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28.02.2018, 14:15 | #1 |
TENEBRAE
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
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Gen Morgen und ins Licht
Es streicht ein Wehen her von fernen Graten
beinahe ungewiss in Richtung Morgen, muss Kräfte noch von einem Dunkel borgen aus schweren Schatten und verschwiegnen Taten. Nicht lange mehr wird deren Stunde dauern - ein Leuchten zeichnet ferne Horizonte bereits ins Hoffen auf ein Morgenrot, und schon verblasste Sternenfunken kauern am Rand der Nacht, die sie nicht halten konnte, und sinken unbeweint in ihren Tod. Es streicht ein Wehen her von fernen Graten und kündet seiden von Beginn und Ende, von Übergang, der seine kühlen Hände auf alle legt, die um Erlösung baten. Nicht lange mehr wird deren Stunde dauern, sie sinken hin, und ihre stumme Bürde ermächtigt sie, sich größer zu entfalten. Und mögen dort auch Dunkelheiten lauern - die Seelen übereignen sich in Würde den Hoffnungen, die sie geborgen halten.
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. Geändert von Erich Kykal (23.01.2019 um 23:31 Uhr) |
28.02.2018, 14:51 | #2 |
Gast
Beiträge: n/a
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Hallo Erich,
bevor ich etwas dazu schreibe, eine Frage zu folgender Zeile "ein leuchtet zeichnet ferne Horizonte" Schreibfehler? -> "Ein Leuchten zeichnet ferne Horizonte"? vlg EV |
28.02.2018, 17:39 | #3 |
Gast
Beiträge: n/a
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Die Satzwiederholungen sind wirklich sehr gekonnt und effektvoll eingesetzt, lieber Erich - und ganz besonders gut gefallen mir die beiden Strophen mit verschränktem Reim! Lange werde ich den Korrespondenzen der einzelnen Strophen noch genussvoll nachsinnen...
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28.02.2018, 18:54 | #4 |
TENEBRAE
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Beiträge: 8.570
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Hi EVG!
Danke für dein rasches Auge. Ja, eine mehrmals umgebaute Zeile, zuletzt nicht mehr nachhaltig kontrolliert. Selber schuld! Hi Sufnus! Ab und an mache ich gern solche Wiederholungen, allerdings nur zeilenweise in immer abgewandelten Strophen. Hier stützen sie die Ahnlichkeit der Bilder in diesem sinnbildlichen Vergleich. Ungewöhnlich vielleicht, dass hier der Morgen mit dem Tod verglichen wird, aber eigentlich logisch, wenn man sich den Spruch "ins Licht gehen" vor Augen führt. Aus der Dunkelheit des Daseins mit seinen Fährnissen und Stolpersteinen ins Gleißen von Erkenntnis und Frieden - wie es die meisten spirituellen Welterklärungsmodelle eben gern erklären. Ganz konnte ich mich der Kritik allerdings nicht enthalten: In der Conclusio lasse ich anklingen, dass "dort" auch Finsternisse harren könnten, ob eine "Hölle" oder etwas gänzlich anderes als gedacht, oder gar nur ein absolutes Nichts - aber die Hoffnung, genährt vom Glauben, trägt die Geister voran. Vielen Dank für das positive Echo! LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
28.02.2018, 19:55 | #5 |
Gast
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Okay, alles klar. Jetzt mein Kommentar.
Was ich an Deiner Dichterei bewundere ist Deine Denke und die Sicht der Dinge. Ich kenne nicht viele Menschen, die derart differenziert denken können. Deine Werke besitzen einen ähnlichen Moment der Stille, wie Rilke ihn pflegte. Deine Dichterei ist aber grundsätzlich anders als die von Rilke. Was nicht heißen soll, dass sie schlechter ist. Rilkes Wort ist trockener in seiner Emotion. Und vieles von ihm finde ich auch nicht so gut... Wenn ich Deine Zeilen lese, weiß ich, dass ich anders denken darf - ich fühle mich dahingehend eingeladen. Du schließt alles ein und nichts aus. Mein Lieblingswerk von Dir ist die namenlose Hure und ich muss zugeben, es gibt kaum ein anderes, was das Wasser reichen kann. Aber Deine Schrift hat sich weiterentwickelt, dein Denken ist auch gereift. Man merkt das beim Lesen der Zeilen. An dieser Stelle muss ich auch gestehen, dass mir nicht jedes Gedicht von Dir gefällt, ich hege den Hang zum Hinterfragen - das sehr Gute daran ist: ich darf bei deinen Gedichten denken, was sie für mich wieder richtig gut machen. Man muss Dich verstehen wollen und hinter jedem Gedicht stehen immer viele weitere Botschaften. Sowas liebe ich und das macht deine Dichterei auch für mich besonders. Es ist vielleicht nicht das Handwerkliche und auch nicht der Ausdruck, der mich umhaut, aber es ist die gefühlte Einladung zum Verweilen, zum Denken. Als würde man im Sommerwind auf einer Wiese sitzen - keine Drängelei, ein gereifter Frieden in Stille gelegt. Und nach den Monaten des Dichterlehrlingseins muss ich sagen (viel gelesen), dass es nur zwei Dichter bei mir schafften. Rilke und Du! Ähnlich wie bei Rilke, sind Deine Gedichte in Schichten aufgebaut. Je mehr Zeit man sich nimmt, desto mehr findet man - mal mehr Aufregung, mal mehr Stille, mal mehr Kritik, mal mehr Sanftmütigkeit. Und manchmal fordern deine Werke richtig heraus. Ich verspüre dann die Kritikkeule, ich weiß aber: "EV, nimm Dir Zeit, die Zeilen müssen ziehen). "Gen Morgen ins Licht" - ist das beste Beispiel! Die letzte Strophe ist erstklassig! Erich: meine Hochachtung! vlg EV Geändert von Eisenvorhang (28.02.2018 um 20:04 Uhr) |
28.02.2018, 21:19 | #6 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Beiträge: 539
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Lieber eKy,
EV hat es so wunderbar beschrieben. Dieses Gedicht ist einfach großartig! Du bist der Meister des kunstvollen Wortes! Vielen Dank! Gruß und Verehrung, Laie |
28.02.2018, 22:34 | #7 |
TENEBRAE
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Hi EV, Laie!
Ich bin erstaunt - und natürlich höchst erfreut - über ein so detailliert ausgeführtes und argumentativ fundiertes Lob! Auch freut es mich, dass es noch Leser gibt, die sich gerne zum Denken und Verweilen einladen lassen wollen - leider nicht mehr so häufig in unserer prosaischen, oberflächlichen und simplifizierten Welt. Nur dies noch, lieber EV: Wenn nur Rilke und ich dich bewegen konnten, dann müsstest du eigentlich nun auch Laie in den erlauchten Kreis mit aufnehmen, denn er schreibt mindestens so gut wie ich - aus meiner Sicht oftmals sogar besser! LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
28.02.2018, 22:50 | #8 |
Gast
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Hi Erich,
nur die Welt durch meine Augen: Subjektivität. Laie, grenze ich von euch beiden bewusst ab. Auch wenn du oft behauptest, er würde "rilkiest" schreiben. Nope. Er hat was anderes, was ihr - Rilke und Du - nicht habt. Mein Lobesjodel drang bereits zu Laie durch. ;P |
01.03.2018, 12:02 | #9 |
Gast
Beiträge: n/a
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Lieber Erich, gekonnt , stilvoll, die Vergänglichkeit, der kleine Moment, der schon fast vergangen ist. Sehr schöne Poesie, auch formal, wozu sich ja schon andere geäussert haben.
Gerne in deinen Zeilen geschwelgt, die Ruhe ausstrahlen mit lG von Koko |
01.03.2018, 12:33 | #10 |
ADäquat
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Ach lieber Erich
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