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18.02.2018, 21:11 | #1 |
TENEBRAE
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Beiträge: 8.570
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Waldandacht
Der Atem meines Waldes streicht vorüber,
ein kühler Hauch aus dunkelgrüner Tiefe, als ob ein Gott die Zeit darin verschliefe, und sich im Traume wunderte darüber. Ein Tagverblassen malt die Farben trüber: im Buch des Lichts die schließende Serife, und eine schmale Träne tut, als liefe sie mir davon: Mir geht das Auge über! In diesem weihevollen Reich geborgen, wie keines Architekten Kirche kann, entsickern mit der Zähre meine Sorgen ins Schattenreich der säulenhohen Bäume, und was mither aus meiner Seele rann, erleichtert meine Nacht im Reich der Träume.
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. Geändert von Erich Kykal (19.02.2018 um 11:28 Uhr) |
18.02.2018, 22:43 | #2 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Beiträge: 539
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Hi eKy,
wie gern bin ich dir in den Wald gefolgt und habe dieser Andacht beigewohnt. Wunderwunderschön! Chapeau! Bravo! Ich bin geplättet. Eine kleine Kleinigkeit: Die Wiederholung von "rinnen" hat sich für mich beim Lesen etwas - wie soll ich sagen - unrund angehört. Hier würde ich möglicherweise nochmal überlegen. Vielleicht "verfließen" anstatt "verrinnen"? Sehr gern gelesen und genossen! Gruß, Laie |
19.02.2018, 00:53 | #3 |
TENEBRAE
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Hi Laie!
Danke für die Blumen! Das "verrinnen/rann" ist bewusst gesetzt, um den Bezug zu verdeutlichen, dann es immer noch um die "Zähre" geht, bzw. darum, was mit mit ihr entfloss. Die Wiederholung ist zudem phonetisch unauffällig, da die Mitvergangenheitsform anders klingt. Aber ich werde darüber nachdenken. LG, eKy PS: Hab's noch mal umgebastelt, deinem Vorschlag Rechnung tragend. Vielen Dank nochmal!
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
19.02.2018, 09:17 | #4 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Lieber Erich,
warum hast du es geändert? Dein Argument war stichhaltig. Wiederholung ist ein gutes Stilelement, auch wenn es bei Forendichter verboten ist. "verdunsten" ist schlechter. Ich habe die ursprüngliche Fassung nicht, vermute aber, dass du "verrinnen" dadurch ersetzt hast. Das einzige Problem sehe ich in den Zeilen: "als ob ein Gott die Zeit darin verschliefe, und sich im Traume wunderte darüber." Den "Gott: nehme ich dir nicht ab, "Geist" würde zu dir passen, oder wolltest du einen ironischen Ton? Auch das "im Traum wundern" klingt mir seltsam, weil ich kein wirklich Bild damit verbinden kann. Ansonsten kann ich mich dem Lob anschließen. Liebe Grüße Thomas
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© Ralf Schauerhammer Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller |
19.02.2018, 10:04 | #5 | |
ADäquat
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Servus Erich,
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19.02.2018, 11:37 | #6 |
TENEBRAE
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Hi Thomas, Chavi!
Ich teile zwar eure Meinung zu "verdunsten" nicht vollständig (ich urteile oft mehr nach Wortklang als nach den damit sich verbindenden Bildern), sehe aber ein, dass der Terminus für so ein romantisches Werk zu "technisch" wirken könnte. Ich hoffe, mit "versickern" kann nun jeder leben. Ursprünglich dachte ich, die Wiederholung würde die inhaltlichen Bezüge verdeutlichen, aber als ich es dank Laies Anregung mit anderen Worten versuchte, merkte ich, dass das gar nicht nötig war. Da ich Wiederhloungen gern meide wie der Teufel das Weihwasser - es sei denn, aus triftigen lyrischen Gründen - habe ich beschlossen, die Dopplung zu beseitigen. Lieber Thomas: Den "Gott" würde ich mir auch nicht abkaufen, aber als Mittel der Verdeutlichung einer transzendenten Stimmung kann er herhalten, vor allem wenn seine Existenz ohnehin in einem Konjunktiv formuliert ist. Mit einem "so, als ob" legt man sich nicht fest. Es ist nur ein griffiger Vergleich, mit dem sich auch ein Atheist abfinden kann, oder? Vielen Dank für eure Ansichten! LG, eKy
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19.02.2018, 11:48 | #7 | |
ADäquat
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Hi Erich,
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19.02.2018, 12:08 | #8 |
TENEBRAE
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Hi Chavi!
Also womit DU persönlich die Begriffe verbindest, dafür kann ich nun wirklich nichts! "Entsickern" ist für mich ein friedvoller Vorgang, wie Tau, der im Moos versickert, oder Regen in der Erde ... - an solche Bilder denke ich da in wäldlicher Umgebung! Genausogut könnte man meckern, dass "verrinnen" einen an verrostete Regenröhren, Abflüsse und Kanalisation erinnert, oder an die Pissrinne in einer öffentlichen Toilette! Nö du, das bleibt jetzt mal so. Ich mag nicht mehr dran rumbessern ... LG, eKy
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19.02.2018, 14:19 | #9 |
Gast
Beiträge: n/a
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Hey eKy,
Wie immer von dir, ein wunderschönes Waldgedicht. Der Melancholie kann ich gut folgen, weil ich bei mir zu Hause Bäume fällen musste. Und die Kirchen als Wald sehen, das finde ich auch gelungen. Was für Architekten sind Bäume! Zu deiner Wortwahl wurde ja schon einiges gesagt. Vielleicht: "es fließen mit der Zähre meine Sorgen" Es ist ein unnachahmliches Gedicht von dir. Sehr gerne gelesen sy |
19.02.2018, 16:15 | #10 |
TENEBRAE
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Hi Sy!
Danke für dein zärtliches Lob! Bei "fließen" gefällt mir das "es" davor nicht, und "zerfließen" trifft es nicht mehr ganz. Ich finde das "versickern" gut - der Wald saugt Sorgen und Trauer auf und wandelt sie in Wachstum und Gedeihen! Ein schönes Bild, finde ich. LG, eKy
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