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Alt 23.06.2019, 22:09   #1
Weiße Wölfin
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Standard Glücksrezepte

Glücksrezepte

Das Glück? Es geht nicht wie Zitronenkuchen
streng nach Rezept und in der gut normierten Form.
Das Glück? Es kommt auch nicht beim Suchen
und auch nicht liest Du Buddha, Böll und Storm.

Auch Vierblattklee bringt keinen Bonus
und Lottoscheine helfen selten oder nie.
Manchmal da fährt es mit der Bahn oder dem Bus
und manchmal bricht es einer übers Knie.

Vielleicht brauchts an der Eingangstüre einen Kranz?
Vergrab nen Knochen bei der Schwelle Dein!
Flecht Deine Haare wochentags zu einem Schwanz
und gieße alle Jahre zu Sylvester Dir ein Schwein!

Vielleicht kannst Du es locken, wirfst Du einen Euro
für jeden Bettler - blind - in dessen Hut?
Oder Du gehst im Monat einmal in den Zoo -
hüpfst mit Gazellen, machst den Löwen Mut.

Ich weiß nicht, was das Glück noch fördert,
wenn kalt die Gicht schon aus den Knochen grüßt.
Ist denn mit siebzig so ein Leben noch glückswert?
Oder ist es dann nur noch leer und nur noch wüst?

Das Glück? Es steckt manchmal in einer Ritze;
es lächelt aus der Knospe, wohnt im Schnee.
Das Glück? Treib es nicht auf die Spitze.
Sonst geht ihr noch der Atem aus , der Fee.
__________________
Das Leben ist gut und licht.
Das Leben hat goldene Gassen.
Fester wollen wirs fassen.
Wir fürchten das Leben nicht.

R.M. Rilke


Du kannst nicht in die Vergangenheit gehen und neu beginnen.
Aber Du kannst jetzt anfangen, ein neues Ende zu schaffen


"Nicht müde werden / sondern dem Wunder / leise / wie einem Vogel / die Hand hinhalten" Hilde Domin
Weiße Wölfin ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 16.07.2019, 14:18   #2
Erich Kykal
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Zitat:
Zitat von Weiße Wölfin Beitrag anzeigen
Glücksrezepte

Das Glück? Es geht nicht wie Zitronenkuchen
streng nach Rezept und in der gut normierten Form.
Das Glück? Es kommt auch nicht beim Suchen
und auch nicht liest Du Buddha, Böll und Storm.

Auch Vierblattklee bringt keinen Bonus
und Lottoscheine helfen selten oder nie.
Manchmal da fährt es mit der Bahn oder dem Bus
und manchmal bricht es einer übers Knie.

Vielleicht brauchts an der Eingangstüre einen Kranz?
Vergrab nen Knochen bei der Schwelle Dein!
Flecht Deine Haare wochentags zu einem Schwanz
und gieße alle Jahre zu Sylvester Dir ein Schwein!

Vielleicht kannst Du es locken, wirfst Du einen Euro
für jeden Bettler - blind - in dessen Hut?
Oder Du gehst im Monat einmal in den Zoo -
hüpfst mit Gazellen, machst den Löwen Mut.

Ich weiß nicht, was das Glück noch fördert,
wenn kalt die Gicht schon aus den Knochen grüßt.
Ist denn mit siebzig so ein Leben noch glückswert?
Oder ist es dann nur noch leer und nur noch wüst?

Das Glück? Es steckt manchmal in einer Ritze;
es lächelt aus der Knospe, wohnt im Schnee.
Das Glück? Treib es nicht auf die Spitze.
Sonst geht ihr noch der Atem aus , der Fee.
Hi WW!

Inhaltlich und von der gewählten Sprache her gefällt mir die Arbeit sehr gut! Bedauerlicherweise leidet sie sehr unter deinem Unwissen oder deiner Gleichgültigkeit gegenüber gewissen lyrischen Regeln:

Die erste Strophe legt die Form fest, der man stringent folgen sollte. In diesem Fall also: Fünfhebig, unbetonter Auftakt, Kadenzenmuster WMWM:

xXxXxXxXxXx
xXxXxXxXxX
xXxXxXxXxXx
xXxXxXxXxX


Wie sieht es nun bei dir aus? Schau hier:

S1:

xXxXxXxXxXx
xXxXxXxXxXxX ("streng" unnatürlich betont bei unbetont gelesenem Auftakt)
xXxXxXxXx__
xXxXxXxXxX_

Z2 hat einen Heber zuviel. Z3 einen zu wenig. Z4 hat männliche Kadenz, was nur einem Schema folgt, wenn die korrigierte Z2 ebenfalls männlich kadenziert.

S2:

xXxXxXxXx__
xXxXxXxXxXxX
xXxXxXxXxXxX ("Bus" ist kein Reim auf "Bonus", da bei letzterem die erste Silbe betont ist)
xXxXxXxXxX_

Z1 hat einen Heber zu wenig, Z2 und 3 einen zuviel. Z4 wie in S1.

S3:

xXxXxXxXxXxX (Z1 und 3 folgen hier nicht dem Kadenzenschema - alles männlich)
xXxXxXxXxX (unschöne Inversion)
xXxXxXxXxXxX
xXxXxXxXxXxXxX

Z1 hat einen Heber zuviel, Z3 ebenso. Z4 hat sogar 2 Heber zuviel.

S4:

xXxXxXxXxXxXx ("Euro" ist kein Reim auf "Zoo", da bei ersterem die erste Silbe betont ist)
xXxXxXxXxX
xXxXxXxXxXxX ("oder" unnatürlich betont bei unbetont gelesenem Auftakt)
xXxXxXxXxX

Z1 ist einen Heber (+ unbetonter Endsilbe) zu lang, Z3 um einen Heber.

S5:

xXxXxXxXx__
xXxXxXxXxX
xXxXxXxXxXxX ("glückswert" unnatürlich betont auf Silbe 2, will man im Takt bleiben)
XxXxXxxXxX (betonter Auftakt! Senkungsprall "nur noch")

Z1 hat einen Heber (+unbetonter Endsilbe) zu wenig, Z3 einen zuviel.

S6:

xXxXxXxXxXx
xXxXxXxXxX
xXxXxXxXx__ ("Treib" unnatürlich betont im Takt)
xXxXxXxXxX (Leerstelle zuviel vor dem Komma)

Z3 hat einen Heber (+ unbetonter Endsilbe) zu wenig.


Versuch einer Begebung (fast) aller besprochenen Stellen (+ Kommata):

Das Glück? Es geht nicht wie Zitronenkuchen,
rezepttreu und in zu gut normierter Form.
Das Glück? Es kommt auch nicht bei langem Suchen
und auch nicht, liest Du Buddha, Böll und Storm.

Auch Vierblattklee bringt keinen Extrabonus,
und Lotto hilft dir selten oder nie.
Zuweilen fährt es auch mit Bahn und O-Bus,
und manchmal bricht es einer übers Knie.

Vielleicht braucht's an der Türe einen Kranz?
Vergrab nen Knochen bei der Schwelle Dein!
Bind Haare wochentags zu einem Schwanz
und gieße zu Sylvester Dir ein Schwein!

Kannst Du es locken, wirfst Du einen Euro
für jeden Bettler - blind - in dessen Hut?
Gehst du stattdessen öfter in den Zoo,
hüpfst mit Gazellen, machst den Löwen Mut?

Ich weiß nicht, was das Leben uns noch bietet,
wenn kalt die Gicht schon aus den Knochen grüßt.
Ist dieses Leben nicht nur noch gemietet?
Ist es dann nur noch leer und nur noch wüst?

Das Glück? Es steckt manchmal in einer Ritze;
es lächelt aus der Knospe, wohnt im Schnee.
Das Glück? Ach, treib es nur nicht auf die Spitze,
sonst geht ihr noch der Atem aus, der Fee.


Gern gelesen und bearbeitet. Lern mal was draus, sonst mach ich mir irgendwann nicht mehr die Mühe!

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
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Alt 29.07.2019, 09:40   #3
Weiße Wölfin
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Beiträge: 134
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Hallo Erich,

Danke für die viele Arbeit, die Du mit meinem Gedicht hattest.

Mir fällt es sehr schwer, das mit "betont" "unbetont" zu checken.

Mein Sprach- und Rhythmusgefühl ist einigermaßen ausgeprägt.

Wenn ich allerdings anfange, zu Xx en, dann geht mir jegliches Sprachempfinden verloren. Dh. ich checke einfach nicht mehr, was nun betont und was unbetont ist. Ich bräuchte praktisch einen Kurs dafür, denn wenn ich es auf eigene Faust versuche, gerate ich in ein heilloses Fragezeichengebiet.

Mein nächstes Gedicht erscheint sicher nicht bald; ich habe privat Einiges zu tun.

lG WW
__________________
Das Leben ist gut und licht.
Das Leben hat goldene Gassen.
Fester wollen wirs fassen.
Wir fürchten das Leben nicht.

R.M. Rilke


Du kannst nicht in die Vergangenheit gehen und neu beginnen.
Aber Du kannst jetzt anfangen, ein neues Ende zu schaffen


"Nicht müde werden / sondern dem Wunder / leise / wie einem Vogel / die Hand hinhalten" Hilde Domin

Geändert von Weiße Wölfin (31.07.2019 um 10:48 Uhr)
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