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06.06.2009, 00:16 | #1 |
Perlensammlerin
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Beiträge: 143
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dunkle anziehung
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dunkle anziehung ich reklamiere sorgsam meine sorgen für mich schneide mir kantige löcher in die stirne spüre träge meine knochenlosen glieder krieche hinab in mein bett bin längst schattengast ewig ein notfall eine erfolglose aufgabe verschone mich mit deinem fruchttee veredit©09 |
07.06.2009, 16:03 | #2 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Beiträge: 4.893
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liebe veredit,
dieser text erinnert mich an etwas, das ich mal als junges mädel in mein tagebuch schrieb: "oft hat man nur deshalb ein wirklich schweres herz, weil einen die anderen nicht einfach mal auch traurig sein lassen können.." so versteh ich jedenfalls deine sorgenreklamation. und einen untröstlichen menschen mit fruchttee trösten zu wollen ist ja auch ein wenig blasphemisch. "gut gemeint" und "gut"( im sinne von: passend) ist halt nicht ganz das gleiche! es fällt ja auch so schwer, die ohnmacht des "im-augenblick- nicht -helfen -könnens" anzuerkennen! ein wort würde ich tauschen: ich reklamiere sorgsam meine nöte für mich... (wegen der wortwiederholung :sorgsam-sorgen) alles in allem eine sehr schön bebildete "regression im dienste des Ich "( so würden das die psychologen nennen) liebe grüße larin
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Cogito dichto sum - ich dichte, also bin ich! Geändert von a.c.larin (07.06.2009 um 16:04 Uhr) |
08.06.2009, 21:57 | #3 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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hallo liebe veredit...
in meinen augen ist diese werk sehr zwiegespalten, so zumindest das was es für mich im ersten moment vermittelt, es klingt sehr sezierend, durch die aneinanderreihung von ereignissen und deswegen macht es dieses werk umso interessanter... natürlich fragt man sich, "dunkle anziehung"...was bedeutet dies...die hinwendung zur dunklen seite und dies sogar zu brauchen oder zu mögen, in diesem Fall, in dem Werk, die Sorge, wobei sich das reklamieren an sich schon sehr anziehend an hört, wie ein ich brauche die Sorge...dann folgt eine Aufzählung und die Schlußsequenz... "verschone mich mit deinem Fruchttee" klingt sehr mächtig, als ob die Person die in scheinbaren Nöten ist, diese dazu nützt Macht auszuüben oder will sie wirklich allein sein, vllt ja, vllt nein dann wäre es aber keine Anziehung...für mich hört sich das Stück eher so an, als ob mit den scheinbaren Sorgen eher ein Druck ausgeübt wird...aber wie gesagt das werk ist sehr mysteriös und dadurch sehr interessant... liebe grüße basse
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© Bilder by ginton Ich fühle, also bin ich! Alles, was einmal war, ist immer noch, nur in einer anderen Form. (Hopi) nichts bleibt, nichts ist abgeschlossen und nichts ist perfekt... (Wabi-Sabi)
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08.06.2009, 22:46 | #4 |
Perlensammlerin
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Beiträge: 143
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Liebe larin, lieber basse, vielen Dank für Eure reflektiven und überaus ausführlichen Kommentare. Ich möchte sie mal beide zusammen beantworten, denn aus meiner Antwort auf basses Kommentar ergibt sich automatisch die Antwort larin auf Deinen. Bei meiner "dunklen anziehung" geht es nicht um die "kleinen sorgen oder nöte", gemeint ist hier und das scheint ja auch, zum mindest teilweise so gelesen werden zu können, denn basse hat es äußerst gekonnt, feinfühlig "erspürt" um eine Depression - eine Variante dieser vielfältigen Krankheit. Ich arbeite tagtäglich damit und kenne viel ihre Facetten. Häufig wird die Depression instrumentalisiert, der/die Depressive hat es sich durchaus auch schon ein wenig "eingerichtet" in seiner Erkrankung - nicht ahnend, wohin ihn das führen könnte. Die dunkle Seite der Macht hat durchaus in einem bestimmten Stadium etwas scheinbar "Attraktives", auch läßt sie sich, wenn auch oft ein Trugschluss, "benutzen", um den Rückzug, der ja so verlockend erscheint durchzusetzen. Es geht hier nicht um eine Wertung, um das ganz klar zu sagen und darum bin ich sehr froh, dass auch da ein Interpretationsspielraum für den Leser offengeblieben zu sein scheint. Ist es mir doch wichtig, den Leser selbst auch gerade in diesen Text miteinzubeziehen. Nein liebe larin, ich möchte ausnahmsweise mal die Doppellung so stehen lassen, nicht nur weil ich hier den Klang, der mir gefällt besser finde, als das für mich sich sonst zu stark absetzende Wort Nöte... es geht auch mehr um die Semantik des Begriffs Sorgen und diese wollte ich zum Ausdruck bringen... das Sorgen um die Sorgen..ja vllt. auch das brauchen. ich möchte Euch beiden sehr danken für die wirklich schönen Kommentare zu diesem für mich sehr wichtigen Gedicht ganz liebe Grüße veredit |
08.06.2009, 22:52 | #5 |
Gast
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Hallo veredit, also ehrlich, der Fruchttee stört mich, irgendwie. Was soll der? Er wirkt dem Gesamtbild störend esoterisch. Bekanntermaßen scrolle ich derweil über die Anderen hinweg, um mich nicht beeinflussbar zu sehen. Mir gefällt einzig:
ich reklamiere sorgsam meine sorgen für mich Allein diese Zeilen erreichen mich tief. Insofern sind deine Verse inhaltlich nachvollziehbar, wenn auch nicht gänzlich, doch die Quintessenz ist seltsam klar; insofern, das das LyI sich kantige Löscher in die Stirn zu schneiden versucht. Die Metapher ist unerreicht. Nicht nichtens. Mein Gott, was für ein Tiefgang. Danke. alles liebe, Helene |
09.06.2009, 02:05 | #6 |
Perlensammlerin
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Liebe helene, nu da ich selber überhaupt nicht esoterisch bin...und der Tee auch so nicht gemeint ist...tja...was soll ich sagen.. ich finde es gut, dass Du für Dich dennoch etwas Treffendes in dem Text gefunden hast und danke Dir für Deine Anerkennung... liebe Nachtgrüße veredit |
09.06.2009, 15:17 | #7 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Beiträge: 4.893
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liebe helene, liebe veredit,
es ist immer wieder erstaunlich , wie unterschiedlich die assoziationen sein können, die bestimmte worte auslösen. gerade den "fruchttee" kann ich in diesem gedicht sehr gut nachvollziehen: da ringt jemand in den tiefen seiner existenz, sucht dort nach wahrheiten und lösungen, zermartert sich herz und hirn , und soll dann bloß mit banalem fruchtteee abgefüllt werden, nach dem motto: na trink erst mal, und dann ist alles wieder gut. da hat der verzweifelnde ein gefühl, als würde man ihm hohnlachen ( obwohl es meist nicht so gemeint ist). das depressive kann ich durchaus herauslesen aus diesen zeilen . ich glaube, es macht sinn, diese tiefe betrübtheit auch zuzulassen und nicht bloß wegzuretouschieren oder gar totzuschweigen - das würde die problematik möglicherweise nur in ein körpersymptom verschieben - wäre also keine echte lösung. trauer begleiten zu können, indem man akzeptiert, dass es dieses dunkle seite einfach gibt, das alllein ist schon eine gehörige mut- und kraftprobe für jeden,der den versuch unternimmt! liebe veredit, ich wünsche dir noch viel energie für diese wichtige arbeit ( und ich nehme an, die holst du dir aus deiner liebe zum meer, das ja auch ein symbol für das unbewusste ist ) ! liebe grüße larin
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Cogito dichto sum - ich dichte, also bin ich! |
09.06.2009, 22:39 | #8 |
Slawische Seele
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Beiträge: 5.637
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Liebe veredit,
ich glaube wir haben uns schon einmal über dein Gedicht unterhalten - zumindest habe ich eine Erinnerung an das Gedicht selbst. Erstaunlich, was man interpretieren und hineininterpretieren kann. Noch erstaunlicher der Tiefgang dahinter, trotz der eigentlich klaren Worte. Ich lese mich nunmehr noch besser, bzw. anders ein. Eine Krankheit, die sich "verselbständigt", im Betroffenen einen Raum hat. Statt sich darauf einzulassen, informiert und geschult, wird anscheinend zu oft aus Unwissenheit oder gar "selbstherrlich" darauf geantwortet - z.b. mit einem blöden Tee. Sicher ahnen wir, die "falschen Helfer" nicht, dass wir mit unserer Unbedarftheit Schlimmeres anrichten. Eigentlich gilt das für viel mehr. Wenn jemand weint, trösten wir auch ganz schnell: "Nun hör mal auf zu weinen." Noch schlimmer. Hört der/die oder das Kind auf zu weinen, weil die Oberflächlichkeit erspürt wird, fühlen wir uns sogar als die Problemlöser. Ein gekonnt umgesetzer Tiefgang. Liebe Grüße Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben. (Frederike Frei) |
14.06.2009, 22:13 | #9 |
Perlensammlerin
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Beiträge: 143
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ja liebe larin, das stimmt - das Meer gibt mir die nötige Ruhe und den Ausgleich. Seine Weite, die Farben und Stimmungen dort tun mir einfach gut, allerdings habe ich dieses Meeressehnen von je her an in mir gehabt, heute jedoch ist das Bedürfnis noch viel stärker, einfach eine "Flucht" dorthin zu nehmen. Zum Glück ist es nah und somit leicht auch an einem Wochenende erfüllbar. und genauso wie Du die Stelle mit dem "Fruchttee" aufgefasst hast, habe ich sie auch gemeint, obwohl ja auch andere Lesarten möglich sind, wie ich gerade bei diesem Text doch feststellen konnte. danke Dir nochmals von Herzen _____________________________ liebe Dana, ja, Du hattest mir bereits vor längerer Zeit zu diesem Gedicht geschrieben und es freut mich, dass Du das Gedicht in Erinnerung behalten hast. Depressionen, aber auch depressive Gefühle begleiten meinen Arbeitsalltag und das Auseinandersetzen mit dieser Erkrankung ist mir ein Bedürfnis und ein Anliegen. danke Dir für Deinen verstehenden und lobenden Kommentar, er hilft mir auf meinem dichterischen Weg sehr. Denn ohne Rückmeldungen ist für mich eine Entwicklung schwer. So geht es ja den meisten von uns. Wieder einmal mehr bedauere ich, zu wenig Zeit zu haben, mich ausführlicher mit den Texten der Mitautoren hier beschäftigen zu können. So bleibt es meist beim Lesen... vorerst wohl jedenfalls. ganz liebe Grüße veredit |
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