22.03.2018, 21:22 | #1 |
TENEBRAE
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Ziellos
Ins große Ungefähre ausgezogen
entgleisen deine Züge alle Tage im Bann des Zeigertickens, dessen Frage um Sterblichkeit dich seltsam hingelogen und wund erscheinen lässt, verloren vage an falsche Hoffnung, deren Träume trogen, und wie mit leerem Leben vollgesogen sich endlich wandeln muss zu einer Klage. Wer stellt die Weichen noch, wenn alle Pläne verblichen sind wie rottende Gardinen vor einem Fenster ohne Blick ins Grüne? Die Jahre hobeln dich, und deine Späne erinnern dich gleichwie entgleiste Mienen an deinen letzten Vorhang auf der Bühne.
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. Geändert von Erich Kykal (23.03.2018 um 16:19 Uhr) |
23.03.2018, 12:51 | #2 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Hi eKy,
wieder ein Gedicht über das Leben und dessen Zuendegehen, das das LD mit der Frage nach der Sinnhaftigkeit des Bisherigen und des Zukünftigen konfrontiert. Ich halte Sonette ja stets für etwas schwerfällig, vor allem dann, wenn sie nicht gut geschrieben sind. Dieses hier ist sehr gut geschrieben, aber die Wortwahl und der Inhalt machen es doch "schwerer". Und genau das unterstreicht das Gewicht der Gedanken und das gedrückte Gefühl. Sehr gern gelesen! Gruß, Laie
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Schreiben, wie Monet malte. |
23.03.2018, 13:36 | #3 |
TENEBRAE
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Hi Laie!
Das war gestern wieder mal so ein 20-Minuten-Sonett mit einer halben Flasche Rotwein im System! Das gerinnt mir dann meistens zu so schwerem Tobak ... Vielen Dank für Anerkennung und Analyse! LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
23.03.2018, 15:15 | #4 |
Gast
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Hallo Erich,
wenn nicht der Nebel des Lebens uns zu bewegen weiß... Wer macht es dann? In irgendein Gewand werden wir geboren, dessen Stofflichkeit uns oft rau und seltsam erscheint und dann fließen Träume und Sehnsüchte in immerleeren Räumen, in denen wir uns in kleinen Stückchen zu verlieren scheinen. Doch irgendwo fließen auch diese wieder zusammen, sich ihrer selbst suchend, windend und rührend; so flechten sie sich auf der Suche zu einem Faden, der lose in uns hinein baumelt und in zarten Zeiten uns kitzelt und in zitternden Zeiten uns in den Wahnsinn treibt. Ist es nicht der Frieden, den wir alle finden wollen? Der äußerliche und der innerliche Frieden? Bringt nicht genau diese Tatsache uns die lang ersehnte seidene Stille, in einem Leben, in welchem wir uns verloren glauben? Und aus dem Frieden erwächst jede Form von Ruhe und Schönheit für uns selbst - jede Jugend vergeht und mündet in dem Schatten lang vergangener Tage. Auch ich spüre die Progression der Zukunft in Haut und Haar. Klagen bringen nur Klagen und auf klagende Gedanken folgen klagende Taten und Bitterkeit, wo doch auch Wärme und Reichhaltigkeit (ver)weilen könnten. und falsch erscheinen lässt, verloren vage an halbe/dünne Hoffnung, deren Träume trogen, und wie mit leerem Leben vollgesogen sich endlich wandeln muss zu einer Klage. Ein wirklich sehr schönes Gedicht mit soviel Fühl und Raum für Freiheit. Sehr gern gelesen, lieber Erich vlg EV Geändert von Eisenvorhang (23.03.2018 um 16:18 Uhr) |
23.03.2018, 15:56 | #5 |
Gast
Beiträge: n/a
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Gefällt mir sehr gut, eKy! Die grammatikalischen Querbezüge einigermaßen zu entschlüsseln nötigte mir aber durchaus auch mehrfach vollzogenen Lesegenuss ab.
Die Doppelung von falsch (s. Anm. von EV) würde ich eigentlich drinlassen - mag ich. Aber bis ich das Subjekt von "muss" (S2Z4) (halbwegs) klarbekommen hab... ich denke es ist intendiert, dass Hoffnung (S2Z2) das Bezugswort von "muss" sein soll (die "Frage" in S1Z3 wäre auch noch ein grammatikalisch möglicher oder durch den Reim etwas suggerierter Partner). Knifflig in dem Zusammenhang auch die Kommasetzung von "wie mit leerem Leben vollgesogen" mit zwei Kommata als Einschub kenntlich gemacht, würde der Bezugszusammenhang womöglich etwas klarer. |
23.03.2018, 16:27 | #6 |
TENEBRAE
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Hi EV!
Danke für den Hinweis auf die Dopplung - ist mir beim Schreiben gar nicht aufgefallen! Das muss Altersdemenz sein! Du entuferst dich ja geradezu philosophisch anlässlich meiner Zeilen! Dank für diesen Deutungsbogen! Hi, Sufnus! Auch wenn dir die Dopplung zu gefallen scheint - mit gefällt derlei nicht, höchstens bei bewusster, betonter Wiederholung, um eine Aufzählung zu bekräftigen oder eine Ähnlichkeit hervorzuheben oder so. Das ist hier aber nicht der Fall. Auch dir vielen Dank für die freundlichen Worte! Danke auch für den Hinweis auf allzu komplexe Satzführung! Eine Falle, in die ich immer wieder zu gehen scheine ... LG, eKy
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24.03.2018, 08:30 | #7 |
Nixe, rotblond
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Hallo Erich,
jetzt habe ich mich hier mal durchgekämpft, ist ja wirklich nicht gleich beim ersten mal verständlich Aber du hast schon ne tolle Art, die Dinge beim Namen zu nennen und in schweren, teils elegischen Versen zu verdichten. Ich wünsch dir eine gute zeit! Gruß ww
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Was man ernst meint, sagt man am besten im Spaß. Wilhelm Busch |
24.03.2018, 19:17 | #8 |
TENEBRAE
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Hi WW!
Die Crux ist: Wenn ich es schreibe, erscheint es mir nicht übermäßig komplex und verschachtelt, sondern bloß folgerichtig dem roten Faden folgend, und das in möglichst poetischer Sprache. Ich habe Intention und Bilder ja direkt vor Augen, und auch wenn ich mich immer um eine möglichst klare Umsetzung bemühe, wird man doch vom eigenen Durchdringungsfaktor des Inhalts genasführt: Man bedenkt beim Dichten kaum, dass andere ja NICHTS vorab vor Augen haben, wenn sie deine Texte lesen! Alles muss sich aus dem Text erklären und aus ihm heraus verständlich sein, und auch der Text selbst darf nicht zu geschraubt und verbastelt rüberkommen - möglichst natürlich klingen, obwohl man lyrisch schreibt: eine ständige und herausfordernde Gratwanderung! Dazu kommt: Was dem einen leicht verständlich erscheint, ist einem anderen mit anderen sprachlichen Schwerpunkten oder weniger akzelerierter Sprachdurchdringung schon zu kompliziert! Umgekehrt beschweren sich erstere, wenn man versucht, einfacher und schlanker zu schreiben! Allen kann man es sowieso nicht recht machen! Vielen Dank für deinen verbalen Schulterklopfer! LG, eKy
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