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Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

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Alt 12.03.2014, 18:12   #1
poetix
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 30.11.2013
Ort: Bubenreuth
Beiträge: 206
Standard Der Wahrheitsbaum

Der Wahrheitsbaum


In seinem Walde steht der Wahrheitsbaum,
umgeben rings von Buchen, Tannen, Eichen.
Nach Wahrheit gräbt er tief in Erdenreichen,
nach oben reckt er sich und schafft sich Raum.

Der Boden, nein, enthält die Wahrheit kaum,
der Baum kann seine Ziele nicht erreichen.
Zwar trifft er Schemen, die der Wahrheit gleichen,
doch reine Wahrheit bleibt für ihn ein Traum.

Vergeblich will der Baum die Sonne greifen,
er lässt, was er für wahr hält, fruchtig reifen.
Zur Sonne wachsen diese Früchte nicht.

Die Blätter fangen an, weithin zu schweifen
und segeln langsam ihre großen Schleifen.
Die Sonne taucht den Baum in goldnes Licht.
__________________
Lineam rectam sequere
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Alt 12.03.2014, 20:24   #2
Chavali
ADäquat
 
Benutzerbild von Chavali
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Mitteldeutschland
Beiträge: 13.004
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Hallo poetix,

hier finde ich ein gut gemachtes Sonett von dir.
Gefällt mir sehr!

Der Wahrheitsbaum - eine schöne Metapher für die Wahrhaftigkeit, nach der sich die Menschen zwar seit Urzeiten sehnen,
die sie aber selbst kaum leben oder leben können.

Nur eine Frage habe ich:
Du schreibst in Zeile1 von seinem Wald - wessen Wald ist hier gemeint?

Sehr gern gelesen!

Liebe Grüße,
Chavali
__________________
.
© auf alle meine Texte
Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

*
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Alt 12.03.2014, 20:45   #3
Dana
Slawische Seele
 
Benutzerbild von Dana
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 5.637
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Hallo poetix,

mich hat dein Sonett ebenfalls angesprochen - die Suche nach Wahrheit (oder Antwort) in sehr sinnigen Metaphern.
Nach dem Lesen kommen einem sofort die "bekannten" Zitate: "Ich weiß, dass ich nichts weiß" oder "Das Leben ist gar nicht so, es ist ganz anders."

Das Besondere an deinem Sonett ist für mich eine versteckte Antwort:

Zitat:
Zitat von petix
Die Blätter fangen an, weithin zu schweifen
und segeln langsam ihre großen Schleifen.
Die Sonne taucht den Baum in goldnes Licht.
Wir werden noch lange, lange (vielleicht immer) nach einer Wahrheit suchen um sie nicht zu finden.
Die Welt, das Universum sind zu groß für uns.
Wir sind nicht einmal unter der größten Sonne - also immer noch fern der Wahrheit von der Wahrheit.
Dabei ist es nur eine erdachte Unterstellung, dass es eine Wahrheit geben muss.
(Ganz schön unmöglich das Ganze und doch lebendiger Traum.)

Liebe Grüße
Dana
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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Alt 12.03.2014, 20:50   #4
ginTon
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Beiträge: 12.590
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Hi poetix..

schließe ich mich an, finde dieses Gedicht auch sehr gelungen. ich lese jedoch
den Wahrheitsbaum syn. für Lebensbaum, der ja Quell und Ursprung allen ist.
Somit ist der Wald ringsum seine Saat? Mmmh nein...

Andererseits ist schon sehr auffallend, dass er sich scheinbar sehr von den
rings ihm stehenden Bäumen unterscheidet, Eiche, Buche etc. Die Frage ist
natürlich auch, ob nicht ein Baum so oder so jeden Tag nach der Sonne greift.

So recht schlau wird man aus dem Gedicht inhaltlich nicht, aber wie gesagt,
mir gefällt wie es geschrieben wurde. Man fragt sich natürlich automatisch,
ja welche Wahrheit sucht der Baum denn, die des Lebens, aber das lässt sich
doch gar nicht in diese Kategorie einordnen. Auch nicht das Wissen, wie es
Dana anhand des Zitates angemerkt hat. Denn etwas zu wissen ist genauso
wahr, wie etwas nicht zu wissen...

LG gin
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© Bilder by ginton

Ich fühle, also bin ich!

Alles, was einmal war, ist immer noch, nur in einer anderen Form. (Hopi)


nichts bleibt, nichts ist abgeschlossen und nichts ist perfekt... (Wabi-Sabi)

Geändert von ginTon (12.03.2014 um 20:57 Uhr)
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Alt 13.03.2014, 08:58   #5
poetix
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 30.11.2013
Ort: Bubenreuth
Beiträge: 206
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Hallo Chavali,
danke für deinen Kommentar. Zu deiner Frage: Es ist der Wald, in dem der Wahrheitsbaum steht, insofern sein Heimatort, aber auch der Wald, den er vor lauter Bäumen nicht sieht. Das Possesivpronomen bezieht sich zwar schon auf den Baum, bezeichnet aber in diesem Fall keinen materiellen Besitz, eher eine Art Zugehörigkeitsgefühl.
Viele Grüße
poetix

Hallo Dana,
auch dir besten Dank für deine Antwort. Ja, das ist ein ganz zentraler Punkt für mich gewesen: Man kann die absolute Wahrheit nicht finden (gibt es sie überhaupt?). Aber man sucht nach ihr, will über sie zu Höherem gelangen. Trotz des notwendigen Scheiterns kann man schließlich zu innerem Frieden gelangen. Danke fürs Nachspüren.
Viele Grüße
poetix

Hallo ginTon,
auch dir ein Dankeschön für deine Rückmeldung. Es hilft schon sehr zu sehen, wie ein Text ankommt. Das mit dem Lebensbaum ist nicht ganz, was ich gemeint hatte, aber es stimmt natürlich, dass sich das Ganze in unserem menschlichen Leben abspielt. Die anderen Bäume: Sind sie anders? Das kommt hier nicht heraus. Sie sind hier die Kulisse: Man sieht den Wald vor Bäumen nicht. Und die Sonne: Das ist das Höhere, nach dem er letzlich strebt. Der Baum ist natürlich ein Symbol und es trifft sich gut, dass auch reale Bäume nach der Sonne streben.
Viele Grüße
poetix
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