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22.01.2012, 19:08 | #1 |
Lyrische Emotion
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Ballade (Frei nach "Tucho"...)
Ballade (Frei nach "Tucho"...) Vor Zeiten kam Herr Übermütig zusammen mit Frau Selbstgerecht, sie war so nett, sie war so gütig, er aber war zuweilen schlecht. Zwei bunten Vögeln dieser Welt schien eine neue Zeit bestellt. Herr Ü. gebrauchte seinen Schnabel so wie er ihm gewachsen war, Frau S. aß lieber mit der Gabel, für sie war das nicht annehmbar. Dann legte sie ganz nebenbei ein virtuelles Kuckucksei. Da hatten sie wohl nicht verhütet (und manchmal straft auch Gott geschwind), so wurde es dann ausgebrütet, es wuchs heran ein schönes Kind. Ein Knabe war's, mit blondem Haar, so blond, wie auch das eigne war. Die Zeit verging, die Frage reifte was er denn einmal werden soll, die Dimensionen, die das streifte, begannen recht verheißungsvoll. Ein Dr. med., ein Rechtsanwalt, ein Pfleger in der Heilanstalt? Ein jeder muss was sein auf Erden, hier schlummerte doch ein Talent, sie sprach, er solle ehrlich werden, er war für Bundespräsident. Schon war man wieder mal bereit für einen heißen Grundsatzstreit. Herr Ü. ging gerne in die Vollen und hat das Nestchen umgewühlt, da kam Frau S. doch arg ins Schmollen, seitdem gab sie sich unterkühlt. Derweil hat sich der Bub versteckt und naschte heimlich am Konfekt. Und dachte so bei sich im Stillen, noch bin ich klein, noch bin ich Kind, doch geht es hier nach meinem Willen, will ich nicht sein, wie die dort sind. Ich werde weder Arzt noch Richter. Er sprach es aus und wurde Dichter. Falderwald . .. .
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24.01.2012, 11:12 | #2 | |
ADäquat
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Hallo Faldi,
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24.01.2012, 22:12 | #3 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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hallo falderwald,
hast du da etwa aus deinem persönlichen nähkästchen geplaudert? dichter werden aus "rache" an den eigenen erzeugern - das ist ja mal ganz was neues.... so mancher meidets, dass er glänz'! (es störn ihn die familienbande). doch als verkrachte existenz, als schwarzes schaf und sippenschande, da macht ihm doch das leben spaß! soll doch der ehrgeiz dieser alten grad bleiben, wo der pfeffer wächst! der jungspatz will es anders halten: in haarschnitt, kleidung und kultur. das ist nicht nur was pubertäres. als dichter träumt und schreibt er nur, lässt sich und seinen geist entfalten, wie ihn die muse eben küsst, in schwarz gestylt - was für ein foto! wenn er auch was zu sagen wüsst, dann spräche wohl sein "pars pro toto"..... es gibt eben ganz unterschiedliche "karrieren".... gerne gelesen und weiter gealbert, larin
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25.01.2012, 23:15 | #4 |
Slawische Seele
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Lieber Faldi,
eine feine Parodie auf übereifrige Eltern und mehr als gekonnt an "Tucho" genähert, bzw. mit "Tucho" gepaart. ( - die Hauptsache ihr brütet kein neues Ei aus. Gott sei Dank ist das nicht mehr denkbar.) Eine Ballade, die nur scheinbar "untraurig" ist, weil du sie in Lachsalven echten Humors verpackt hast. Guter Humor löst Lachen aus, weil er den Kern trifft. Nachdem man sich lachend erleichtert hat, kann man den Kern näher betrachten. Alle Eltern sollten ihren Übereifer zügeln, dann würde es weniger Dichter geben. Gern gelesen, gelacht und überdacht. Liebe Grüße Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben. (Frederike Frei) |
02.02.2012, 23:22 | #5 | |||
Lyrische Emotion
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Hi Chavi,
schade, daß das Eiland nur eine virtuelle Bühne ist, so kann ich deinen Beifall leider nicht akkustisch wahrnehmen. Aber schriftlich tut's auch... Diese Zeitgenossen kommen nicht nur in jeder Generation vor, sondern sie sind genau so wie du und ich. Behaupte ich jetzt jedenfalls mal, denn ich für meinen Teil bin sowohl zuweilen übermütig als auch selbstgerecht. Wer ist das nicht manchmal? Mit dem Nachwuchs ist das immer so eine Sache. Manche tun das, was sie für richtig halten, andere das, was man im Allgemeinen für richtig hält. Aber ich glaube, auch das war schon immer so. Ob er daran gut getan hat? Na ja, das Dichterleben hält auch so seine kleinen Fallen bereit. Erlebe ich immer wieder mal. Zitat:
Danke für die zustimmenden Grüße und das schöne Lob... Servus larin, ne, ist nicht aus meinem Nähkästchen, das ist frei erfunden. Mein Vater war zwar auch ziemlich übermütig, meine Mama dagegen ist kein selbstgerechter Mensch, das könnte ich wirklich nicht sagen. Ich habe es zumindest nie persönlich erfahren, wie sie in anderen Situationen zuweilen gehandelt haben mag, weiß ich nicht. Sie ist auch nur ein normaler Mensch. Ja, die Idee kam mir so, denn manche Dichter sind ja durchaus auch kleine Rebellen gewesen. Sind sie ja immer noch manchmal, nicht wahr? Dem Dichter wird es nicht genügen, nur schönen Blümchentext zu schreiben, er wird sich keiner Norm je fügen und sich an jedem Thema reiben. Sein Geist ist wie ein scharfes Messer, das sich den Schleifstein sucht zum Wetzen, sein Stahl, je dünner, desto besser, wird um so sauberer verletzen. Der Lyrik Kraft, wird sie bedächtig verwendet, macht an allen Tagen den wahren Dichter übermächtig, was er auch will, im Reim zu sagen. Sein Wort kann sich mit Flügeltönen poetisch von der Schwere lösen, mal schwebt es leicht im herben Schönen, doch manchmal auch im süßen Bösen. Im Dichter sind die Relationen der ganzen weiten Welt zu finden, doch niemand wird es ihm je lohnen, die Welt besteht aus lauter Blinden. Auch unter den Dichtern gibt es ganz unterschiedliche Karrieren. Und sag mal ganz ehrlich, welche Eltern (außer Ausnahmen) wünschen sich schon, daß ihr Nachwuchs Dichter/in wird? Brotlose Kunst das Ganze... Danke für das Gedicht, fürs gern gelesen und weiter albern... Liebe Dana, die Parodie zielt nicht nur auf die Eltern, sondern auch auf die kleinen Rebellen, die Dichter geworden sind/werden/werden wollen. Ja, dem Text stand ein Gedicht von Kurt Tucholsky mit gleichlautendem Titel Pate. Zitat:
Noch lebe ich doch, da kann ich mit Tucho, Schopi und Co. auch noch eine Menge Eier ausbrüten, oder nicht? ) Humor wirkt eigentlich dann am besten, wenn er voll im Kern trifft. Dabei muss man auch eine gute Portion Eigenhumor mit einfließen lassen, damit das Ganze glaubwürdig wird, vor allen Dingen, wenn man über ganz normale menschliche Eigenschaften berichtet, die sich in jedem finden lassen. Zitat:
Na ja, vielleicht hast du ja Recht. Deshalb kämpfen sie ja auch mit dem Worteschwert um des Lesers Gunst. Alles nach dem "Highlander-Prinzip": Es kann nur einen geben. Danke fürs Lachen und Überdenken. .. . Über eure Rückmeldungen und Gedanken zum Thema habe ich mich sehr gefreut und bedanke mich ganz herzlich dafür... Liebe Grüße Bis bald Falderwald
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03.02.2012, 15:05 | #6 | ||
ADäquat
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05.02.2012, 01:14 | #7 |
Lyrische Emotion
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Hi Chavi,
ich kann verstehen, wenn dir das Thema inzwischen sonst wo steht. Sicherlich sind diejenigen, welche die Steine werfen, nicht frei von Sünde, wer ist das schon, inklusive meiner eigenen Person. Nur ist es m. E. so, wenn jemand in der Öffentlichkeit steht und ein hohes Würdenamt bekleidet, welches als moralische und unabhängige Instanz gedacht war, dann sollte derjenige sich tunlichst an die eigenen aufgestellten Regeln halten. Wenn er das nicht tut, dabei erwischt wird und dann noch den Medien einen Maulkorb verpassen will, dann darf er sich nicht wundern, daß er am öffentlichen Pranger steht. Es mag ja sein, daß Herr Wulffs Verhalten menschlich gewesen ist, doch wo sollen die Grenzen angesetzt werden? Ist es in Ordnung, sich von einem wohlhabenden Freund in ein Feriendomizil einladen zu lassen? Ich denke schon. Ist es ok, sich von diesem Freund bei der Beschaffung eines zinsgünstigen Kredits helfen zu lassen? Durchaus, würde ich sagen. Aber ist es wirklich korrekt, dieses als Ministerpräsident eines Landes zu machen? Immerhin ist jener Entscheidungsträger und sollte unabhängig bei seinen Entscheidungen bleiben. Und genau das kann er nicht mehr, wenn er solche Leistungen von einem einflussreichen Unternehmer in Anspruch genommen hat. Und darum geht es ja auch in der Debatte. Es mag nur ein kleiner Fall der Offenlegung gewesen sein, aber in Anbetracht des Amtes, welches Herr Wulff inne hat, wiegt es um so schwerer. Und wenn schon unser Staatsoberhaupt keine astreine weiße Weste mehr hat, dann wirft das auf den ganzen Rest der "Sippe" auch kein gutes Licht mehr. Ich möchte gar nicht wissen, welche Geheimnisse diese Damen und Herren in ihren Kellern ganz tief unten hüten. Aber ich frage mich ernsthaft, ob Herr Wulff, wenn eine Oberstaatsanwältin aus Hannover sagen kann, man dürfe ihn wegen seiner Kreditaffäre einen Lügner nennen, wirklich noch der Richtige ist, unser Land zu repräsentieren. Außerdem kommt ihm sehr wohl eine wichtige Funktion zu: Damit ein neues Gesetz inkrafttreten kann, bedarf es der Ausfertigung durch den Bundespräsidenten. Das heißt, der BP hat das Recht, wenn nicht sogar die Pflicht, wenn er gewissenhaft ist, dieses neue Gesetz einer genauen Prüfung zu unterziehen und das setzt Sachkenntnis voraus. Und im Falle von Herrn Wulff kann man das sicherlich erwarten, zumal er nicht nur ehemaliger Ministerpräsident ist, sondern auch studierter Anwalt des Rechts. Und da kommen mir doch ein paar Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit und man darf durchaus die Frage stellen, ob er nicht doch genau wusste, was er da tat und nur gehofft hatte, daß diese Dinge niemals das öffentliche Tageslicht erblicken. Dumm gelaufen, würde ich sagen. Der Versuch, der Boulevardpresse einen Maulkorb verpassen zu wollen, das war ja dann wohl mehr als nur ein wenig ungeschickt. Denn die liefert ihrem Publikum adhoc, was es gerne sehen möchte. Garantiert. Meinst du nicht auch? Liebe Grüße Bis bald Falderwald
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05.02.2012, 10:30 | #8 |
Galapapa
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Lieber Falderwlad,
Deine Ballade ist ein echtes Glanzstück! Sowohl was den Inhalt angeht, als auch handwerklich! Ich schließe mich Chavali an und klatsche stehend Beifall. Man fängt an zu lesen und schon hat einen dieses Gedicht eingefangen und man kann nicht umhin, schmunzelnd weiter zu lesen. Ich muss gestehen, bei der Bundespräsidenten-Stelle ist mir das Schmunzeln zum Lachen entgleist. Und das, obwohl es mir ähnlich geht wie Chavali. Dieses dumme Versteckspiel, dieses scheibchenweise Zerlegen, man hat das Gedöns satt. So trefflich und gekonnt verpackt jedoch dürfte die mir Angelegenheit ruhig noch ein paar Mal begegnen. Sehr gern und mit Genuss gelesen! Galapapa |
09.02.2012, 21:31 | #9 |
Lyrische Emotion
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Moin Galapapa,
ich freue mich sehr, daß du über dieses Gedicht schmunzeln und sogar über die arg "strapazierte" Angelegenheit lachen konntest. Prinzipiell gebe ich euch ja Recht, die Sache wird langsam langweilig und eintönig, aber dennoch konnte ich es mir nicht verkneifen, diesen aktuellen Zeitbezug hier einzubauen. Ich finde, das kommt immer gut in einem solchen Gedicht, weil man es gar nicht erwartet. Na ja, so ein Teil entsteht auch nicht jeden Tag. Schön, daß du hier warst und danke für deinen lobenden Kommentar... Liebe Grüße Bis bald Falderwald
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10.02.2012, 10:46 | #10 |
TENEBRAE
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Hi, Faldi!
Übermütig und selbstgerecht - nicht gerade eben positive Eigenschaften für einen Dichters. Du schaffst es allerdings, sie so liebevoll gereimt ins Allzumenschliche zu flechten, dass man meint, es könne ohne diese Charakterzüge erst gar keine Dichter geben! Inwieweit du damit womöglich Recht hast, sei dahingestellt... Sehr gern gelesen und rechtschaffen geschmunzelt! LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
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