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Alt 25.08.2017, 16:16   #1
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heimkehrerin
 
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(nicht als Lyrik gedacht (bestenfalls als lyrische Prosa), aber ich fand kein passendes Forum unter Prosa....wohin damit?)




zu dritt zwei zimmer, küche, bad;
mutter, schwester und ich.
mutter schlief im wohnzimmer.
all unsre wege
führten stets an ihr vorbei.

auch der zum viel zu dunklen flur
mit den portraits der ahnen;
düster, streng und unnahbar
in kinderaugenhöhe vor der toilettentür;

mich ihnen und verschlingensängsten stellen:
spülung ziehn und los!
das sichere wohnzimmer erreichen,
bevor der schwall zu mächtig,

die fremden gesichter zu mahnend,
der riss in der leinwand zu bedrückend,
das guckloch der wohnungstür sehend
und die finsternis greifbar wurden

mein leo:
"berühren deine zehen wohnzimmerparkett,
bevor das rauschen dich an den ohren packt,
wird alles gut!"
mein geheimnis

und auf dem schulweg
noch lange jahre später
ein selbsterdachtes kinderorakel:
noch vor dem nächsten fahrzeug
die fuge im gehsteig zu passieren,
verhieß rettung!

ich hatte eine schöne kindheit

dachte ich






.august_2017
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"Du musst, wenn du unser Glück beschreiben willst,
ganz viele kleine Punkte machen wie Seurat.
Und dass es Glück war, wird man erst aus der Distanz sehen.”

― Peter Stamm, Agnes

Geändert von fee_reloaded (27.08.2017 um 09:54 Uhr) Grund: die erinnerung in der letzten strophe korrigiert
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Alt 25.08.2017, 17:46   #2
Chavali
ADäquat
 
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Beiträge: 13.004
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Zitat:
(nicht als Lyrik gedacht (bestenfalls als lyrische Prosa),
aber ich fand kein passendes Forum unter Prosa....wohin damit?)

Das steht hier schon gut, liebe fee

Das Unterforum heißt Beschreibungen und dein Text ist eine solche,
wenn auch nicht als Gedicht angelegt.

Wobei - wieso eigentlich nicht?
Viele der neue Dichtungs-Formen sind ähnlich angelegt, also warum sollte deine
Familien- und Kindheitsstudie nicht hier stehen?

Die mir übrigens sehr gut gefällt - ausdrucksstark und nachvollziehbar.
Als Text natürlich. Wenn man in das Milieu - und das meine ich jetzt nicht abwertend -
genauer hinein sieht, ist es doch wohl eher ein bescheidenes, allzu bescheidenens Leben gewesen, damals.

Aber als Kind war das LI glücklich und das ist für den Moment und für die Zeit damals wichtig.
Im Nachhinein erkennt man natürlich den Haken daran und als lange schon erwachsener
und gereifter Mensch hat man eine andere Sicht darauf.


Sehr gern gelesen und besenft!

Lieben Gruß,
Chavali
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© auf alle meine Texte
Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

*
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Alt 25.08.2017, 19:12   #3
fee_reloaded
heimkehrerin
 
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Zitat:
Zitat von Chavali Beitrag anzeigen


Das steht hier schon gut,
...

Okay, danke, Chavali! Dann ist es ja okay!

Zitat:
Zitat von Chavali Beitrag anzeigen
Aber als Kind war das LI glücklich und das ist für den Moment und für die Zeit damals wichtig.
Im Nachhinein erkennt man natürlich den Haken daran und als lange schon erwachsener
und gereifter Mensch hat man eine andere Sicht darauf.
Ja, ich denke, so ist es. Und das ist auch gut so. Langsam sortiert sich auseinander, was wirklich gut war und was weniger (allerdings waren bescheidene Verhältnisse für mich gar nicht Thema. Wir hatten alles, was wir brauchten und kamen nirgendwo zu kurz). Etwas, das zur weiteren Reifung als Erwachsener mit dazu gehört. Auch die Einordnung in "war eigentlich gar nicht so schlimm" bzw. "das war aber eigentlich doch sehr heftig". Als Kind lernt man rasch Strategien zu entwickeln und auch vieles zu verdrängen, um unversehrt durchzukommen. Später bremst einen das hier und da schon öfter mal im Leben aus, wenn man nicht bewusst zurückblickt und die Quellen für Störfaktoren im eigenen Lebensvollzug ortet.

Danke für den einfühlenden Kommentar!

Lieber Gruß,
fee
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"Du musst, wenn du unser Glück beschreiben willst,
ganz viele kleine Punkte machen wie Seurat.
Und dass es Glück war, wird man erst aus der Distanz sehen.”

― Peter Stamm, Agnes
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Alt 29.08.2017, 13:40   #4
juli
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Liebe Fee,

Dein freier Stil paßt zum Thema. Hier schildert das LI eine Kindheit in der nicht alles gradlinig lief. Die Worte nehmen den leser mit. Ich habe sie schon ein paar Mal gelesen und finde immer wieder auch eigne Gedanken von meiner Kindheit, und ich schweife mitten in deinem Gedicht ab, um meinem Innrem zu folgen. Sollte eigentlich ja nicht so sein, aber ich bin hier ja alleine und kann machen was ich will.

Deine Worte sind klar und dennoch erzeugen sie ein Bild. Bei mir wendet sich die Nachdenklichkeit ab:

mein leo

Man ist das schön, und alle Schatten fallen ab, und trotz Kummer, Angst und kindermagischem Denken überweigt das Positive!

Es kann sein, das ich hier als Leserin mit meiner Denke den Text fehlinterpretiert habe, aber ich bin meist postiv, und projiziere meinen Sonnenschein auch manchmal in andere Werke hinein.

Auf jeden Fall ist das ein wunderbarer Text, der mich zum Mitdenken aufgefordert hat

Liebe Grüße sy

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Alt 29.08.2017, 14:00   #5
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Zitat:
Zitat von syranie Beitrag anzeigen
...Ich habe sie schon ein paar Mal gelesen und finde immer wieder auch eigne Gedanken von meiner Kindheit, und ich schweife mitten in deinem Gedicht ab, um meinem Innrem zu folgen.

Wie mich das freut, liebe syranie!

Wenn du zu den eigenen Assoziationen bzw. Erinnerungen schweifst, dann ist das doch wunderbar und das, was auch mir so ergeht, wenn ich von etwas berührt nachspüre, WAS es eigentlich in mir berührt und wo in mir es ein Echo erzeugt. Was kann ich mir Schöneres wünschen für meinen Text! Es geht ja nicht darum, persönliches Leid oder den Versuch der Bewältigung desselben vor anderen auszuleben - diese Art von Betroffenheitslyrik ist mir eher unangenehm und insgeheim zittere ich manchmal ein wenig, wenn ich meine - meist autobiographischen - Texte ins Forum entlasse....nicht jeder empfindet so wie du und geht so wie du damit um. Manche sind auch unangenehm berührt - aus welchen Gründen auch immer. Solche Texte sind immer eine Gratwanderung gewissermaßen.

Umso mehr freut mich dein schöner Kommentar und dass dich hast mitnehmen lassen von meinen Zeilen!

Busserl dafür aus dem noch immer heißen Wien!
Lieber Gruß,
fee
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"Du musst, wenn du unser Glück beschreiben willst,
ganz viele kleine Punkte machen wie Seurat.
Und dass es Glück war, wird man erst aus der Distanz sehen.”

― Peter Stamm, Agnes
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Alt 30.08.2017, 10:51   #6
AAAAAZ
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Hi Fee_ reloaded,

das Ausdrucksstarke an deinem Text ist für mich das Kind, welches du nicht in die Gehirnwindungen und Retroperspektive eines Erwachsenen zwängst. Du lässt es in aller Unwissenheit und Naivität nochmals in dir aufleben. Du begleitest es über den Flur laufend ins Wohnzimmer und auf seinem Schulweg. Aber genau damit werden diese Gefühle transportiert, welches dem Gedicht diese besondere Stimmung geben. "Es ist nie zu spät, eine glückliche Kindheit gehabt zu haben", war das Vorwort eines Jugendromans aus den Siebzigern, und solch ein Gedanke kommt auch bei mir an. Es ist alles gut, wie es war, sonst wäre es anderes gewesen. Kein Hadern, kein Nachhaken, keine Vorwürfe, kein Nachkarten. Es ist das kindliche Universum, welches zu einer größtmöglichen Offenheit bereit ist.
Trotz allem schwebt natürlich ein indifferentes Gefühl zwischen dem Muff von anno tobak unter den gestrengen Augen der Ahnen mit den ungeschriebenen Familiengesetzen und Erwartungen im Raume.
Wer kennt nicht diese unbeschwerten Hüpfekästchen Momente, dieses Austarieren von Gefühlen zu sich selbst, bei gleichzeitiger Abhängigkeit von elterlicher Annerkennung und von der Außenwelt.
Gerade durch das Zerbrechliche und Verletzbare zwischen den autobiographisch anmutenden Zeilen bekommt dieses Gedicht ein hohes Maß an Authentizität.
Ein leierndes Reimmaß würde diese verdichtete Atmosphäre mEa. zerstören.
Das Gedicht verzichtet auf alterssenile Weisheiten, auf Moral und dem Blendwerk hochgeistgehaltvollen Dichterhandwerks, und das steht ihm sehr gut zu Gesichte.
Gerne gelesen, lieben Gruß, AZ

Geändert von AAAAAZ (30.08.2017 um 11:11 Uhr)
AAAAAZ ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 30.08.2017, 11:33   #7
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Servus, AAAAAZ!


"You made my day" (wie der Engländer so treffend sagt) mit diesem schönen Kommentar! Vielen, herzlichen Dank!

Zitat:
Es ist das kindliche Universum, welches zu einer größtmöglichen Offenheit bereit ist.


Ja - und ist dieses kindliche Allmachtsdenken im eigenen Universum; man könne mit der passenden Anwendung von "Alltagsmagie" alles zum Guten wenden, nicht einmalig? Ich frage mich manchmal, ob es das in unseren Kindern heute noch in ähnlicher Ausprägung gibt, oder ob es von der allgegenwärtigen Befeuerung durch Information (und der damit verbundenen, sehr früh einsetzenden Aufklärung) inzwischen schon zerstört wurde...

Es freut mich sehr von dir zu lesen, dass meine Zeilen "funktionieren" wie ich mir das erhofft habe!

Recht liebe Grüße,
fee
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― Peter Stamm, Agnes
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