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Stammtisch Gesellschaft, Politik und Alltag

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Alt 03.12.2009, 13:13   #1
Archimedes
der mit dem Reim tanzt
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: SpreeAthen
Beiträge: 565
Standard Hallo, Fräulein, Sie, Bedienung!

Das Kellnern ist toll,
die Kneipe ist voll,
man wird stets gebraucht,
auch, wenn es schlaucht.
Bei manchen Gästen
ist es am besten
zu flirten, zu Scherzen,
das kommt von Herzen
und Trinkgeld gibt’s auch.
Hallo, Fräulein, Sie, Bedienung,
Heute ist ein schöner Tag.
Was können sie mir jetzt empfehlen,
auch wenn ich Fleischgericht nicht mag.
Ich bringe die Karten
den Gästen, die warten,
räum ab inzwischen,
wisch weg auf den Tischen.
Frag: „Wolln sie bestellen?“
Doch diese Gesellen
habn nicht gewählt.
Doch plötzlich es fehlt
ihnen an Zeit.
Hallo, Fräulein, Sie, Bedienung,
unsre Pause ist nicht lang.
Können wir jetzt schnell bestellen,
mal so eben mittenmang?
Weil sie soweit,
schreib ich es auf
den Zettel und lauf
zur Theke und Küche,
ertrage Gerüche,
bring jetzt das Besteck
als Teil vom Gedeck.
Hol nun die Getränke
herbei schnell und schenke
halbvoll ihnen ein.
Doch schon muss was sein,
sie winken und rufen:
Hallo, Fräulein, Sie, Bedienung,
kann es jetzt nicht schneller gehen?
Unser Zug, der fährt gleich ab.
Wenn ich keinen Anschluss hab,
platzt ein wichtiger Termin.
Also machen se hin!
Erklimme die Stufen.
„Wo bleibt denn das Essen,
habn sie’s vergessen?“
Ich frage die Küche,
ertrage Gerüche,
und auch meinen Chef,
den ich jetzt treff,
der hinter der Tür
mit feinem Gespür
mir grabscht an die Brust,
als voller Frust
das Tablett ich gehoben,
zu bringen nach oben,
erst Essen, dann Salz,
als kam abermals
Kritik dergestalt,
das Essen sei kalt.
Hallo, Fräulein, Sie, die Rechnung.
Warum tut es „Ober“ heißen,
die Oberin ist doch der Chef,
doch wir hier müssen uns verschleißen.
Brings Essen zur Küche,
ertrage Gerüche,
weil hier wurd gespart
am Warmhaltungs-Standard.
Bonge die Rechnung
nach der Besprechung,
hole das Kleingeld,
das wieder mal fehlt
Hallo, Fräulein, ..
ich bin doch nicht vom Fernsprechamt.
Die aber konnten Stöpsel ziehen,
zum Aushalten bin ich verdammt.
Jetzt nörgelt der Chef,
den ich nun treff,
ich hätte vergessen
zu bringen ein Essen.
Ich lächle verträumt,
hab mir eingeräumt:
Ich heirate ihn, - ganz jovial, -
dann kann er mich mal.
__________________
gestörte Kreise

Geändert von Archimedes (05.12.2009 um 01:45 Uhr)
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Alt 03.12.2009, 15:28   #2
a.c.larin
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 14.03.2009
Ort: wien
Beiträge: 4.893
Standard

liebes archimädchen,
du hast ja ur viel stress bei der arbeit! ich nehme an, die liste des zu servierenden ist mindestens ebenso lang wie dein gedicht. da muss man sich ganz schön durchkämpfen.
dein chef ist ein fiesling, hast du ihm das schon mal gesagt? dem solltest du bei gelegenheit mal den suppentopf aufsetzen - aber mit der öffnung nach unten!
ich muss mich beeilen - denn ich seh schon, nach dir rufen schon wieder die nächsten gäste! ( hoffentlich hast du nen netten freund, der dir abends die füße massiert)

den chef würd ich an deiner stelle nicht heiraten.
dann schon lieber einen der stammgäste ( aber nur, wenn er entsprechend bei kasse ist) du musst dringend mal raus aus dieser tretmühle!

aber vorher bring mir bitte noch rasch ein helles und zwei kartoffelpuffer mit apfelmus!

besorgt und durstig,
larin
a.c.larin ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.12.2009, 16:52   #3
Dana
Slawische Seele
 
Benutzerbild von Dana
 
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Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 5.637
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Lieber Archi,
die "Hetzjagd" auf Fräulein Bedienung hast du sehr gut dargestellt. Ich bin noch außer Atem (vom Lesen).

Im Gegensatz zu larin bin ich für die Heirat. Dann sie Chefin! Als Ehefrau hat sie freien Lauf im Nörgeln - dann erfährt auch er, wie es sich anfühlt.

Bei manchen Gästen
ist es am besten
zu flirten, zu scherzen,
das kommt von Herzen
und Trinkgeld gibt’s auch.


(ich würde es so schreiben - und du?)

Fein beobachtet und viel erfasst. Ich habe oft mit Staunen die Wendigkeiten dieser Mädchen und Jungen beobachtet. Das Größte: Sie lächeln noch dazu.

Aber ich habe mit jenen auch manchmal "Nachlese" betrieben. Könnte man auch verdichten - unter Düsteres natürlich.

Jetzt ruhen wir uns erstmal aus.

Liebe Grüße
Dana
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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Alt 05.12.2009, 14:35   #4
Archimedes
der mit dem Reim tanzt
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: SpreeAthen
Beiträge: 565
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Liebe larin, schön, dass du dich durchgekämpft hast. Ich habe versucht, die Motorik der Bedienung gestalterisch umzusetzen. So sind die Einschübe die "Ruhepunkte", das heißt, die Bedienung steht. Sonst im auch allein zu lesenden, vorderen Gedicht ist sie nur am rennen. Da du dich aktiv in den Servierprozess eingebunden hast, nehme ich an, dass die Geschichte nachvollziehbar angekommen ist.

Liebe Dana, ja, es sollte die "hetzjagd" dargestellt werden. Danke für das Lob dafür. Deinen Vorschlag habe ich übernommen, ist so prägnanter. Ich hatte etwas Sorge, dass die Länge des Gedichtes bemängelt würde, aber ich konnte nicht weiter verdichten, ohne die Gehetzheit und das warum deshalb zu verdeutlichen.

Euch beiden Danke für das freundliche und anerkennende Kommentieren,
Gruß Archimedes ...der mit den bestellten Kreisen
__________________
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Alt 06.12.2009, 09:17   #5
Klatschmohn
MohnArt
 
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Lieber Archi,
oh weh, oh weh! Du machst einem ja ein richtig schlechtes Gewissen. Wer hat denn noch nie die Bedienung genervt - natürlich immer mit gutem Grund!
Also nehmen wir und in Zukunft die Zeit- immer mit Deinem Gedicht im Ohr, das Du passend zur Situation sehr dynamisch geschrieben hast. Gefällt mir.
Liebe Grüße,
Klatschmohn
__________________

© Klatschmohn
Inselblumen
Trockenmohn
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Alt 07.12.2009, 23:49   #6
Archimedes
der mit dem Reim tanzt
 
Registriert seit: 18.02.2009
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Beiträge: 565
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Liebe Klatschmohn, schön, dass dir das Gedicht gefällt. Ich habe inzwischen von betroffenen erfahren, dass es wirklich der reine Stress ist und hier nicht übertrieben.

Gruß Archimedes ...der mit den stessfreien Kreisen
__________________
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Alt 13.12.2009, 22:32   #7
Medusa
Gesperrt
 
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Lieber Archimedes,

die Hetze, der Stress treibt so eilig durch Deine Zeilen, das ich am Ende fast atemlos bin . Die Länge stört dabei überhaupt nicht.
Deine Erklärung für die Einschübe kann ich nicht ganz nachvollziehen. Denn die Arme steht zwar, aber sie ruht keineswegs, denn sie wird schließlich von allen Seiten bedrängt.
Ein sehr treffendes, staubtrockenes, nur beschreibendes Werk, dass Dir sehr gut gelungen ist.

Ein wenig stören mich die vielen Inversionen; manche sind gut und unterstreichen die Situation, andere sind völlig unnötig .

Ich bin sehr froh, dass ich diese Tretmühle nie erleben musste.
Herzliche Abendgrüße,
Medusa.
Medusa ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 15.12.2009, 18:38   #8
Herbstblatt
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Ort: Paderborn
Beiträge: 215
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Lieber Archimedes,
Da hast du aber sehr genau hingeschaut und vor allem hast du dich in das "hallo Fräulein", wie es früher hieß sehr gut hineingefühlt. Manche Gedichte lassensich einfach nicht kürzer fassen, wenn es um Deteilbeobachtungen geht. Und das Gehetztsein und das Durchstehvermögen, das eine solche Dienstleisterin an den Tag legen muss, kann man sonst auch nicht vermitteln.

feine gemacht findet das Herbstblatt
Herbstblatt ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 16.12.2009, 18:06   #9
Archimedes
der mit dem Reim tanzt
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: SpreeAthen
Beiträge: 565
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Liebe Medusa, es freut mich, dass du dich lobend über mein Gedicht äußerst. Die Einschübe unterbrechen nicht den Stress, sondern nur die physikalische Bewegung. Man kann auch so sagen: Die Einschübe sind der Dialog, das andere der Monolog.

Liebe Herbstblatt, auch dir Dank für die Anerkennung. Ich bin der Meinung, dass es garnicht kanpper zu schildern geht, ohne die Einzelpunkte wegzulassen. Ich versuche immer mit neutraler Sicht das Emotionale im Leser zu erzeugen, hier durch die kurzen Paarreime.

Euch Dank für das Vorbeischauen und die Anerkennung
Gruß Archimedes ..der mit den vermittelnden Kreisen
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