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Finstere Nacht Trauer und Düsteres

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Alt 04.08.2012, 02:31   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Standard Nachtseele

Die Nacht beschleicht mich wie ein Herzgedanke,
ein stummes Echo eigner Dunkelheit.
Mein wunder Innenraum fällt aus der Zeit
und bricht sich zitternd Bahn aus offner Flanke.

Und während meine Stimme schweigend schreit,
verebbt das unerträgliche Gezanke,
dem ich bei Tag mein Wichtigsein verdanke,
und meine Seele ruht, vom Ich befreit.

Wenn jetzt ein Albtraum käme, mich zu fressen,
ich stünde unbewegt und ohne Zagen.
Die Ängste eines Lebens sind vergessen,

der freie Geist kann erste Schritte wagen.
Doch weil das Maß an Dunkelheit bemessen,
werd ich am Morgen sichtbar - und versagen.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (26.08.2012 um 12:17 Uhr)
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Alt 23.08.2012, 18:13   #2
a.c.larin
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Standard

lieber erich,

oh, das kenne ich:
manche nächte halten einen besonderen zauber für uns bereit!

dunkelheit schärft die sinne - das hineinspüren in das unbekannte gelingt nächtens viel eher.
tagsüber erschlagen uns oft die visuelle reize und rauben der intuition ihren raum.

kein wunder also, dass sich das Lyrich seiner "nachtseele" stärker verbunden und mutiger fühlt, wenn, nach dem wegfall der maskerade des tages, das enge korsett des ichs sich weitet , nicht mehr den weg diktiert....

die nachtseele ist näher am schmerz, näher an der wahrehit, näher an ihrer tiefen urangst (albtraum), aber auch näher an ihrem mut, ihrem ur-vertrauen.

warum fühlen wir das wohl so?
unser leben hat in einem dunklen raum begonnen. dort waren wir geborgen und sicher.
die nacht, als wiederholung dieses ersten dunkels, verbirgt und schützt uns und lässt wesentliches deutlicher werden: nirgendwo sonst ist licht unmittelbarer zu erkennen.
die lichtvermutzung moderner städte lässt die sterne verblassen - und mit ihnen verblasst unser staunen über die unendlichkeit des universums.

auch das lyrich ahnt sein "versagen" am morgen.

wie sagte doch r.m.rilke?
"ich glaube an nächte" .

aus gutem grunde, wie mir scheint.


hab dein wunderbares gedicht,
in der hitze eines heißen tages gelesen
und mich daran erfrischt!
lg, larin
__________________
Cogito dichto sum - ich dichte, also bin ich!
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Alt 23.08.2012, 20:44   #3
Erich Kykal
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Hi, larin!

Reinhard Fendrich besingt es in "Zwischen eins und vier".

Mit der "behütenden Nacht" hast du nur teilweise recht, wie ich finde:
Lange Zeit war die Dunkelheit unseren Vorfahren - vom Affen bis zum modernen Menschen - ein Grund, sich zu fürchten und zu verbergen: Raubtiere gingen um, auf vier oder zwei Beinen, und man war fast blind...
Erst der Schutz unserer Behausungen und Burgen versöhnte uns mit der Nacht, und wir konnten uns leisten, sie zu romantisieren.
Vielleicht ist es auch diese Urerinnerung von Bedrohung und Hilflosigkeit, die uns des nächtens mitunter so nah an die eigene Tiefe bringt, vielleicht macht uns dies manchmal so bereit, einander näher zu rücken und darüber zu reden...

LG, eKy

PS: Das ganze Rilkegedicht (Das Stundenbuch - Vom mönchischen Leben):

Du Dunkelheit, aus der ich stamme,
ich liebe dich mehr als die Flamme,
welche die Welt begrenzt,
indem sie glänzt
für irgend einen Kreis,
aus dem heraus kein Wesen von ihr weiß.

Aber die Dunkelheit hält alles an sich:
Gestalten und Flammen, Tiere und mich,
wie sie's errafft,
Menschen und Mächte -

Und es kann sein: eine große Kraft
rührt sich in meiner Nachbarschaft.

Ich glaube an Nächte.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
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Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (23.08.2012 um 20:49 Uhr)
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Alt 24.08.2012, 09:26   #4
a.c.larin
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Hi Erich,
den Fendrich - Song kenne ich. Den mag ich auch sehr.

Klar hat die Nacht auch eine bedrohliche Seite - danke für die Ergänzung.-
aber eben auch diesen "Kuschel-Effekt".
In der Nacht sind ja auch "alle Katzen grau" - über kleinere Unpässlichkeiten breitet sie gnädigerweise ihren Schleier!
Glück für uns!

Wie schön, dieses Rilke-Gedicht!

In der heutigen Forenwelt würde man den Herrn aber sofort auf die ungleiche Zeilenlänge hinweisen, sowie auf die unregelmäßige Gestaltung der Strophen....

In gewisser Weise hat es ein heute lebender Dichter einerseits leichter, aber andererseits auch ungleich schwerer.

Liebe Grüße,
larin
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Alt 24.08.2012, 12:36   #5
Erich Kykal
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Zu Rilke:
Er folgt intuitiv seiner Sprachmelodie - wenn man es liest, erscheint es perfekt ausgewogen und rhythmisch korrekt. Er war ein Magier der Worte!

LG, eKy
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Alt 24.08.2012, 22:32   #6
Dana
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Lieber eKy,

ich las immer wieder (nicht um zu verstehen, sondern ob der Lyrik).
Ich glaubte gänzlich zu verstehen und verfiel dem Zauber, den Larin meinte.
Deine "Besserwisserei" ließ mich aber aufhorchen (nicht nur hier) und schon war beides stimmig. Auch die Nacht hat zwei Seiten.

Als von Albträumen regelmäßig geplagte, kann ich Nächten jedoch mehr abgewinnen. Die Gedanken, Ideen und Vorstellungen bekommen einen ganz eigenen Raum, trotz der Erfahrung:

Zitat:
=Erich Kykal
der freie Geist kann erste Schritte wagen.
Doch weil das Maß an Dunkelheit bemessen,
werd ich am Morgen sichtbar - und versagen.
Eine Finsternis mit großem Zauber.

Ja, du bist einer meiner wenigen Lieblingsdichter.
(Wenn ich dich irgendwo zu fassen kriege und dann doch wieder "belehrt" werde, macht es mir Spaß.)

Liebe Grüße
Dana


"Hände lasst von allem Tun,
Stirn, vergiss du alles Denken,
alle meine Sinne nun
wollen sich in Schlummer senken.
Und die Seele unbewacht,
will in freien Flügen schweben,
um im Zauberkreis der Nacht
tief und tausendfach zu leben." (Hermann Hesse)
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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Alt 25.08.2012, 01:45   #7
Erich Kykal
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Hi, Dana!

G'schamster Diener! - wie man bei uns sagt, natürlich immer mit korrektem Verbeuger.
Dein vollmundiges Lob freut mich, und auch, dass du anscheinend etwas lerntest, aber belehrend wollte ich eigentlich nicht wirken. Naja, alte Lehrerkrankheit...

Dieses Sonett entstand eigentlich ursprünglich aus dem Bedürfnis heraus, es exakt nach geltenden Regeln zu verfassen, denn in meinem Bilderzyklus hatte ich es damit ja nicht so ernst genommen. (Der ist übrigens fertig - vorgestern war ich in der Druckerei, mal vorfühlen. Der Chef dort erkundigt sich wegen der Bilderrechte und macht mir einen Kostenvoranschlag.)

Das mit dem "einer meiner Lieblingsdichter" ging mir runter wie Öl, muss ich zugeben. Man ist wohl nie über gewisse kleine Eitelkeiten erhaben...

LG, eKy
__________________
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