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Alt 17.12.2011, 20:20   #1
Sanssouci
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Stille Nacht, heilige Nacht

Verfroren lehnt im Schatten
eines Hauseingangs ein Mensch,
hofft auf ein Weihnachtswunder.
Stille Nacht. Einsame Nacht.

Sein nebliger Atem gebiert
eiszapfige Laute, die
klirrend zu Boden fallen.
Stille Nacht. Todbringende Nacht.
 
Alt 17.12.2011, 21:07   #2
Chavali
ADäquat
 
Benutzerbild von Chavali
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Mitteldeutschland
Beiträge: 13.004
Standard

Hallo Sanssouci,

ein düsteres, bedrückendes Szenario.

Was soll man dazu sagen...alle Jahre wieder. Und nicht nur zu Weihnachten, aber da
fällt es eben besonders auf und man besinnt sich der außerhalb der Gesellschft Stehenden.

Schenken Sie Wohnungslosen eine warme Nacht steht auf einem Spendenaufruf in unserer Stadt.
Da verschlägt es einem die Sprache!

Formal klingt dein Text wie gereimt, was er aber nicht ist.
Prinzipiell gut gemacht.
Zitat:
Verfroren lehnt im Schatten
eines Hauseingangs ein Mensch,
hofft auf ein Weihnachtswunder.
Stille Nacht. Einsame Nacht.

Sein nebliger Atem gebiert
eiszapfige Laute, die
klirrend zu Boden fallen.
Stille Nacht. Todbringende Nacht.
Ich erlaube mir - wenn du gestattest - eine kleine Umstellung:

Verfroren lehnt im Schatten
des Hauseingangs ein Mensch,
hofft auf ein Weihnachtswunder.
Stille Nacht. Einsame Nacht.

Sein nebelkalter Atem
gebiert eiszapfige Worte,
fallen klirrend zu Boden.
Stille Nacht. Tötende Nacht.

Das wär meine Idee - ist selbstverständlich nur ein Vorschlag.
Ist des Versmaßes wegen ein wenig geglättet

DEIN Text hat mir sehr gut gefallen - wenn man angesichts des Themas von gut gefallen überhaupt reden kann.

Lieben Gruß,
Chavali




__________________
.
© auf alle meine Texte
Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

*

Geändert von Chavali (17.12.2011 um 21:11 Uhr)
Chavali ist offline  
Alt 18.12.2011, 11:20   #3
Stimme der Zeit
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Benutzerbild von Stimme der Zeit
 
Registriert seit: 15.03.2011
Ort: Stuttgart
Beiträge: 1.836
Standard

Hallo, Sanssouci,

ich kann der Aussage deines Gedichts und auch Chavalis Kommentar nur zustimmen. Im langen und kalten Winter 2010/11 erfroren in Deutschland 15 obdachlose Menschen. Seit im Winter 1996/97 25 Menschen in der Kälte starben, waren es nicht mehr so viele, die, wohl weniger den Witterungsverhältnissen als den gesellschaftlichen Verhältnissen zum Opfer fielen.

Strophe 1 stimmt bereits sehr nachdenklich, und Strophe 2 wird dann konkret. Wenn diese Menschen auch reden oder klagen - wer hört denn schon zu? Sie haben keine "Stimmen", die zählen. Daher zählen sie selbst auch nicht.

Was "Worte" vs. "Laute" betrifft, bin ich daher anderer Meinung als Chavali, deren Vorschläge ich ansonsten gut finde. Ich denke nur, dass der Begriff "Laute" aus den von mir oben beschriebenen Gründen erhalten bleiben sollte. Er beeinhaltet sowohl das "Nichtverstehen", als auch die "Unverständlichkeit" und auch die Assoziation mit vor Kälte starren Lippen, die eben keine Worte mehr, sondern nur noch "Laute" hervorbringen können.

In was für einer Gesellschaft leben wir, wenn es "Appelle" seitens der "Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe" an Kirchen, an die Verkehrsbetriebe, an die Kommunen und ganz allgemein an die Öffentlichkeit geben muss? Diejenigen, die "zahlen können und daher zählen" müssen vor der "Unnannehmlichkeit" des auch nur entferntesten Kontakts mit Obdachlosen "bewahrt" werden. Daher bleiben öffentliche Gebäude, U- und S-Bahnstationen sowie - und das halte ich persönlich für den "Gipfel"! - Kirchen diesen Menschen verschlossen. Amen! Ach ja, und frohe Weihnachten!

Das sind gesellschaftliche Missstände, die nicht nur an Weihnachten "beachtet" werden sollten. Auch die Tatsache, dass plötzlich zu dieser Zeit ein "kollektiver Anfall schlechten Gewissens" erfolgt, spricht Bände. Wobei dieser "Anfall" allerdings auch nur einen Teil der Bevölkerung "befällt". Im warmen Kaufhaus Weihnachtsgeschenke einkaufen, das ist doch viel wichtiger!

Leider hat es sich erwiesen: Wer "außerhalb" der Weihnachtszeit, in der ganz abrupt viele "Obdachhabende" so etwas wie ein "kurzfristiges Pseudo-Gewissen" bei sich entdecken, an die Bevölkerung appelliert, befindet sich in der Position "der Stimme des Rufers in der Wüste". Aber an Weihnachten machen ein paar Spenden und das vermehrte "Überflüssiges-Kleingeld-Loswerden" an Bettler natürlich alles wieder wett.

Formal akzeptiere ich hier, dass das Gedicht weder ein einheitliches Versmaß noch Endreime besitzt - es ist inhaltlich passend.

Ich stimme allerdings Chavali bezüglich "des" anstatt "eines" für die erste Strophe zu und auch ihrem Vorschlag für den letzten Vers im Gedicht: Tötende Nacht. Die Conclusio kann und sollte in diesem Fall ruhig "härter" ausfallen - denn die Wahrheit ist es auch.

Ich habe das Gedicht sehr gerne gelesen, die Thematik ist es wert. Sie ist immer wichtig!

Liebe Grüße

Stimme

P.S.: Sagt eine Frau, die in einem Sozialunternehmen arbeitet, die aufgrund einer früheren längeren Krankheit selbst weiß, wie man als Hartz-IV-Empfänger lebt und die ständig mit gesellschaftlichen Missständen in Berührung kommt.
__________________
.

Im Forum findet sich in unserer "Eiland-Bibliothek" jetzt ein "Virtueller Schiller-Salon" mit einer Einladung zur "Offenen Tafel".

Dieser Salon entstammt einer Idee von unserem Forenmitglied Thomas, der sich über jeden Beitrag sehr freuen würde.


Stimme der Zeit ist offline  
Alt 20.12.2011, 12:31   #4
Sanssouci
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard

Hallo Chavali! Hallo Stimme der Zeit!

Zitat Stimme: Was "Worte" vs. "Laute" betrifft, bin ich daher anderer Meinung als Chavali, deren Vorschläge ich ansonsten gut finde. Ich denke nur, dass der Begriff "Laute" aus den von mir oben beschriebenen Gründen erhalten bleiben sollte. Er beeinhaltet sowohl das "Nichtverstehen", als auch die "Unverständlichkeit" und auch die Assoziation mit vor Kälte starren Lippen, die eben keine Worte mehr, sondern nur noch "Laute" hervorbringen können.
Da bin ich ganz deiner Meinung, liebe Stimme!

Zitat Stimme: Formal akzeptiere ich hier, dass das Gedicht weder ein einheitliches Versmaß noch Endreime besitzt - es ist inhaltlich passend.
Es beinhaltet immerhin jeweils die Silbenanzahl 7-7-7-7 in S1 und 8-7-7-8 in S2.

Tötende Nacht gefällt mir nicht so wie todbringende Nacht. Bei meiner Version sehe ich den Faktor Zeit mit eingeblendet (bis es soweit ist mit dem Erfrieren und damit dem Tod).
Und auch mit dem bestimmten Artikel vor Hauseingang (des Hauseingangs) kann ich mich nicht anschließen. Der unbestimmte Artikel (eines Hauseingangs) macht das Ganze noch beliebiger (es kann quasi an jeder Ecke, in vielen Hauseingängen passieren).
Ich danke euch beiden sehr für eure Überlegungen und Anregungen sowie der ausführlichen Beschäftigung mit meinem Werk. Danke auch für die lobenden Worte.
Zitat Chavali: DEIN Text hat mir sehr gut gefallen - wenn man angesichts des Themas von gut gefallen überhaupt reden kann.
Zitat Stimme: Ich habe das Gedicht sehr gerne gelesen, die Thematik ist es wert. Sie ist immer wichtig!

Grüße nach Saarbrücken und Stuttgart von Sanssouci
 
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