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09.11.2014, 13:24 | #1 |
TENEBRAE
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Thronfolge
Der Herbst wirkt lebensmüde, als versage
der Nebel ihm die Gesten seiner Huld beinahe so, als trüge er an Schuld zuviel durch seine altersschwachen Tage. Und so wie er den Sommer aus den Landen und aus dem Leben trieb, ergeht es nun dem Usurpator, denn sein kühles Tun trug kalte Früchte, die ihn wehrlos fanden. Sein Farbenspiel liegt in den letzten Zügen, erobert wird die ausgebleichte Flur von einem nun, dem Grau und Weiß genügen. Er regt sich kaum noch, überdauert nur, bis aus den Himmeln frostig und kristallen die Meuchelmörder seines Prinzen fallen.
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
11.11.2014, 19:06 | #2 |
Lyrische Emotion
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Servus Erich,
tja, der Herbst hält sich für ziemlich cool, beraubt die Bäume ihrer Kleider und lässt die Pilze aus dem Boden schießen. Auch wenn er den Sommer vom Thron gestoßen hat, er wird sich nicht halten können, denn seine Wärme wird ihm fehlen, um dem Winter auf Dauer Paroli bieten zu können. Und der lauert schon auf seine Gelegenheiten. Dieser wird dann für eine Weile das Land regieren. Wir hatten heute morgen auch dichten Nebel hier und Temperaturen um den Gefrierpunkt. Dann hat es sich aber noch zu einem wunderschönen Herbsttag mit Sonnenschein aufgetan. Ich will das noch nicht so ganz wahrhaben, was in deinem Sonett so anschaulich beschrieben steht. Aber was soll ich machen? Ich kann den Text sehr gut nachvollziehen, weil er sehr anspruchsvolle und überzeugende Sprachbilder transportiert. Zwar ist das übliche Reimschema des klassischen Sonetts hier durchbrochen, aber das ist ja eigentlich kaum noch erwähnenswert und es stört auch überhaupt nicht. Ein sehr schönes Sonett. Gern gelesen und kommentiert... Liebe Grüße Bis bald Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine) Für alle meine Texte gilt: © Falderwald --> --> --> --> --> Wichtig: Tipps zur Software |
11.11.2014, 20:11 | #3 |
TENEBRAE
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Hi, Faldi!
Je länger ich Sonette (nach klassischen Regeln, so lange ich sie eben schon kenne) schreibe, desto eher bin ich gewillt, gewisse mir unsinnig erscheinende Vorgaben zu kippen. Hier siehst du jene beiden ignoriert, die mir am unsympathischsten sind, weil sie die dichterischen Möglichkeiten in meinen Augen deutlich einschränken: Dass die Quartette dieselben Reime haben sollen und dass sich die beiden letzten Zeilen nicht reimen dürfen! LG, eKy
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11.11.2014, 20:29 | #4 |
Lyrische Emotion
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Servus Erich,
ich will keine Lanze für die klassische Form brechen, aber genau das, was du daran kritisiert hast, ist für mich der Reiz dabei. Es ist eine Herausforderung für den Dichter, sich von diesen eben nicht einschränken zu lassen. Nein, ich weiche ja auch oft von der klassischen Form ab und deshalb war das auch nicht als Kritik zu verstehen. Liebe Grüße Falderwald
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11.11.2014, 20:58 | #5 |
TENEBRAE
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Hi, Faldi!
Ich verstehe dein Argument von der dichterischen Herausforderung durch bemessende Regeln durchaus und kann es nachvollziehen - nicht selten sehe ich es selbst so und versuche mein Bestes - aber letztlich sind die lyrisch brauchbaren gegebenen Möglichkeiten endlich, und durch allzu viele - wie gesagt teils nachgerade unsinnige - Einschränkungen werden besagte Möglichkeiten immer endlicher! Ein Sonett soll ja vor allem sprachlich und klanglich schön sein, das Herz erheben und den Geist erfreuen. Mit einem Sonett, das zwar allen Regeln entspricht, sprachlich wie melodisch aber hölzern und kantig daherkommt, geht für mich am Sinn der Sache vorbei. Wie bei allem kann man es eben auch mit den sog. "Regeln" übertreiben... Gut, das man es heute nicht mehr so eng sieht und sich die allgemeine Bandbreite des "Sonetthaften" erweitert hat. LG, eKy
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11.11.2014, 21:43 | #6 |
Slawische Seele
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Lieber eKy,
ich betrachte die Thronfolge und erfreue mich am Sonett. Fachgerecht zu urteilen traue ich mich nicht - aus Unkenntnis und "Gefühlsarmut". Ich bin noch nicht in die "Sonettwelt" eingetaucht. Sie ist für mich entweder schön oder nicht so schön. Hier lese ich ein sehr schönes Naturgedicht über die Könige der Jahreszeiten. Ein jeder ist ein König seiner Zeit und gibt das Zepter an den Prinzen ab. (Wie in einer Monarchie, auch wenn es dort immer wieder den Usurpator gab.) Es gibt auch "Herbste", die fast wie Sommer sind und Winter, die keine waren. Die lyrischen Verlaufbilder sind sprachlich sehr schön erfasst. Liebe Grüße Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben. (Frederike Frei) |
12.11.2014, 03:25 | #7 |
TENEBRAE
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Hi, Dana!
Nach dem zigsten Herbst- und Naturgedcht fällt es schwer, noch originelle Zugänge zu finden! Dank für die positive Rückmeldung! LG, eKy
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16.11.2014, 10:43 | #8 |
Von Raben umkreist
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Hei eKy,
der Herbst bzw. die Jahreszeiten einmal ganz anders, originell. Allerdings hast du die fünfte Jahreszeit, den Hofnarren, vergessen. Was ist zum Sonett noch Nichtgesagtes zu sagen? Vielleicht: "Das Sonett ist tot, es lebe das Sonett!" Lieben Gruß Sid
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Alle meine Texte: © Sidgrani "Nur wer erwachsen wird und Kind bleibt, ist ein Mensch"
»Erich Kästner« |
16.11.2014, 17:19 | #9 |
TENEBRAE
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Hi, Sid!
Ja - nicht totzukriegen, diese Form! Ist aber auch ein würdiger Monarch im Reich der Poesie! Vielen Dank für den positiven Kommi! LG ,eKy PS: Der Hofnarr bin ich - der Autor!
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13.11.2019, 21:21 | #10 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Hey Key,
ich frage mich, warum der Usurpatur? Hat er widerrechtlich gehandelt, nur weil der Lauf der Dinge eine Ablösung erforderlich gemacht hat? Das träfe doch auch auf die anderen Jahreszeiten zu. Gern gelesen. Gruß vom Hans
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chorch chorch |
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