30.08.2011, 01:24 | #1 |
Neuer Eiland-Dichter
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Remarkation
«Im Wesen nichts Neues.» bemerkst du, Marie, und legst diesen Blick in mein Bett, dass ich denke, den Schinken aufs Kissen, das Wissen, Marie, dass Krieg ist, und du mir und ich dir nichts schenke. Wir leiern uns alt und wir lauern, Marie, in Gräben hier nebeneinander und staken im Grund auf der Suche nach Schwäche, Marie, und treffen uns nachts in den Gruben der Laken. |
30.08.2011, 19:10 | #2 | ||
Erfahrener Eiland-Dichter
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Beiträge: 1.836
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Hallo, Baratheon,
ich freue mich, dich kennen zu lernen. Dein Gedicht gefällt mir wirklich gut, das beginnt bereits beim Titel. Ein Neologismus, gebildet aus "Re-", was verdeutlicht, dass hier etwas ständig von vorne beginnt, nämlich die "Demarkation", d. h. die Abgrenzung des LI und des LD voneinander. Also fängt es hier bereits "gut" an. Mit einer Variante von "Im Westen nichts Neues", hier: "Im Wesen nichts Neues" geht es weiter. In Vers vier wird der "Kriegszustand" dann auch bestätigt, der zwischen den beiden herrscht. "und legst diesen Blick in mein Bett", Marie wirft offenbar einen "gut bekannten" Blick auf sein Bett. Interessant, dass sie "den Blick" auf sein Bett legt, nicht sich ... "dass ich denke, den Schinken aufs Kissen" - ich kenne den medizinischen Begriff "Schinkengang", eine Gewichtsverlagerung von einer Pobacke auf die andere (bei stark übergewichtigen oder körperlich beeinträchtigten Menschen). Allerdings - aufs Kissen, ich gestehe, dass mir dieser Begriff unvertraut ist. Mir bleibt nur, zu fragen, was der "Schinken" hier darstellen soll, da ich eine entsprechende Redewendung nicht kenne. Beide "schenken" einander also nichts, da sie sich im "Ehe- oder Beziehungskrieg" befinden. Du meine Güte, eine Formulierung ist hier gelungener als die andere. "Wir leiern uns alt" - ein "ewiges Geleiere, darunter verstehe ich, dass ein- und dieselben Vorwürfe wieder und wieder "durchgekaut" werden. Zitat:
Zitat:
Eine anschaulicher "Kriegsbericht", über einen Konflikt, der leider nur zu oft tatsächlich in so manchen "vier Wänden" stattfindet. Durch die viermalige Wiederholung der direkten namentlichen Anrede "Marie", ähnelt auch das Gedicht einem "Lamentieren" des LI. (Es wirkt aber keinesfalls langweilig, damit ich mich hier nicht missverständlich ausdrücke!) Sehr gelungen finde ich auch die Alliterationen (z. B. nichts-Neues, Blick-Bett), Binnenreime (z. B. Kissen-Wissen, mir-dir), die Arbeit mit Vokalen (alternierend helle und dumpfe in den Endreimen, Blick-Schinken-Kissen-Wissen, Grund-Suche-Gruben, etc.). Hier möchte ich anmerken, dass ich die Bezeichnung für "leiern und lauern" nicht kannte, und dafür die "Suchmaschine" anwerfen musste: Eine rhetorische Figur namens Paronomasie - Worte, die nicht semantisch zueinander gehören, sondern klanglich. Danke, ich habe wieder etwas Neues dazu gelernt! Noch ein Lob, abgesehen vom einwandfreien Metrum in vierhebigen Daktylen: In Strophe 1, Vers 4 legst du sehr geschickt die Betonung auf die Worte "du" und "ich". Allen Ernstes, ich bin beeindruckt - und sehr angetan! Ein sehr schönes Gedicht, sowohl inhaltlich als auch in Struktur und Form. Stilmittel schätze ich ohnehin, deshalb möchte ich mein Kompliment für dieses gelungene Werk aussprechen! Es war mir eine Freude. Sehr gerne gelesen und kommentiert. Liebe Grüße Stimme
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01.09.2011, 21:45 | #3 |
Slawische Seele
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Beiträge: 5.637
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Hallo Bara,
hast du "Remarkation" erfunden, um eine Demarkation zu verdichten? Eine Abgrenzung, die zwar vorhanden aber aufgrund der Gewohnheit nach altem Trott doch noch irgendwie gelebt wird? Ein sprachlich ausgewogenes, sehr klangvolles Gedicht, das ein Leben verdichtet, welches jeder verneint und viele, sehr viele leben. (Es ist fast so wie mit der Bildzeitung ). Gefällt mir, diese verdichtete, stattfindende Wahrheit. Im Gegensatz zu Stimme habe ich kein Problem mit dem Schinken. Ich nehme ihn fast wörtlich; die altgeleierten "Schenkel", die sich nicht nur im Alltagstrott sondern auch in gewohnter Manier im Bett begegnen. (Mir fiel es nicht leicht, das so profan zu schreiben - aber so ist mein Verständnis in diesem Werk.) Ein Feines von dir, liebe Grüße Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben. (Frederike Frei) |
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