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06.02.2017, 11:26 | #1 |
Gelegenheitsdichter
Registriert seit: 09.11.2009
Ort: Im Wilden Süden
Beiträge: 3.210
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Schlussakt/e
Schlussakt/e
Der Stempel kommt aus seinem Kissen blau Und kalt: markiert Papier, macht offiziell, Was vorher noch im Ungefähren war. Es ist nun kundig, offen und ein Akt. Da liegt es, dieses eine Leben, kühl Und überzeitlich für die Nachwelt ruht Es auf dem Tisch, der silbern glänzt im Licht – Im Dunkeln ist er still und schimmert nicht. Man reicht sich eine kalte Hand und geht Dann seiner Wege, die man gehen muss. Es reicht für keinen Blick und keinen Kuss. Die Türe fällt ins Schloss. Die Akte ist Geschlossen, hängt im grauen Schrank, verstaubt. Es ist jetzt Leere da, die Atem raubt.
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Dichtung zu vielen Gelegenheiten -
mit einem leichtem Anflug von melancholischer Ironie gewürzt Alle Beiträge (c) Walther Abdruck von Werken ist erwünscht, bedarf jedoch der vorherigen Zustimmung und der Nennung von Autor und Urheberrechtsvorbehalt Geändert von Walther (07.02.2017 um 10:44 Uhr) |
06.02.2017, 11:49 | #2 |
TENEBRAE
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
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Hi Walther!
Ein ungereimtes Sonett - das erinnert an mein "Ungereimt"! Inhaltlich geht es vielleicht um einen Totenschein, aber der Text kann auch als allgemeine Mahnung wider die Seelenlosigkeit des Bürokratismus verstanden werden, wie ich glaube. Aber gut geschrieben aus meiner Sicht, keine Frage - die Reime fehlen kaum. Obwohl - ganz konsequent ist es ja nicht: S2Z3/4 - "Licht/nicht" S3Z2/3 - "muss/Kuss" S4Z2/3 - "verstaubt/raubt" - da haben sich doch ein paar Reime eingeschlichen! Schade, dass kein Rhythmus darin erkannbar ist, dazu müssten nämlich dann die beiden letzten Zeilen des ersten Quartetts ebenfalls gereimt sein. Dennoch gern gelesen - sogar ohne Reime, und das will bei mir was heißen! LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
06.02.2017, 20:25 | #3 |
Slawische Seele
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 5.637
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Lieber Walther,
beim Lesen dachte ich an Scheidung - nach eKy's Kommentar aber ist viel mehr drin und es gefällt mir. Das Ungereimte fiel mir zuerst nicht auf und es spricht für die Kunst. Gleichzeitig steigen Bilder von Besiegeln auf, sogar mit Ton - ja sogar die Lesart (beim 2. Mal) erhält jenen "Klopfer". Wahrlich gut gemacht. Liebe Grüße Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben. (Frederike Frei) |
07.02.2017, 12:07 | #4 |
Gast
Beiträge: n/a
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Lieber Walther,
Das klingt nach Abschied. Hier wird ein Lebensabschnitt verschlossen. Er wird Vergangenheit und die bildhafte Akte ist das was vom Vergangenen übrig bleibt. Papier ohne Lebendigkeit. Das du kaum reimst, ist mir beim ersten Lesen nicht aufgefallen. Es ist kunstvoll und sehr lyrisch. Ich habe dieses Gedicht schon mehrfach gelesen und es beeindruckt. Liebe Grüße sy |
07.02.2017, 18:51 | #5 |
Gelegenheitsdichter
Registriert seit: 09.11.2009
Ort: Im Wilden Süden
Beiträge: 3.210
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lb eKy,
danke vielmals für die unverhofften blumen. die reime sind zu anfang eher "versehentlich" hineingeraten. sie boten sich vom sinn her ohne veränderung des sprachflusses an. daß in s1 kein reim vorhanden ist, scheint am ende inhaltlich konsequent. wobei das auch nicht ganz korrekt ist, denn einen vokalreim (a auf a) haben wir ja. auch paßt die ordnung der hellen und dunklen vokale der beiden strophen gut zueinander. das wiederholt sich den terzetten. daher fallen die fehlenden endreime auch nicht so ins gewicht. lg W. lb Dana, die vokalanordnung bei den endsilben in den strophen ist nur auf den ersten blick willkürlich. sie folgt einen plan, wie jetzt herausgearbeitet wird. danke fürs erkennen. beim 2. mal lesen erhalten die kratzigen verse 8 und 13 einen sinn, nicht wahr? auch das habe ich mir so ausgedacht - die reime sind ein nebeneffekt. wichtig war die farbe des vokals der endsilbe. danke fürs reinlesen! lg W. lb Syranie, beglaubigte, gestempelte, trennungen sind die kühlsten. ein leben wird per verwaltungsakt/e beendet und das kodifiert. ich schreibe gerade an meinem roman mal wieder - da spielte ein solches ereignis gestern eine rolle. ich habe die stimmung poetisch aufgegriffen und verarbeitet. lleben dank fürs reinlesen und kommentieren! lg W. PS.: ich habe aber gleich etwas freundlicheres - sozusagen dem ende den anfang - hinzugefügt: http://www.gedichte-eiland.de/showthread.php?t=16496 - wenn ich einmal kurz werbung machen darf
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