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30.03.2017, 18:48 | #1 |
TENEBRAE
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Tod am Wegesrand
Immer wieder geht er seine Runde,
voller Demut ihre Bilder trinkend wie ein Bettler, der die welken Hände einem jeden aufhält, den er sieht - denn sie schließen ihm die alte Wunde, wenn ihr Glück, in Abende versinkend, ihn, der anders keinen Frieden fände, so beseligt, dass der Schmerz entflieht. Wo die Schatten Farben überbreiten, sie entufern in den Saum der Nacht, sieht er warten, was im Dämmern sacht ihn berühren möchte und begleiten. Und er hält den guten Freund umfangen wie die Dunkelheit, die ihn verhüllt. Aus der Stille, die ihn nun erfüllt, schweigt sein Leben wie dahingegangen.
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. Geändert von Erich Kykal (01.04.2017 um 12:10 Uhr) |
31.03.2017, 09:50 | #2 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Beiträge: 3.375
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Lieber Erich,
in deinem Gedciht hast du sehr eindrucksvoll das Hinübergleiten ins "Reich der Schatten" vor Augen geführt. Liebe Grüße Thomas P.S.: Vielleicht könntes du den Plural von "Abend" vermeiden?
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© Ralf Schauerhammer Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller |
31.03.2017, 14:18 | #3 |
Gast
Beiträge: n/a
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Hallo eKy,
Hier wird jemand abgeholt auf " die andere Seite". Du erzählst mit ruhigen lyrischen Worten, wie man sich das Sterben vorstellen könnte. Es wirkt nicht traurig, es ist sacht. Sehr gerne gelesen, auch wenn es die Endlichkeit beschreibt, die ja für alle ungewiss ist. Liebe Grüße sy |
31.03.2017, 17:24 | #4 |
TENEBRAE
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Beiträge: 8.570
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Hi Thomas!
Ich finde den Plural von Abend sehr schön und wohlklingend. Was stört dich daran? Hi Sy! Für mich nicht. Ich weiß, dass es keine Seele im philosophischen oder religiösen Sinne gibt, kein Bewusstsein ohne die chemoelektrischen Prozesse in der grauen Masse innerhalb unserer Schädel. Der Tod endet alles, und nichts reicht darüber hinaus als nur die Erinnerung der Hinterbliebenen. Wenn es anders wäre, denkst du nicht, man hätte in all den Jahrzehntausenden der Menschheitsgeschichte schon mehr darüber herausgefunden? Nein, hier ist nur der Wunsch der Vater des Gedankens! Dem Universum ist die Existenz des Menschen sowas von egal - wozu sollte da etwas über das biologische Ende hinaus existieren? Unser Ich, unser Selbstbewusstsein ist nur ein Überlebenstrick der biologischen Maschine, die unser Körper darstellt. Mit Ego überlebt es sich einfach besser als ohne Selbsterhaltungstrieb! Mehr ist da nicht dran. Dennoch gefällt mir das Bild eines personifizierten Todes, der Gevatter in Kutte und mit Sense und Sanduhr, ziemlich hager, wenn nicht gar knochig , der das Ende begleitet und das Bewusstsein seiner "Kundschaft" "irgendwo" abliefert - eine romantische Vorstellung, die zB. in Terry Pratchett's Version des Todes der Scheibenwelt sehr liebevoll ironisch kolportiert wird. LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
31.03.2017, 20:06 | #5 |
Erfahrener Eiland-Dichter
Registriert seit: 24.04.2011
Beiträge: 3.375
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Lieber Erich,
mir würde das Versinken in einem Abend ausreichen, bzw. in der kurzen Form kann ich mir schwer Abende, d.h. Abend für Abend vorstellen. Ich kann es leider nicht genau erklären. Es ist deswagen auch nicht besonders wichtig. Liebe Grüße Thomas
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© Ralf Schauerhammer Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller |
01.04.2017, 00:27 | #6 |
TENEBRAE
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Beiträge: 8.570
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Hi Thomas!
Das Gedicht beginnt ja damit, dass er "immer wieder", also allabendlich seine Runde geht, ein liebgewonnenes Ritual alter Menschen. Daher ist der Plural "Abende" durchaus statthaft, umso mehr, da sie in einem beschreibenden Kontext Erwähnung finden, der das Glück der Bilder erklärt, die ihm jeden Abend die "alten Wunden" besänftigen. LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. Geändert von Erich Kykal (04.06.2017 um 10:51 Uhr) |
01.04.2017, 06:13 | #7 |
Kiwifrüchtchen
Registriert seit: 23.05.2009
Ort: nördlich von Auckland/Neuseeland
Beiträge: 945
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Kia ora, Eky
dieser wunderschöne Text ist ja geradezu maßgeschneidert auf meinen Geschmack. Ich mag den personifizierten Tod... die Namen, die man ihm angedeihen lässt, sowie auch die Bilder, mit denen man ihn zeichnet faszinieren mich auf eine ganz eigene Weise. Und die düsteren Adjektive, deren sich der Dichter bei diesem Thema bedienen kann, klingen für mich ganz besonders poesievoll. Romantisch? Morbid? Was auch immer... ich steh einfach drauf. Sehr eindrucksvoll stellst du hier den "letzten Gang" als ein Zusammentreffen zweier Freunde dar. Ging der Alte womöglich mit Absicht jeden Abend die gleiche Runde, in der Hoffnung, auf den dürren Schnitter zu treffen? Ich meine, genau das hatte er im Sinn, zumal er bei diesen Spaziergängen die guten Erinnerungen abrufen konnte, um mit allem, was ihm wichtig war und ist, ins Reine zu kommen, den inneren Frieden zu erlangen. Wirklich gelungen dargestellt, lieber Eky. Diesmal jedoch brauche ich deine Erklärung, ich komm einfach beim Aufdröseln des Satzgefüges nicht zurecht: Für mein Verständnis bezieht sich Z 5 auf "ihre Bilder", die hier die alte Wunde schließen. Klar. Z 6 bezieht sich ebenfalls auf die Bilder, die Glück beinhalten, welches in Abende versinkt. Auch klar. Z 8 bezieht sich nicht mehr auf die Bilder als solche, sondern auf ihren Inhalt - das Glück, welches ihn dermaßen bewegt, dass der Schmerz entflieht. Klar. Fazit: Wenn ihn das Glück "bewegt", müsste hier auch "bewegt" stehen und nicht "bewegen". Wie oft ich es auch lese, das "bewegen" krieg ich nicht auf die Reihe. In S 2, Z 7 gehört mM nach "aus der Stille..." oder "in die Stille"... hier gibts zig Möglichkeiten. Das, was hier steht: "aus die Stille, die ihn nun erfüllt"... ist keine. Ein hinreißend schöner und gefühlvoller Text. Sehr gern gelesen und besenft hat Lai
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.................................................. ........................................... "Manchmal ist es so demütigend, ein Mensch sein zu müssen..." Erich Kykal Geändert von Lailany (01.04.2017 um 06:28 Uhr) |
01.04.2017, 12:14 | #8 |
TENEBRAE
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Beiträge: 8.570
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Hi Lai!
Ich schätze die Kollegen, die wirklich genau hinschauen und sich auch nicht scheuen, das Fragliche anzusprechen! Vielen Dank dafür! In beiden Fällen hast du recht - hier habe ich dank mehrfacher Umbauten und schlampigen Korrekturlesens gleich zwei Fehler übersehen! Hab's natürlich sofort korrigiert! Vielen Dank für dein tolles Lob. LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
01.04.2017, 20:37 | #9 |
Kiwifrüchtchen
Registriert seit: 23.05.2009
Ort: nördlich von Auckland/Neuseeland
Beiträge: 945
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Nix zu danken, lieber Eky,
allein schon für das neue Wort hat sich die Motzerei gelohnt: "beseligt" empfinde ich als lyrisch weit schöner als "bewegt". LG von Lai
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.................................................. ........................................... "Manchmal ist es so demütigend, ein Mensch sein zu müssen..." Erich Kykal |
01.04.2017, 21:35 | #10 |
TENEBRAE
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Hi Lai!
Auch nix zu danken! Die Änderung ist dir zu verdanken! Wie ich sehe, hast du wieder einen meiner Sprüche zu deiner neuen Signatur gemacht. Wird das zur Gewohnheit? - Ich fühle mich geschmeichelt! LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
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