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03.04.2009, 13:38 | #1 |
TENEBRAE
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
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Nach dem Sturm
Über Land will sturmzerschlissen
grauer Wolkenfetzen Treiben Ängste an den Himmel schreiben, Qualen, die sie leiden müssen im erzürnten Spiel der Winde, das sie treibt, wie alte Sünde Büßer triebe zum Altar, so als wüßten sie, sie bleiben niemals dort, wo einer war. Welk vom wilden Weiterdrängen hängen sie mit übereilten Gesten wie mit aufgesteilten, wirren, bauschenden Behängen über zausen Baumgestalten, die, als wollten sie verhalten aufwärts in die Lüfte greifen, ihren Trost den unverheilten Himmeln gleichsam anzustreifen, sich dem Weben übergeben, bis aus fernen Lichterquellen Sonne wird, um zu erhellen, was an neu geschenktem Leben dankend in die Blätter steigt, wo es wirkt und wachsend schweigt, um nur manchesmal gelassen wie in zärtlich sanften Wellen einen neuen Wind zu fassen.
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
07.04.2009, 02:14 | #2 |
Gast
Beiträge: n/a
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Grüß Dich, Erich!
Hier ein etwas spät geschriebener Kommentar, ähm, sag hast Du meine private Mail bekommen? Mein Postausgang zeigt nichts verschicktes an, ist das normal?
Nun wie dem auch sei, mein Profil war wohl lange unbeaufsichtigt im Netz am rumstehen. Aber jetzt doch mal zu diesem Text: Es ist ein Verbrechen, dass derselbe ohne Kommentar hier unterzugehen gefahr lief. Ich kann mir das aber gut durch seinen hohen intellektuellen Anspruch erklären, es ist nicht jeder bereit, diese Bilder so lange zu imaginieren bis sie Sinn und Muster geben. Ich stelle mich in letzter Zeit mit ausgesprochener Lust einer solchen Aufgabe, auch im Nachbarsforum "dielyriker" kam mir letzthin ein sehr verschachteltes und zugleich äußerst hochwertiges Werk unter die Augen. Metrische Unregelmäßigkeit ist hier nur durch den letzten Reim der 1. Strophe "Altar - war" gegeben, und durch S3, V5 und V6, das lässt die Verse hier betont enden. Ansonsten alles betont. Aber das sind, wie ich finde, Erdnüsse, oder andere schmackhafte Schalenfrüchte, denn es tut dem Lesefluß keinen Abbruch. Interessant ist das Reimschema, Du reimst bewusst über 4 Verse hinweg. Alles technisch einwandfrei platziert. Die gewähnte Semantik: Der Sturm zog gerade über ein von Menschen besiedeltes Gebiet hinweg (es wird eine evolutionäre Angst vor Sturm als Indiz von Götterzorn angeschnitten), aber woher kommt dieses Schuldgefühl der Menschen? Des weiteren hängt der nun noch immer nicht vergangene Sturm über Wäldern, sein Donner, seine Tätigkeit, sein Wallen, was auch immer, scheint hier gewissermaßen mit dem Puls klaffender Wunden verglichen zu werden, der Wunden des Himmels. Dann wird's sehr klassisch: Auf den Sturm folgt Sonnenschein, der vergangene Sturm hat die Saat neuen Lebens beflügelt, und wie heißt es nicht irgendwo: Der Krieg ist der Vater aller Dinge. Nun ja, der Widerspruch scheint mir der Vater aller vom Menschen erkannten Phänomene zu sein, auch im Sturm ist Widerstreit. Und von der Ästhetik gefällt mir das letzte, eher schwierig interpretierbare Bild, das zwar schon oben in der mitte der zweiten Strophe beginnt (heissa! ach Du meine Güte, hat das Umfang!), aber doch in diesem mündet: was an neu geschenktem Leben dankend in die Blätter steigt, wo es wirkt und wachsend schweigt, um nur manchesmal gelassen wie in zärtlich sanften Wellen einen neuen Wind zu fassen. Hier ist ein wunderbares Bild beschrieben, mit wunderbarem Interpretationspotenzial im Bezug auf allgemeine Gesetzmäßigkeiten:: Als Teil eines Ganzen hat das in den Blättern mit Wohlwollen empfangene Leben bloß den geringen aber dafür mit großer Sicherheit erfüllbaren Anspruch hier und da eine Böe zu spüren, dieser geringe Anspruch führt zu Gelassenheit. Was würde wohl passieren, wenn sich jeder innerhalb unserer Gesellschaft zur Gesellschaft wie ein Blatt zu einem Baum verhielte? Interessante Gedanken, die auch immer wieder einen Verweis auf die Zweckmäßigkeit in den Einrichtungen der Natur geben. Des weiteren sorgt wohl oft der Sturm, der Einbruch, für ein Herabsetzen der Ansprüche. Christian Morgenstern sagte etwas im Sinne von: Für manche Menschen gibt es wohl nur eine Rettung: die Katastrophe. Ich bin sowohl mit der Moral Deines Textes wie mit Morgenstern d'accord. Es ließe sich noch viel hierüber schreiben, aber ich will weder dem Rest der Welt alle Möglichkeiten rauben (wozu ich mich noch nicht mal fähig glaube), noch mir selbst meinen Schlaf, das heißt ich wünsche Gute Nacht, (falls Du's, wie ich glaube, erst heut Nachmittag liest, so gilt dies eben für die auf den nämlichen Nachmittag folgende Nacht ) Viele liebe Grüße, Skarak. |
07.04.2009, 20:52 | #3 |
Slawische Seele
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Lieber eKy,
Skarak hat wunderbar kommentiert, interpretiert und gelobt. Ich könnte jetzt ein DITO setzen, aber: Der Leser gerät mitten in den Sturm, wird mitgerissen und bekommt eine weite Sichtweise. Diese ist so spannend, dass er jede Angst verliert und gebannt den Versen folgt. Mit der letzten Strophe, wo der Sturm schon nachgelassen hat, entfachst du beim Leser einen Gedankensturm, der einer Sortierung ob der Großartigkeit des Gedichtes und seiner Aussage bedarf. Wieder nix als dickes, dickes Lob. Liebe Grüße Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben. (Frederike Frei) |
09.04.2009, 14:03 | #4 |
TENEBRAE
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Hi, Skarak!
Die Geister, die ich rief - oder hier vielmehr: DER Geist!... Du liebe Güte, was dir so alles einfällt zu meinen Zeilen, die aus der Stimmung eines Augenblickes heraus entstanden sind! Da hab ich mir wohl mehr bei gedacht, als ich selbst je vermutet hätte! Vielen Dank für soviel Tiefschürfendes! Und natürlich für's satte Lob. Schön, dass dir das Reimschema aufgefallen ist - so weit horcht nicht jeder auf Details! Deine Mail hab ich übrigens bekommen, sogar 2mal! Hi, Dana! Auch dir Dank für den satten Zuspruch! Du scheinst dich ja zur eifrigen Stammleserin meiner "Ergüsse" zu entwickeln! Dass Cyparis da bloss nicht neidisch wird! Gedankensturm - ein toller Vergleich! Ich kann für euch beide nur mit dieser Erklärung für meinen manchmal etwas "komplexen" Schreibstil aufwarten: Wenn ich dichte, so denkt ein Teil meiner selbst intensiv an ein tief empfundenes Bild. Ein anderer Teil versucht sodann diesen Eindruck so umfassend wie möglich in schöner Sprache zu um- oder beschreiben, ohne das Bild selbst zu verlieren, während ein weiterer Teil von mir stetig versucht, dies zeitgleich in Reim und Rhythmus zu verpacken, wobei das Schema mal zuvor festgelegt wurde, mal beim Schreiben erst entsteht. Alle diese Teile sind aber doch eins und einig in mir, wie ein perfekter Dreiklang, der nur harmoniert, wenn alle Faktoren mitspielen und übereinstimmen. So entstehen meine Gedichte. Sinnzusammenhänge und Vergleiche mit möglichen logischen Inhalten entstehen nur selten bewußt oder gewollt - das entströmt meinem undefinierten Unterbewußten oft einfach so und will hinterher gedeutet sein. Zuletzt wird mit etwas Abstand noch an stilistischen Kleinigkeiten oder metrischen Details gefeilt, falls nötig, und das war's dann. Mein Schwergewicht liegt dabei eindeutig auf schöner Sprache in schöner Form, weniger auf der Vermittlung von Inhalten welcher Natur auch immer - das ergibt sich meist irgendwie hinterher von selbst, wenn ich das fertige Werk lese. Oft überrasche ich mich dabei noch selbst! So schaut's aus, und mehr ist da nicht! Umso froher bin ich, wenn es dennoch nicht nur mir gefällt! LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
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