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#1 |
asphaltwaldwesen
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deine hände / mutter / wie sie geschirr trocknen
mit weichem tuch / über gewölbtes streichen / in höhlen weißen porzellans letzte feuchte abstreifen / über hüften / an schürzentuch durch locken fahren / aufschütteln / und ordnen ganz in gedanken / zu einem lächeln / auf den lippen deine hände / wie sie die fiebrige stirn fühlen böse geister austreiben / zu leisen liedern / mutter wie sie zerrissene kittel flicken / nadelein nadelaus heil machen / mutter / zerbrochnes und missgeschicke weh wegstreicheln / zum weichen klang von worten meine kinderhände / sie halten / deine warmen hände / mutter / sie fehlen .fee `11 Geändert von fee (28.12.2011 um 12:21 Uhr) |
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#2 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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liebe fee,
da weht eine sehnsucht aus den zeilen, ein kinderweinen nach der mutter... fotoalben haben generell die tendenz, mich melancholisch zu stimmen: sie machen das verfließen der zeit sooooo sichtbar! an manches will man gar nicht erinnert werden. anderes wiederum fehlt einem dann ganz besonders - auch wenn man dessen verlust längst verschmerzt hat. die kraft und magie der bilder ist doch eine rätselhafte.... mitgewandert durch die bilder, larin
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Cogito dichto sum - ich dichte, also bin ich! |
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#3 |
asphaltwaldwesen
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liebe larin,
meinen allerliebsten dank für deine einfühlsamen zeilen zu meiner nostalgie-foto-reise. ja - die melancholie wars, die mich zu diesen zeilen gradezu getrieben hat. ich habe zum runden geburtstag meiner schwester nämlich all unsere super8-filme digitalisieren und daraus die szenen mit ihr quer durch alle altersstufen vom baby bis zum teenager (eben bis dort, wo die super8-filmerei ihr ende nahm) zu einem "nostalgie-erinnerungs-film" zusammenschneiden lassen. ich sag dir: die laufenden bilder (auch noch mit sanfter klavier-untermalung in szene gesetzt) mit all den glücklichen plätzen und momenten der kindheit - ich bekam beim schauen wirklich feuchte augen. man fragt sich, wo die jahre hin sind. man sieht geliebte menschen, plätze und momente, zu denen man nicht mehr zurück kann, die aber erfüllt waren von unbeschwertheit, glück und ganz viel liebe. und dann vermisst man - wie du ganz richtig sagst - obwohl man damit längst abgeschlossen hat. umso mehr freuen mich deine worte zu meiner erinnerungs-kinder-sehnsucht. das gedicht war für mich ein "muss" und die form hab ich so zum ersten mal versucht. wie schön also, wenn alles ankommt, was ich versuchte reinzupacken! danke! deine fee |
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#4 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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hallo fee,
es hat da wohl eine geheime bewandtnis mit alten familienerinnerungen. zum siebziger meines vaters stellte mein onkel mal auch so ein familienfilmchen zusammen, untermalt mit tonbandaufnahmen aus den frühen fünfziger und sechziger jahren, die ein anderer onkel gemacht hat. es geht einem unter die haut, wenn man menschen, die seit jahren tot sind, plötzlich wieder reden hört..... ihre alltagsgespräche, ihre witze, wie sie zueinander standen - man kann es oft aus ganz wenigen worten herausspüren. mir wurde damals auch einiges über mich selber klar: was prägend war, ohne dass ich ein bewusstsein darüber hatte. mit fotos kann es einem genauso ergehen. mein vater hat unlängst im internet ein frühes bild seiner mutter gefunden (!). insoferne die vergangenheit und die damit verbundenen erinnerungen ja auch wie spotlights auftauchen, passt die form deines gedichtes ganz genau dazu: ein blitzlich hier - ein blitzlicht da, viele kleine mosaikstücke, zwischen denen man das gesamte bild erahnt.... ich werd schon wieder ganz melancholisch..... und langsam versteh ich meine mutter: die ist seit jahren "fotoflüchtig" - und will sich nicht mehr fotografieren lassen. ich eigentlich auch nicht mehr! ( dann muss ich in zwanzig jahren nicht meinem heutigen ich nachweinen!) die babyfotos meiner kinder hingegen - die gucke ich mir immer wieder und gerne an. ![]() liebe grüße, larin
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#5 | |
asphaltwaldwesen
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liebe stimme,
dein lob freut mich sehr. danke dafür! vor allem, dass du die "dosis" "mutter" anscheinend als passend empfindest. ich habe vor allem da länger getüftelt, wie oft das wort mutter im text vorkommen sollte/könnte, ohne zu "tränendrüsig" aufdringlich zu sein. irgendwann hab ich einfach das tüfteln gelassen und die platzierung und wiederholung der "hände" und der "mutter" meinem bauchgefühl überlassen und einem gespürten rythmus, der mit dem inhalt in einklang stehen sollte. meine angst, dass die wiederholungen dennoch als aufdringlich und zu gewollt empfunden werden könnten, war schon da. umso mehr freut mich, dass es anscheinend genau passt von menge und verortung. ![]() liebe larin, fotos, die uns liebe menschen wiederbringen, verwandte zeigen, die wir selbst nicht mal kennengelernt, von denen wir aber schon als kind gehört haben, was wir von ihnen "geerbt" hätten als verhalten oder aussehensmerkmal, haben tatsächlich eine art magie. inzwischen kann ich fast schon verstehen, wenn früher manche völker angst hatten, das foto würde ihnen etwas "rauben" von ihrer persönlichkeit. vor allem das wurde auch für mich spürbar, als ich jetzt den fertigen film zum ersten mal sah: Zitat:
grade alte filme oder fotos - aus entsprechender distanz betrachtet, vielleicht sogar schon mit der erkenntnis, wieviel von uns unsere eigenen kinder weitertragen - halten das fest und machen es in ihrem unverrückbaren "festhalten" sichtbar. danke für deine feinsinnigen gedanken!!! liebe grüße euch beiden, fee |
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#6 | |
ADäquat
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![]() Liebes feelein,
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#7 |
asphaltwaldwesen
Registriert seit: 31.03.2009
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liebe chavali,
da mir dein "ich wünschte mir" noch sehr lebendig in erinnerung ist, kann ich gut verstehen, dass du hier vieles nachvollziehen kannst und dich mein gedicht auch irgendwo berührt. es klingt jetzt vielleicht angesichts des gedichtes fast unglaubwürdig, wenn ich sage, dass ich mit meiner mutter eine höchst "heikle" beziehung hatte. zumindest ab einem gewissen alter war das so - und von da an eigentlich bis zu ihrem tod. da war einfach einiges vorgefallen, das sich da auswirkte und einer reibungslosen tochter-mutter-beziehung im wege stand. ich hab mich später - durchaus schmerzhaft - damit auseinandergesetzt und für mich damit abgeschlossen. das gedicht erinnert - frei davon - jene jahre und momentaufnahmen, wo noch alles "im reinen" war. zum glück waren das die prägenden jahre meiner kindheit - ich kann also sehr wohl sagen, ich hatte das glück eine sehr behütete und glückliche kindheit - trotz einiger heftigerer schicksalsschläge - zu haben. und ich kann das aus heutiger perspektive (wieder) so sehen und spüren. genausogut allerdings könnte ich auch gedichte zu den konflikten und mechanismen zwischen mutter und tochter schreiben, die zwei leben stark beeinflussten und glück in einem gewissen grad regelrecht "verhinderten". doch das war hier nicht thema. die "fotos" dieses albums sind also auch kein versuch der verklärung. ich hoffe, das kommt auch nicht so rüber. vielleicht ist auch das vermissen doppelt intensiv zum ausdruck gekommen, WEIL ich eben erleben durfte, was ich später (und auch jetzt manchmal noch) eben vermisste. danke für deine schönen zeilen zu meinem text! ich hab mich darüber sehr sehr gefreut! ![]() liebe grüße fee |
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#8 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Guten Morgen, liebe fee,
ich brauchte ein wenig Zeit. ![]() Ich hoffe, du hast Verständnis, wenn ich zum Inhalt nicht viel "sage"; nur, dass du ein wirklich schönes "Fotoalbum" der Erinnerungen zeigst, in dem sich die Liebe der Mutter (und die Liebe des LI zu ihr) deutlich zeigt, gerade aufgrund der kleinen, so oft sehr in ihrer Bedeutung unterschätzten "Gesten des Alltags" - die alles andere als alltäglich sind, sondern sehr wertvolle Geschenke. Daher verzeihst du mir sicher, wenn ich mich jetzt auf die "sachlich-formale" Ebene begebe. Der Titel passt sehr gut, eine ausgezeichnete Wahl. Es ist ein Foto"album", die Pausenstriche zeigen, wie in der Erinnerung einzelne "Gedächtnisfotos" auftauchen, die sich irgendwie doch zu einer Art "Film" zusammenfügen. Sehr schön auch die Beschreibung von "liebevollen Detailaufnahmen". Besonders intensiv wirken die sich "wiederholenden" Bilder der "Hände" und des Wortes "Mutter". Mir gefallen Anfang und Ende des Gedichts besonders gut. "Die Hände" und "deine warmen Hände"; sehr intensiv der Moment, wenn (meines Erachtens nach) das "Fotoalbum" wieder "geschlossen" wird - mit "fehlen". Die unermüdliche, liebevolle Tätigkeit der Hände einer Mutter erinnert mich an das Gedicht "Mutters Hände" von Kurt Tucholsky, obwohl sich der Schluss unterscheidet, finden sich in der Beschreibung "Entsprechungen". Ich weiß nicht, ob du es kennst. Für mich schmerzhaft-schön zu lesen. Was ich hoffe, ist, dass meine Tochter sich irgendwann an meine Hände erinnern wird. Die "Einteilung" der einzelnen "Fotos" finde ich sehr gut gelungen, die Alliterationen geben hier dem Ganzen etwas Weiches; und Formulierungen wie "heil machen", "weh wegstreicheln" sind sehr schön. Am intensivsten ist jedoch die Wirkung des Wortes "Mutter", das immer wieder "auftaucht". larin hat recht, hier ist Sehnsucht spürbar, "die warmen Hände" werden vermisst. Gerne gelesen und kommentiert. ![]() Liebe Grüße Stimme ![]() -------------------------------------------- Edit/Nachtrag: Gerade habe ich gelesen, dass auch "andernorts" Kurt Tucholskys Gedicht erwähnt wurde - ist aber wirklich nur Zufall. ![]() Liebe Grüße Stimme ![]()
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Geändert von Stimme der Zeit (29.12.2011 um 10:25 Uhr) Grund: Edit/Nachtrag hinzugefügt. |
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#9 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Liebe fee
ich möchte gerne zu deinen Mutterhänden etwas sagen, obwohl ich sicherlich nicht prädestiniert dazu bin, diese Zeilen zu kommentieren. Aber die berühren und interessiert mich. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob es ein Gedicht ist, aber das macht nichts. Der Text vermittelt einen sehr ruhigen und statischen Eindruck, was ja zu der Situation passt. Du betrachtest ein Fotoalbum und stößt auf ein Bild, wo du als kleines Kind der Mutter die Hände hältst. Diese Situation insgesamt könnte schon selbst wieder ein Bild (Symbol) für das Andenken an die Mutter sein (d.h. solch ein Foto muss es gar nicht geben). Ausgelüst durch das (fikitve) Bild entspringt eine Reihe von Bildern, welche die Mutter durch ihre Hände sehen, nur nach und nach tauchen ihre Hüfte, ihre Lippen und ihre Stimme auf und das, was die Mutterhände berühren, erzeugen einen Raum der Geborgenheit, zu dem du als Kind hinzugehörst, nichts Besonderes, das ist es gerade. Indem wir erwachsen werden, fehlt uns diese Geborgenheit und schließlich auch die Mutter/Hände. Die Bilder der Handlungen der Mutterhände zeigen eine Entwicklung vom Pflegen und Erhalten zum Wiederherstellen und Reparieren. Was mich wundert, ist dass die Augen der Mutter nicht vorkommen, nach Hüfte du Lippen in der ersten Strophe warte ich in der Zweiten nach der Stimme geradezu auf die Augen. Ich weiß nicht, ob die Sehnsucht zum Abschluss des Gedichts das entschuldigen kann. Nun noch ein paar Kleinigkeiten. Warum 'aufschütteln / und ordnen' und nicht 'aufschütteln und ordnen /' Warum 'zu einem lächeln - zu leisen liedern - zum weichen klang' und nicht 'mit einem lächeln - mit leisen liedern - mit weichem klang?' Zu Form wage ich mich nichts zu sagen, außer dass die Sprechphrasen (bis auf die angemerkte Stelle) und die Prosodie schön und ebenmäßig sind. Liebe Grüße Thomas Geändert von Thomas (30.12.2011 um 15:38 Uhr) |
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#10 |
asphaltwaldwesen
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hallo, thomas!
danke für deine intensive beschäftigung mit meinem gedicht. ich jedenfalls nenne es gedicht, so, wie ich auch andere nicht eindeutig "nur-prosa"-mäßige texte "gedichte" nenne, wenn ich in ihnen die intention zur verdichtung einer aussage oder eines eindrucks wahrnehme. warum fehlt die erwähnung der augen meiner mutter - das find ich eine spannende frage. vor allem, weil es mir ja nicht aufgefallen wäre, dass sie fehlen. mag sein, es liegt daran, dass für mich ein blickkontakt mit der mutter oder die sprache ihrer augen mehrere eigene gedichte wert wären und hier eher die liebevolle beobachtung thema war anstatt eine kontaktaufnahme oder ein psychogramm sozusagen. es sind ja bilder bzw. fotos in der erinnerung und nicht die aktuelle realität, die lyrICH betrachtet. und ein blickkontakt bzw. die augen von menschen auf fotos sind da etwas sehr eigenes. das "zu" anstelle eines "mit" macht für mich einen unterschied, weil es zwei handlungen zu einem "wirkenden gesamten" zusammenfügt. der zauber des weh(leid)-wegstreichens zum klang weicher worte ist eine art "mutter-magie". ![]() auch die bilder des locken-aufschüttelns und danach wieder ordnens sind bewusst zwei einzelne bilder und nicht eine tätigkeit in ihrem ablauf. daher das virgel dazwischen. ich hoffe, ich konnte dir meine überlegungen halbwegs erklären. es freut mich, dass dich mein gedicht angesprochen hat. und die tatsache, dass es so ist, obwohl du dir nicht sicher bist, etwas benennen zu können - als gedicht (vielleicht ist das auch gar nicht immer möglich), sagt mir, dass darin etwas "wirkt". und darauf kommt es mir an. die schönste, perfekteste ausführung nach allen regeln der kunst genügt mir nicht zum gedicht, wenn nicht etwas in mir "anklingt" und "wirkt". daher freuen mich deine zeilen wirklich sehr. lieber gruß, fee |
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