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Alt 27.02.2013, 11:05   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Standard Graf August von Platen

Wie rein war dein Verlangen nach dem Schönen,
wie groß dein Durst nach einem Stückchen Glück,
doch wie verbittert zogst du dich zurück
nach Heines bissigen und schrillen Tönen!

Was er verriet, das musstest du verschweigen
in einer Welt, die solches Sein nicht duldet -
zu hoch warst du dem Publikum verschuldet,
dich einmal in der Heimat noch zu zeigen.

So bist du in Italien verstorben,
ein ewig Fremder einer strengen Zeit,
die lauter du in Reim und Wort umworben.

Dem hellen Süden hast du dich geweiht -
dir war die Lust am Vaterland verdorben,
wo es Verachtung nur und Häme schneit.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
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Alt 09.07.2013, 22:28   #2
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Servus Erich,

um diesen Text habe ich mich lange herum gedrückt.

Die sogenannte "Platen-Affäre" zwischen Heinrich Heine und August von Platen ist mir bekannt und ich fühle mich außerstande, hier für einen der beiden Partei zu ergreifen.

Es war wohl eine der heftigsten Auseinandersetzungen aus deutschen Literaturgeschichte und beide haben sich nichts geschenkt.

So viel ich weiß, hatte Platen eine Kritik Heines, in der jener die "Orient-Dichter" (also jene, die oft orientalische Themen verarbeiteten) verspottet (in den Reisebildern?), auf sich bezogen und dies Heine verübelt.

Darauf schuf Platen die Figur "Nimmermann" (wohl auch eine Anspielung auf Heines Freund Immermann) und attackierte Heine in Bezug auf seine jüdische Herkunft unter Bedienung antisemitischer Klischees.

Heine revanchierte sich, indem er Platens Homosexualität offenlegte und diese verpottete.

Damit war Platen natürlich in der damaligen Gesellschaft geliefert.
Heine hat das aber auch geschadet, aufgrunddessen scheiterte seine Bewerbung um eine Professur in München und es spielte eine Rolle für seine Entscheidung nach Paris zu gehen.

Beide haben sich nach unserem heutigen Rechtsempfinden gegen unser Grundgesetz schuldig gemacht, wobei heute noch dazu kommt, dass Homosexualität zum anerkannten Bild in unserer Gesellschaft geworden ist, der Antisemitismus hingegen als moralisch sehr bedenklich eingestuft wird.

Was hätten wir damals an Heines Stelle getan?

Das ist die menschliche Hybris.

Ich wollte das nur einmal erläutern, denn in diesem Sonett kommt Heine sehr schlecht weg, weil er nur als Ursache benannt wird.
Das stimmt zwar insofern, aber das Unglück Platens ist zumindest zum Teil selbstverschuldet.

Die Folgen für Graf August von Platen hast du in deinem Sonett aber einfühlsam beschrieben.
Das sind sehr lyrische Zeilen, ein in diesem Sinne schönes Sonett, bei dem ich mir ganz sicher bin, es hätte Platen gefallen...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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Alt 10.07.2013, 10:48   #3
Erich Kykal
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Hi, Faldi!

Danke für deinen Kommi! Wie du sagtest: Ich wollte die Folgen für Platen schildern, nicht in dem Streit Partei ergreifen. Ich habe im Sonett ja auch nur kurz angedeutet, worum es ging.
Du hast Recht - beide haben sich da nicht mit Ruhm bekleckert, aber die Folgen für Platen waren doch wesentlich gravierender.
Im Grunde wollte ich auf die Intoleranz der damaligen - und teilweise auch sicher noch heutigen - Gesellschft hinweisen, für die Platens Neigung noch eine Todsünde war und der soziale Tod sowieso!
Warum ich in dem Sonett die Sache aus Platens Sicht schildere?
Platens Lyrik steht mir näher, ich halte ihn für den weitaus besseren Dichter. Heines einziger Verdienst war m.E. die Öffnung der Dichtkunst für politische und satirische Inhalte, die man davor als zu minder ansah, das schöne Wort an sie zu vergeuden. Abgesehen davon macht er viele Hebungsfehler, und seine Reime sind - angesehen von wenigen Ausnahmen - relativ simpel gestrickt, oder kommen zumindest so rüber.
Platen hingegen, obschon poetisch begabt, war doch zu sehr Kopfmensch, um den letzten Funken Wortmagie in seine Texte zu weben, der sie in den Augen der Kunstgeschichte letztenendes zu mehr als einer veritablen sprachlichen Leistung gemacht hätte. Dennoch fühle ich mich seiner ernsten Wortkunst wesentlich verbundener als der von Heine.

LG, eKy
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Alt 12.07.2013, 15:53   #4
Walther
Gelegenheitsdichter
 
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moin eky,

damit
Zitat:
Platens Lyrik steht mir näher, ich halte ihn für den weitaus besseren Dichter.
stehst du ziemlich alleine. beide sind schlicht nicht vergleichbar. beide haben ihre verdienste, beide hatten ihre stigmata.

dieser vers
Zitat:
zu hoch warst du dem Publikum verschuldet,
ist furchtbar verquast. man könnte ihn einen platen nennen, der hat, um der form willen, die sprache ähnlich gemartert.

ansonsten handwerklich gewohnt gelungen, aber etwas seelenlos, auch das in guter platen tradition. ich kenne ihn gut, den (meinen) platen, seine schwächen wie seine stärken. damit erhältst du ungewollt und en passant eine antwort auf deine letzte frage an mich. das ist nicht böse gemeint, aber es ist schon so, daß wir eine unterschiedliche auffassung von guter lyrischer sprache haben.

was meine wertschätzung für dein schaffen übrigens nicht schmälert!

lg w.
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Alt 14.07.2013, 20:19   #5
Erich Kykal
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Hi, Walther!

Zu "verquast": Als ich dies hier schrieb, hatte ich grade Platen's lyrisches Gesamtwerk hinter mir, das mag meinen Stil durchaus in der von dir beschriebenen Weise beeinflusst haben.
Allerdings würde ich nicht "verquast" sagen, sondern eher: Angenehm komplex!

Auch wollte ich mit meiner Aussage bezüglich der beiden Dichter nicht Äpfel mit Birnen vergleichen - das war wohl missverständlich ausgedrückt. Ich wollte bloß konstatieren, dass ich Platen bevorzuge, weil mir sein Dichten besser gefällt als Heines. Das ist ein subjektives Werturteil persönlichen Geschmacks, und es sollte auch nie etwas anderes darstellen - schon gar kein Versuch einer objektiven Einschätzung mit Beeinflussungscharakter!

Und ob ich damit "ziemlich alleine" stehe, ist mir - ehrlich gesprochen - schnurzpiepegal!
Ich frage mich viel eher, was dich bewogen haben mag, das überhaupt so zu schreiben. Sprichst du jetzt schon für die Allgemeinheit, oder hältst du dein persönliches Urteil bezüglich der Beliebtheitsverteilung toter Dichter für dermaßen unfehlbar, dass du derlei unbewiesene Überzeugtheiten so nonchalant aus der Hüfte feuerst?

Sei es, wie es sei - ich bedanke mich jedenfalls herzlich für deinen Schlusssatz, dessen Aussage ich dichbezüglich hiermit 1zu1 retourniere!

LG, eKy
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Geändert von Erich Kykal (18.05.2018 um 23:08 Uhr)
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