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21.02.2018, 00:48 | #1 |
Gast
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Im Frühlingsanfang
Er liegt mir fern und nur ein Flüstern reift
im Grellen der Steppe des ewigen Eises. Ein junger Wind, der nach den Wäldern greift, gebiert verwirrte Töne, und ein leises Erbeben aus Osten hat Blumen befreit. Was wär, wenn mir ein letzter Tag noch bliebe, im Eise hier, im Kaltsein der Allee. Wo schwebt das gelbe Kleid der warmen Liebe? Und tut den kleinen Blumen das Blühen weh? Vereist erstarren die Wälder in Ferne und atmen sich ganz zögerlich entlang den immer kürzerem Erzittern der Sterne, an Tagen voller Glück: im Frühlingsanfang. Geändert von Eisenvorhang (21.02.2018 um 00:54 Uhr) |
21.02.2018, 19:54 | #2 |
ADäquat
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Hallo EVG,
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21.02.2018, 23:24 | #3 |
Gast
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Hi Chavali!
Es freut mich! Das Frühlingsgedicht ist ein metrischer Mischmasch, aber das wird Dir schon aufgefallen sein (ist gewollt). Schön, dass es Dir gefällt! Hab Dank fürs Lesen und Kommentieren! vlg EV |
22.02.2018, 17:57 | #4 |
Gast
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Hi EV!
Sehr spannende Zeilen und einige sehr schöne Formulierungen! Für mich aber noch nicht ganz ausgereift. Wir haben jetzt an verschiedenen Stellen über metrische Korsettierung und das für und wider einer freieren rhythmischen Handhabung debattiert und ich bin grundsätzlich ein Freund sowohl strengerer Metriken als auch etwas unorthodoxerer Herangehensweisen. Für mich persönlich sind aber in Deinem Beispiel die Regelverstöße gegen das Metrum etwas zu viel des Guten. Als Grundmetrum Deines Gedichts könnte man wohl den 5-hebigen Jambus definieren - wenn ich grad richtig mitgezählt habe, entsprechen 8 der 13 Verse diesem Schema. Die Abweichungen von diesem Grundschema kommen mir aber vielfach etwas willkürlich vor. Dies gilt ausdrücklich nicht für die 2. Zeile "im Grellen der Steppe des ewigen Eises": Hier einen sehr beweglichen Klang zu intonieren, passt gut zum Stichwort "Grellen" (irgendwie käme mir zwar ein Gellen sinnvoller vor, weil dann ein akustischer Reiz (Flüstern) einem andern akustischen Eindruck zugewiesen würde - aber das ist mal wieder Geschmackssache... ). Im Folgenden kann man dann zwar immer noch inhaltliche Entsprechungen zu rhythmischen Abweichung finden - aber das Instrument nutzt sich m. E. im Laufe des Gedichts durch den Vielgebrauch etwas ab... also würde ich - langer Rede kurzer Schluss - dieses Mittel in einem Gedicht etwas sparsamer dosieren. Und dann gibt's natürlich noch als Abschluss des Gedichts die Irregularität im Endreim: "Anfang" auf "entlang".... also mit sowas würd ich höchst vorsichtig umgehen... das Genie kann sowas mal bringen und unbeschadet aus der Nummer hervorgehen, aber ich wäre damit zurückhaltend. Einzige Ausnahme vom "Verbot" solcher "falschen Reime" wäre m.E. ein Text, der einen stark poetry slam-artigen Aus-dem-Stegreif-Eindruck vermitteln soll und vielleicht auch Rap-Anleihen nutzt... insgesamt deutlich mit Umgangssprachlichkeiten, Reimhäufungen, Halbreimen und Assonanzen spielt und eben auch nicht zu ernst gemeint rüberkommt. |
22.02.2018, 18:03 | #5 | |
ADäquat
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22.02.2018, 18:55 | #6 |
Gast
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Hi Sufnus,
was mich sehr interessiert ist: was ist an dem Reim "entlang" - "anfang" gefährlich? Und wieso muss der Dichter deswegen ein Sprachgenie sein? Ich verstehe die Botschaft dahinter nicht. Gellen find ich cool und nehme ich! Danke für Deinen Kommentar Hi Chavali, da hast du vollkommen recht und irgendwie ist es auch für mich an der Zeit wieder zu experimentieren. Schaden kanns nicht, im Gegenteil. Danke! :-) vlg EV |
23.02.2018, 12:04 | #7 | |
Gast
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Zitat:
Die Regel für den klasssischen Endreim sieht nun im Deutschen vor, dass eine Laut- und Betonungsgleichheit ab dem Vokal der letzten betonten Silbe vorliegen muss: Weinen (Xx, ab letztem betonten vokalischen Laut: -einen, betont-unbetont) reimt sich also auf Vereinen (xXx, ab letzter Betonung ebenfalls: -einen, betont-unbetont). Der Reim "entlang" auf "Anfang" verstößt folglich gegen diese Regel, weil das "ang" bei Entlang betont, das "ang" bei Anfang aber unbetont ist. Ein korrektes Beispiel wäre z.B. so etwas wie: "Ich spüre großen Schmerzdrang, / drum ist mir äußerst Herzbang". Hier ist in beiden Reimwörtern die "ang"-Silbe unbetont und er Reim beginnt schon eine Silbe vorher bei "erz" (betont). Man kann natürlich ein bisschen Tricksen. Im Grunde ist dem Deutschen die Vorstellung von zwei aufeinander folgenden unbetonten Silben etwas fremd und gänzlich sträubt sich das Deutsche gegen die Aufeinanderfolge von zwei betonten Silben. Das führt dazu, dass in Silbenfolgen mit dem natürlichen Betonungsschema Xxx, in gebundener Sprache (klass. Gedicht) eine Tendenz entsteht, das natürliche Schema einem übergeordneten Rhythmus anzupassen: Das Wort "Daktylus" hat das natürliche Schema Xxx. Das wird aber etwas aufgeweicht in Versen der folgenden Art: "Der Daktylus, der Daktylus / verweigert mir den Musenkuss". Eigentlich dürfte sich Daktylus nicht auf Kuss reimen (und tut es auch im Beispiel nur etwas ungeschickt, aber zumindest ist es nicht eindeutig falsch): Bei Daktylus (Xxx) ist das "us" natürlicherweise unbetont, es sollte sich also überhaupt nicht auf Musenkuss (XxX) reimen ("uss" = betont). In diesem Beispiel passt sich aber das Wort "Daktylus" dem Metrum etwas an und die Verse lassen sich (mit ach & krach und leichtem rumpeln) jambisch lesen: "Der Daktylus, der Daktylus" = xXxXxXxX, womit das "-us" von Daktylus plötzlich einen betonten Charakter annimmt und sich (zur Not!) auf Kuss reimt. Mit dem Wort "Anfang" (Betonung Xx) könnte man den gegenteiligen Trick veranstalten und zwei Betonungen aufeinander folgen lassen, z. B. wie in "Wortanfang". Dieser Dreisilber wird eigentlich auf der ersten Silbe betont, wonach dann das eigentlich trochäische (Xx) "-anfang" folgt. Eine Betonungsabfolge XXx ist aber im Deutschen, wie oben ausgeführt, nicht wirklich vorgesehen, so dass sich auch hier die Betonungen verschleifen, "Wortanfang" wird irgendwie auf die ersten zwei Silben verteilt betont, kein Mensch kann so richtig sagen, wie das zu ver-ixen ist. Man könnte also folgenden Reim komponieren: "Ich las ein langes Wort entlang, / vergaß dabei den Wortanfang." Das ist noch etwas gruseliger gereimt als im obigen Beispiel "Daktylus" auf "Kuss", aber als kleines Kunststück aus der Trickkiste mag es taugen. Dabei hilft in diesem Beispiel sicher die Wortgleichheit von "Wort-", so dass ein ungefähr Doppelreim-artiges Klangbild entsteht. Der Punkt ist aber in jedem Fall, dass solche etwas erzwungenen Reime immer eine starke Tendenz zum Lustigen haben - kein Problem also bei Gedichten, die als Scherzpoesie angelegt sind, schwierig hingegen bei "ernst" gemeinten Versen, wo die große Gefahr unfreiwilliger Komik entsteht. |
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23.02.2018, 12:20 | #8 |
Gast
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Hi Sufnus,
cool danke! "Die Regel für den klasssischen Endreim sieht nun im Deutschen vor, dass eine Laut- und Betonungsgleichheit ab dem Vokal der letzten betonten Silbe vorliegen muss: Weinen[...]" Echt? Kann ich das irgendwo nachlesen? Danke für die Mühe Deines Kommentars und die Theorie. In der Schule brach ich immer Regeln, weil sie mir ziemlich sinnlos erschienen und das provozierten, was sie zu verhindern versuchten. Wenn ich Gedichte schreibe, dann fast nach Gefühl und Klang, selten korrigiere ich X'se. Ich finde, es sollte schön klingen und sich irgendwie fügen. Da das mit den Gedichten immer extrem subjektiv ist und ich mittlerweile viel Erfahrung, dank Feedback, sammeln durfte, weiß ich auch, neben dem Regelwerk, dass man auch oft nicht verstanden wird. Was in dem Gedicht aber keineswegs der Fall ist. Ich bin jetzt um etwas theoretisches Wissen reicher, aber ob ich je davon Gebrauch machen werde, wage ich zu bezweifeln. :-) vlg EV |
23.02.2018, 12:46 | #9 |
Gast
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In der Kunst sollte man nur Regeln brechen, denen man sich zuvor unterworfen hat. Der Bruch einer Regel, die man nicht genauestens kennt, ist ein Kunstfehler, der Bruch einer eingehend studierten Regel ist die hohe Kunst.
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24.02.2018, 14:09 | #10 |
Gast
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Hm - da hast Du vollkommen recht.
Danke Dir für den Gedanken. Hast Du Literatur studiert, Sufnus? |
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