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02.02.2010, 08:13 | #1 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Hotel Mama, tadellos
Der Bub ist sechsundzwanzig Jahr,
einsachtzig, dunkelbraunes Haar, hat breite Schultern wie ein Ringer! (Zu gut für diese jungen Dinger, die nach ihm schielen mit Begierde.) Das Kind ist meine ganze Zierde. Und brav ist er! Am Sonntagmorgen tut er die Brötchen mir besorgen, trägt gleich den Müll raus und dafür kriegt er das Frühstück dann von mir! Der Bub ist ja so wohlerzogen: Hat nie gestohlen, nie gelogen, hat in der Schul gut aufgepasst. ("cum laude" sogar ausgefasst) Der Apfel fällt nicht weit vom Holz: Mein Sohn, er ist mein ganzer stolz! Und seit mein Ehemann verschieden leb ich allein mit ihm, zufrieden. Ich koch ihm nur sein Lieblingsessen. Er soll halt nie darauf vergessen: Es wird für ihn im ganzen Leben wie mich wohl keine andre geben! Kein Weib wird je bei meinem Steffen die Mutterliebe übertreffen! So leben wir, ich und mein Sohn, in friedlichster Realunion! |
02.02.2010, 10:52 | #2 |
ADäquat
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Liebe larin,
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02.02.2010, 12:07 | #3 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Hey Larin,
ein schönes Thema hast du dir da ausgesucht. Ich dachte gerade noch einen Schritt weiter und mir fiel spontan „Herzflimmern“ von Luis Malle ein. Man hört gewisse Sachen von den Söhnen, beschränkt sich Mama nicht aufs Bügeln, will ihren Sohn auch andernorts verwöhnen kann sich selbst da nur selten zügeln. Die Mami ist in jedem Falle kompetent, sie kann auch da den Überschuss verwalten. Weil sie, geübt die besten Kniffe kennt, sie ist perfekt - es ist kaum auszuhalten. Unernster Gruß vom Hans
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chorch chorch |
02.02.2010, 19:54 | #4 |
Lyrische Emotion
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Liebe larin,
dein Gedicht hat mich auf ganz andere Weise ergriffen, denn genau so einen Fall kannte ich. Ich habe den jungen Mann, damals war er 25 Jahre alt, über 8 Jahre lang ein Stück des Weges begleitet. Damals hatte ich ein Geschäft und er kam immer zu mir. Wir tranken Kaffee, rauchten ein paar Zigaretten und unterhielten uns über Gott und die Welt. Nur seine Mutter war ihm irgendwie ein Heiligtum, über die er nicht reden wollte. Er war der jüngste von drei Brüdern, die beiden anderen hatten schon Familie und M. war der, der bei Muttern blieb. Als ich ihn mal einlud zu uns nach Hause, ist er trotz Zusage nicht gekommen. Aber einmal ging er mit uns zur Kirmes (Jahrmarkt) und kam erst nach Mitternacht nach Hause. Da hat diese Frau ihn tatsächlich ausgesperrt und er musste zu einem seiner Brüder. Er hat alles in der mütterlichen Wohnung gemacht, gestrichen, tapeziert, eingekauft etc. Sie hat ihn bekocht und "ummuttert", aber auch strenge Regeln auferlegt. Nachdem wir uns dann aus den Augen verloren, hat er sich wohl doch den Mut gefasst und ist ausgezogen. Ein Jahr später verstarb er. Danke, daß du mich mit deinem Gedicht an ihn erinnert hast. Das ist eine völlig falsche Mutterliebe und ein unglaublicher Egoismus, für den es keine Worte gibt. Daß dein Gedicht, wie immer, technisch einwandfrei ist, brauch ich ja nicht zu erwähnen. In diesem Sinne gerne gelesen und kommentiert... Liebe Grüße Bis bald Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine) Für alle meine Texte gilt: © Falderwald --> --> --> --> --> Wichtig: Tipps zur Software |
02.02.2010, 20:08 | #5 |
MohnArt
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Oh je, liebe Larin!
Was für eine Mutter - natürlich nie egoistisch ( meint der Jung) und voller Aufopferung (meint der Jung auch). Was soll bloß aus dem Bübchen werden? Leider gibt es bestimmt eine Menge davon, die nicht von Mamas Liebe loskommen. Gut bedichtet, findet grüßend, Klatschmohn |
02.02.2010, 21:00 | #6 |
Slawische Seele
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Liebe larin,
weißt du, was dir besonders gut gelungen ist? Dein Gedicht steht da, technisch einwandfrei und gibt eben diesen (kalten) Stolz der Mutter wieder. Sohnemann taucht als wirkliche Person gar nicht auf - genial die Wiedergabe. An den Kommentaren merkt man, dass jeder nur zu gut verstanden hat. Das pure Gegenteil von den Kindern, die Flügel von ihrer Mutter bekommen. Das Traurige daran ist: Und sollte dieser arme Bub sich doch für eines der "jungen, dummen Dinger" entscheiden - wird sie alles dran setzen, es ihm zu vergraulen. Und sollte dieser Bub es wagen, zu seiner Partnerin zu stehen - wird sie ihn fallen lassen, als wäre er nie ihr Sohn gewesen. Ein erschütterndes und sehr gutes Gedicht. Liebe Grüße Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben. (Frederike Frei) |
03.02.2010, 09:40 | #7 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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hallo chavali,
erstaunlicherweise halten manche männer genau diese art gemeinschaft sehr lange aus (manche noch bis weit ins vierzigste lebensjahr hinein!): hin und wieder haben sie eine freundin ( zum amüsieren) und mama daheim erledigt den rest. von einer gleichaltrigen partnerin erwarten sie natürlich die gleiche selbstlose hingabe. sollten sie mama dann doch mal verlassen, übernimmt die spätere frau/ freindin dann die rolle der versorgerin.( die geliebte kann "mann" ja bequem auch weiterhin außer haus suchen.) ich kann deinen ärger also sehr gut nachvollziehen. schließlich und endlich sagte auch ich mir irgendwann einmal: "nie wieder einen mann frisch von muttern!" und damit bin ich gut gefahren. hallo hans, so überperfekt, wie du dir die mama vorstellst, muss sie gar nicht sein, damit der sohn eine macke davonträgt! aber man weiß ja nie, was daheim hinter verschlossenen türen vor sich geht.... hallo falderwald, als jüngster von drei brüdern hatte es der junge mann wohl ganz besonders schwer - er fühlte sich offensichtlich verantwortlich für das glück der mutter. solche verstrickungen passieren häufig. ( es gibt übrigens auch väter, die an ihren kindern klammern! andere mütter wiederum klammern an den töchtern. hin und wieder umklammern auch die kinder ihre eltern!) das schlimme an solchen gefühlsklammern ist aber dies: es steckt nicht nur egoismus dahinter, sondern eben auch liebe ! und diese beruht auf gegenseitigkeit. in wahrheit verbirgt sich hinter dem "egoismus" des erziehenden die übergroße bedürftigkeit des kindes, das er einmal selber war. und genau diese bedürftigkeit versuchen die kinder (unbewusst) zu lindern. (was natürlich auf diesem wege nicht möglich ist und sie nur einen teil ihres eigenen lebens kostet). es nützt daher gar nichts, den egoismus zu verdammen, ohne die liebe dahinter mit in den blick zu nehmen. daher hilft bloßes zureden hier so wenig, weil das problem ein systemisches ist. ( und als beziehungsmuster oft über generationen "weitervererbt" wird) in einer fortbildung erzählte uns einmal ein therapeut folgende geschichte: ein patient kam zu ihm in die therapie, weil er übergroßen waschzwang hatte ( ca. 30-40mal am tage wusche er sich die hände). er lebte noch daheim bei seiner mutter, die sich aufopferungsvoll um ihn und seine krankheit kümmerte. dem therapeuten gelang es schließlich, den patienten vom symptom seines waschzwanges zu befreien, worauf folgendes passierte: die mutter des patienten wurde schwer krank! das bewirkte einen rückfall beim patienten, worauf die mutter rasch gesundete. letztlich war eine "lösung" des problems nur über einen deal möglich: der therapeut lehrte seinen patienten, herauszufinden, wie wenig oft händewaschen möglich war, ohne dass die mutter erkrankte ( denn offenbar erfüllte das "sich kümmern um das kranke kind" eine sehr wichtige funktion innerhalb dieser beziehung). diese methode führte dann zum "erfolg": die beiden konnten aber nicht restlos von einander lassen - sie brauchten einander zu sehr. dass der junge mann ein jahr nach seinem auszug von daheim starb, hört sich schaurig an - so als hätte er noch gar nicht frei sein "dürfen". "außenrum" kann man sich also leichter "befreien" als "innendrin" - denn die wirkungen sitzen immer in der tiefe und gehen da auch weiter..... ein jammer, den (vielleicht) nur verhindern kann, wer um solche wirkungen weiß.... liebe klatschmohn, wir alle kommen lange nicht von dem los, was uns die eltern mitgegeben haben ( im guten wie im schlechten ). es nützt nichts, außer: immer wieder mal die eigene "müllkiste" durchforsten. generell gilt wohl: je freier man selber ist, desto freier kann man auch andere lassen. aber diese innere freiheit ist nichts, was mit (waffen)gewalt errungen werden könnte. ich sehs zuversichtlich: der "bub" kann noch alles mögliche werden! er ist ja erst sechsundzwanzig. wer weiß, wen er noch alles trifft? liebe dana, du hast recht: diese konkurrenzkämpfe zwischen schwiegermutter und schwiegertochter sind ein überaus grausliches kapitel - und ich bin heilfroh, dass ich selbst in meinem leben niemals damit konfrontiert war. als ich beim schreiben des gedichtes in die rolle der mutter schlüpfte, spürte ich aber nicht nur den stolz und die angst zu verlieren, ich spürte nicht nur die feindseligkeit und rivalität zu anderen frauen , ich spürte vor allem auch diese übergroße liebe, die sich auf einen einzigen punkt in der welt konzentriert.... es gibt auch männer, die so lieben - und wo es dann oft in eine katastrophe mündet, wenn die partnerin gehen will.... herrschsucht zur absicherung des eigenen selbstbildes ist also nicht allein ein frauenproblem........ danke an alle kommentierenden für die reichhaltigen überlegungen! larin |
03.02.2010, 10:20 | #8 |
asphaltwaldwesen
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puh, larin!
wer ein wenig bescheid weiß um die zusammenhänge menschlicher verstrickungen und deren mögliche auswirkungen, den erfasst beim lesen deines nur scheinbar so locker-leicht-zwinkernden textes der grusel. die kommentare meiner vorschreiber und deine ergänzenden schilderungen bestätigen dies nur und so brauch ich mich dem lob nur noch anzuschließen: ein starkes stück - dein gedicht! sehr gern (und eben mit angemessenem grusel) gelesen. lieber gruß, fee
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"Gedichte sind Geschenke an die Aufmerksamen" Paul Celan |
06.02.2010, 14:00 | #9 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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liebe fee,
danke auch dir für den kommi! es ist ja so: oft sind es nur winzige schritte von der "ganz normalen" mütterlichen fürsorge zu einem gefüge wie oben beschrieben. abgesehen davon: die söhne wirken in dem geschehen gründlich mit. mitunter sinds ja auch die söhne, die dann die mama "einwickeln" - also aufgepasst! wir sind alle verführbar, durch liebe...... selbstkritisch über die eigene schulter guckend, larin |
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