19.07.2015, 19:04 | #1 |
Gast
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Klirr! Ein Martyrium
Aus Erde bin ich und zu Erde werd ich,
geschlemmt, geformt, gemustert und gebacken, glasiert und engobiert, geschützt von Lacken, erwidre ich den Druck nie rau, stets zärtlich. Am liebsten mag ich Hände, die mich streicheln. Doch wer in mir Geschirr sieht, der verwirrt mich. Und sagt er gar noch „Topf“ zu mir, dann klirr ich. Was hindert ihn denn, „Porzellan“ zu heucheln? Drauf bin ich tot und Scherben sind die Erben, sie wollen meinen Tod durch Stechen rächen. Von grober Hand misshandelt, musst ich brechen, dem Grobian zur Lehre sei mein Sterben! |
21.09.2015, 19:32 | #2 |
Lyrische Emotion
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Beiträge: 9.912
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Moin wolo,
genau, das hat er jetzt davon, der Grobian. Hätte er sein Porzellinchen (Topf darf ich ja nicht sagen) besser mal etwas sanfter behandelt, dann wäre es auch nicht entzweigegangen. Ich finde es bemerkenswert, wie sich Porzellinchen darstellt. Es beschreibt sich selbst wie ein kleines Kunstwerk, das geformt, gehärtet und dessen Oberfläche glatt und geschmeidig gemacht wurde. Anschließend erklärt es seine Vorlieben und Abneigungen. Und zum Schluss kommen die Konsequenzen ans Licht, wenn es nicht dementsprechend behandelt wird. Eine Portion Eitelkeit kann ihm nicht abgesprochen, ebenso wenig die Schärfe seiner Splitter, wie auch ein gewisser Trotz. Ich finde, der Text hat Porzellinchen Leben eingehaucht, indem er sich dabei lediglich den Eigenschaften dieses Materials bedient hat. Das muss man erst mal so hin bekommen. Der abschließende Gag war zwar nicht gerade ein Brüller, aber er hat mir auf jeden Fall ein breites Grinsen entlockt, auch über den gelungen Text an sich. Sag mal, wie kommst du eigentlich immer auf solche Begriffe wie "engobieren"? Da musste ich erst mal im Duden nachschlagen... Gern gelesen und kommentiert... Liebe Grüße Bis bald Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine) Für alle meine Texte gilt: © Falderwald --> --> --> --> --> Wichtig: Tipps zur Software |
21.09.2015, 20:21 | #3 |
Gast
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dieses sehe ich als höchst gelungenes Werk in der Symbolik des Tongeschirrs für den Menschen.
"Aus Erde bin ich und zu Erde werd ich", sowas sagt auch ein Pastor bei der Beerdigung eines Menschen. Ebenso das :" Was hindert ihn denn Porzellan zu heucheln"::Also ein Symbolgedicht feinster Sorte!! Hier geht es um den bodenständigen , klaren Menschen, dem man wie in dem Tongeschirr etwas Banales sieht, grob mit ihm umgeht, weil er ja hart im nehmen ist. Die Anerkennung in Bezug auf das kapriziöse Porzellan, das durch Stil und Anmutung besticht, bekommt er nie. Nicht mal heucheln wollen sie. Die Schubladen sind klar: Porzellan ist wertvoll, Tongeschirr ist ländlich,prinitiv, Alltag. Daran zerbricht er letzlich! Es ist die Frage, ob es einem Menschen wichtig sein sollte, geheuchelte Anerkennung zu bekommen. Aber jeder Mensch ist eben anders und über Anerkennung freut sich jeder. Dem Grobian werden weder die stechenden Scherben ( späte Rache), noch das Sterben des Tongeschirrs kratzen. er hat seine Schublade und für ihn ist ein zerbrochenes Tongeschirr kein Verlust. Ein sehr tiefgehendes Werk, das ich mit Respekt und großer Empathie gelesen habe, lieber Wolo Im Übrigen metrisch einwandfrei. Ach ja- einzig der Titel gefällt mir nicht...und ich sehe keine Satire darin, sondern tiefe Ernsthatigkeit... LG von Agneta Geändert von Agneta (21.09.2015 um 20:26 Uhr) |
23.09.2015, 11:55 | #4 |
Gast
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Hallo Falderwald
"engobieren" ist für einen Schweizer Grundschullehrer ein wohlbekannter Begriff. Danke, dass du dich so genau um Porzellinchen bemühst. Obwohl ich hier den Part des Grobians spiele und Porzellinchen jenen der von mir unsanft behandelten Dichter (welche nicht zwischen ihren Werken und sich unterscheiden). Ich werde versuchen, an diesem von dir positiv erwähnten Teil Mass zu nehmen für Weiteres. Hallo Agneta Herzlichen Dank für die gute Aufnahme meiner "Satire". (Es ist Satire, weil Antwort auf die Vorwürfe eines Forenmitgliedes, ich hätte zu viel Freude am Geschirr Zerdeppern, wenn ich Gedichte kritisiere.) Es ist mir immer erstrebenswert und eine Befriedigung, wenn aus einem meiner engen Welt- und Forensicht entsprungenen Vers etwas anderes, Allgemeingültigeres herausgelesen wird. Ich hoffe, von deiner Empathie für den Topf kann ich als der Grobian auch ein wenig profitieren. Extra für dich habe ich hier unten noch die "metrischen Fehler" angestrichen (aufgrund deiner einfachen Rechnung in meinem faden "stummfilm": "Fünf Hebungen bedeuten fünf Betonungen"): Aus Erde bin ich und zu Erde werd ich, geschlemmt, geformt, gemustert und gebacken, glasiert und engobiert, geschützt von Lacken, erwidre ich den Druck nie rau, stets zärtlich. Am liebsten mag ich Hände, die mich streicheln. Doch wer in mir Geschirr sieht, der verwirrt mich. Und sagt er gar noch „Topf“ zu mir, dann klirr ich. Was hindert ihn denn, „Porzellan“ zu heucheln? Drauf bin ich tot und Scherben sind die Erben, sie wollen meinen Tod durch Stechen rächen. Von grober Hand misshandelt, musst ich brechen, dem Grobian zur Lehre sei mein Sterben! Beiden einen schönen Tag! wolo Geändert von wolo von thurland (23.09.2015 um 12:24 Uhr) |
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