au-au-Klang (und der Ähnlichkeit mit Blaualgen); wie wäre es mit: "Euch in das sternhelle Augenblau sehen"? - "Ihr seid ja für mich aller Ursprung des Lebens" liest sich für mich etwas schwierig, weil "Ihr" und "seid" sich ein wenig um die Hebung streiten (kann natürlich auch ein sehr gewünschter Effekt sein, klar... ). Mir ginge z.B.: "Denn Ihr seid der Ursprung der Welt und des Lebens" (mit kleiner kunstgeschichtlicher Anspielung... ) etwas leichter von den Lippen. - "Euch verstehen zu wollen" gefiele mir persönlich besser als "Euch verstehen zu können", weil ein vergebliches Wollen für mich sinnvoller klingt als ein vergebliches Können (wäre das ein Können, das gelingt aber nichts bringt oder ein Können, das nicht einmal gelingt und wäre es dann im letzten Fall überhaupt ein Können... *schwurbel* ) Unbenommen dieser Spitzfindigkeiten große Begeisterung meinerseits! Geändert von Chavali (21.02.2018 um 17:52 Uhr) Grund: Doppelpost: 2 Beiträge zuammengeführt |
21.02.2018, 16:44 | #3 |
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Lieber sufnus,
der Schiller- Dithyrambus "Nimmer, das glaubt mir..." war (Du hast es sofort erkannt) verstechnisch und reimschematisch das Vorbild für diese nicht ganz so ernst gemeinten Verse (inkl. der alltagssprachlichen Abweichungen vom hohen pathetischen Stil. Frauen - Vertraun - ich habe aus den Frauen Weiber gemacht, damit der jeweils erste Vers in den drei Strophen als Waise stehen bleibt. Die anderen Hinweise zeigen mir, wie intensiv Du das Ding zerlegt hast, aber Du wirst mir nicht böse sein, wenn ich den Rest stehen lasse. Zuviel der Mühe für einen Versuch, dem Schiller ein bisschen näher zu kommen. Vielen Dank für Dein Reinschauen und für Dein Lob! Felix |
21.02.2018, 18:46 | #4 | |
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Zitat:
Je besser das Gedicht, desto gerechtfertigter die Mühen... in diesem Fall ist jede Mühe die Mühe wert! |
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